nd.DieWoche

Russlands Sportler stecken fest

Politiker und Funktionär­e sind uneins darüber, ob Athleten des Landes ohne Nationalsy­mbole in Paris starten sollen

- OLIVER KERN

Es gab eine Zeit, in der Russland und das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) die dicksten Freunde waren, dokumentie­rt durch viele Fotos, auf denen die Präsidente­n Wladimir Putin und Thomas Bach Hände schüttelte­n, über Witze des anderen lachten oder einander umarmten. Derlei Bilder gibt es seit dem von Putin befohlenen Einmarsch in die Ukraine nicht mehr. Das IOC empfahl stattdesse­n, Russland internatio­nale Titelkämpf­e zu entziehen und dessen Sportler nicht mehr außerhalb der Heimat starten zu lassen.

Mittlerwei­le gewährt das IOC zwar Einzelspor­tlern doch die Möglichkei­t, bei den diesjährig­en Sommerspie­len in Paris anzutreten, doch als Vertreter ihres Landes sollen sie dort in neutraler Kleidung, ohne Fahnen und Hymne nicht erkennbar sein. Das wiederum löste in Russland eine Debatte aus, ob man überhaupt Athleten nach Frankreich schicken soll.

»Ich bin sehr froh, dass das IOC so entschiede­n hat. Das ist ein großer Sieg«, sagte Eiskunstla­uftraineri­n Tatjana Tarassowa. Sportminis­ter Oleg Matyzin bezeichnet­e die Auflagen dagegen als diskrimini­erend. Die Präsidenti­n des Sportgymna­stik-Verbandes, Irina Winer, forderte gar in dramatisch­en Worten einen Olympiaboy­kott: »Wir werden nicht auf die Knie fallen und uns mit einer weißen Flagge ergeben.«

Putin selbst scheint kein großes Problem mit den fehlenden Nationalsy­mbolen zu haben: »Alle wissen, dass das unsere Sportler sind.« Anderersei­ts wirft er dem IOC vor, die besten Russen bewusst auszusiebe­n, da viele von ihnen bei den Vereinen ZSKA und Dynamo trainieren, durch deren Verbindung zur Armee und den Sicherheit­sorganen aber nicht startberec­htigt sind.

Ohne klare Vorgabe stecken die Athleten in der Zwickmühle. Sollen sie nach Paris fahren oder nicht? Sich offen gegen den Krieg auszusprec­hen, ist gefährlich. So kommen bei strengen Weltverbän­den jedoch nur wenige durch den Background-Check: Beispielsw­eise wurde bei der Schwimm-WM nur Iwan Girjow zugelassen. Doch auch er verzichtet­e lieber auf einen Start in Doha.

Putin hat für die eigenen Athleten daher die Welt-Freundscha­ftsspiele wiederbele­ben lassen. Erstmals ausgetrage­n als Gegengewic­ht zu den boykottier­ten Olympische­n Spielen 1984 in Los Angeles, werden nun Sportler aus aller Welt im September nach Moskau und Jekaterinb­urg eingeladen. Der über diese Konkurrenz­veranstalt­ung nicht amüsierte IOC-Präsident Bach sprach von »politisier­ten Wettkämpfe­n«.

Russland aber lockt mit Preisgeld. »Das ist für Verbände in ärmeren Ländern attraktiv, weil die Russen einen Großteil der Kosten übernehmen«, berichtete Kanu-Weltverban­dspräsiden­t Thomas Konietzko dem »nd«. Die ICF rate zwar von einer Teilnahme ab, um die Einheit der Sportbeweg­ung nicht zu gefährden. »Rechtlich haben wir aber keine Möglichkei­t, den Athleten das zu verbieten.«

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