Russlands Sportler stecken fest
Politiker und Funktionäre sind uneins darüber, ob Athleten des Landes ohne Nationalsymbole in Paris starten sollen
Es gab eine Zeit, in der Russland und das Internationale Olympische Komitee (IOC) die dicksten Freunde waren, dokumentiert durch viele Fotos, auf denen die Präsidenten Wladimir Putin und Thomas Bach Hände schüttelten, über Witze des anderen lachten oder einander umarmten. Derlei Bilder gibt es seit dem von Putin befohlenen Einmarsch in die Ukraine nicht mehr. Das IOC empfahl stattdessen, Russland internationale Titelkämpfe zu entziehen und dessen Sportler nicht mehr außerhalb der Heimat starten zu lassen.
Mittlerweile gewährt das IOC zwar Einzelsportlern doch die Möglichkeit, bei den diesjährigen Sommerspielen in Paris anzutreten, doch als Vertreter ihres Landes sollen sie dort in neutraler Kleidung, ohne Fahnen und Hymne nicht erkennbar sein. Das wiederum löste in Russland eine Debatte aus, ob man überhaupt Athleten nach Frankreich schicken soll.
»Ich bin sehr froh, dass das IOC so entschieden hat. Das ist ein großer Sieg«, sagte Eiskunstlauftrainerin Tatjana Tarassowa. Sportminister Oleg Matyzin bezeichnete die Auflagen dagegen als diskriminierend. Die Präsidentin des Sportgymnastik-Verbandes, Irina Winer, forderte gar in dramatischen Worten einen Olympiaboykott: »Wir werden nicht auf die Knie fallen und uns mit einer weißen Flagge ergeben.«
Putin selbst scheint kein großes Problem mit den fehlenden Nationalsymbolen zu haben: »Alle wissen, dass das unsere Sportler sind.« Andererseits wirft er dem IOC vor, die besten Russen bewusst auszusieben, da viele von ihnen bei den Vereinen ZSKA und Dynamo trainieren, durch deren Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen aber nicht startberechtigt sind.
Ohne klare Vorgabe stecken die Athleten in der Zwickmühle. Sollen sie nach Paris fahren oder nicht? Sich offen gegen den Krieg auszusprechen, ist gefährlich. So kommen bei strengen Weltverbänden jedoch nur wenige durch den Background-Check: Beispielsweise wurde bei der Schwimm-WM nur Iwan Girjow zugelassen. Doch auch er verzichtete lieber auf einen Start in Doha.
Putin hat für die eigenen Athleten daher die Welt-Freundschaftsspiele wiederbeleben lassen. Erstmals ausgetragen als Gegengewicht zu den boykottierten Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles, werden nun Sportler aus aller Welt im September nach Moskau und Jekaterinburg eingeladen. Der über diese Konkurrenzveranstaltung nicht amüsierte IOC-Präsident Bach sprach von »politisierten Wettkämpfen«.
Russland aber lockt mit Preisgeld. »Das ist für Verbände in ärmeren Ländern attraktiv, weil die Russen einen Großteil der Kosten übernehmen«, berichtete Kanu-Weltverbandspräsident Thomas Konietzko dem »nd«. Die ICF rate zwar von einer Teilnahme ab, um die Einheit der Sportbewegung nicht zu gefährden. »Rechtlich haben wir aber keine Möglichkeit, den Athleten das zu verbieten.«