Antifaschistin und Internationalistin
Drei Filme, mindestens ein Theaterstück und noch mehr geschriebene Biografien gibt es über diese Neuköllner Internationalistin Jahrgang 1908, die in der Bundesrepublik kaum bekannt war – in der DDR und in Brasilien aber berühmt. Letztes Jahr im Februar wäre sie 115 Jahre alt geworden. Gestorben ist sie schon am 23. April 1942. Auch wenn die Beschreibungen ihres Lebens unterschiedliche Perspektiven einnehmen, sind sie sich einig darüber, dass die Gesuchte ein bewegtes politisches Leben führte – eines, das wie viele andere durch die Gewalt der Nationalsozialisten zu früh endete.
Den aufkommenden Faschismus in Deutschland zu bekämpfen, war ein Ziel der kommunistischen Jugendlichen aus bürgerlichem sozialdemokratischen, jüdischem Elternhaus in München. Abgeschottet von sozialer Not lebte sie nie – ihr Vater vertrat als Anwalt mittellose Klienten oftmals kostenlos –, und Ungerechtigkeit war häufiges Thema in der Familie, wenn auch die Ansichten zum Umgang damit unterschiedlich waren.
Als Teenager bringt sie sich in die Schwabinger Ortsgruppe einer verbotenen kommunistischen Gruppe ein und zieht 1926 nach Berlin-Neukölln. Über die Partei der Sozialdemokraten schreibt sie in einem Text von 1929, sie würde »sich als Arbeiterpartei bezeichnen; in Wirklichkeit handelt es sich aber um die Partei der Kleinbürger und der arbeitenden Aristokratie«. Im Kampf gegen den Faschismus vertraut sie nur den Kommunist*innen. Dass die Kämpfe schon vor der
Machtübergabe an die Nationalsozialisten durch staatliche Repression erschwert werden, ist für sie kein Grund aufzugeben: Als ihr Genosse – und ihr Lebensgefährte – Otto Braun wegen Hochverrats eingeknastet wird, befreit sie ihn mit einer Gruppe während seiner Verhandlung aus dem Gerichtssaal. Die beiden tauchen in Moskau unter.
Braun soll eifersüchtig gewesen sein, sie findet das kleinbürgerlich; die Beziehung endet 1931. Sie arbeitet im Untergrund, lernt mehrere Sprachen, Reiten, den Umgang mit Waffen und macht als Mitglied des Präsidiums der Kommunistischen Internationalen Jugend eine Ausbildung als Fallschirmspringerin und Pilotin.
Warum würden viele Menschen in Brasilien das Rätsel hier schnell lösen? Weil sie auch dort aktiv war: In einem politischen Einsatz 1934 reist sie zum Schutz eines brasilianischen Revolutionärs, bekannt als »Ritter der Hoffnung«, mit ihm auf dem Seeweg nach New York und von Miami nach Brasilien. Sie tarnen sich als portugiesisches Pärchen auf Hochzeitsreise.
Doch der Faschismus holt sie ein. 1936 werden beide verhaftet; sie wird ins nationalsozialistische Deutschland ausgeliefert, inhaftiert und schließlich ermordet. Sie hinterlässt ihre Tochter Antita Leocádia Prestes, die später als Historikerin eine der Biografien geschrieben hat. In Berlin-Neukölln trägt eine Galerie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ihren Namen. Wer war’s?
Bei unserem letzten Steckbrief fragten wir nach der US-amerikanischen Physikerin Katharine Burr Blodgett. Gewonnen haben:
Iwonne Grunke, Freiberg Sabine Wilke, Leipzig Christiane Stiel, Berlin
Der Preis für das aktuelle Rätsel:
»Kafka«
Graphic Novel von David Zane Mairowitz und Robert Crumb, Reprodukt,
178 Seiten
Einsendeschluss: 18. März 2024
Antworten an: nd.DieWoche, Steckbrief, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin oder an: steckbrief@nd-online.de