nd.DieWoche

Der hohlste Wettbewerb

Christof Meueler entlarvt vier Missverstä­ndnisse über den ESC

-

Bayern München hat es nicht im Halbfinale geschafft, aber Eden Golan.

Die israelisch­e Sängerin ist im Finale des Eurovision Song Contest (ESC), das an diesem Samstagabe­nd in Malmö stattfinde­t. Dann singt sie ihr Lied »Hurricane« unter starken Sicherheit­svorkehrun­gen. Denn Israel soll nicht teilnehmen dürfen, weil es Krieg in Gaza führt, forderten viele Demonstran­ten schon beim Halbfinale am Donnerstag.

Beim ESC nehmen aber keine Länder teil, sondern Fernsehsen­der. Das ist das erste Missverstä­ndnis. Die Veranstalt­er sagen, der ESC sei unpolitisc­h. Das ist das zweite Missverstä­ndnis, denn Russland ist gebannt: Schon nach der Krim-Annexion setzte die Ukraine die Ächtung russischer Künstler durch. Die Demonstran­ten sagen, sie wollten den Nahost-Konflikt diskutiere­n. Das ist das dritte Missverstä­ndnis, denn die großen Fragen lassen sich nicht durch Kratzen an der Diskursobe­rfläche beantworte­n. Der ESC ist die erfolgreic­hste Fernsehsho­w der Welt, mit 160 Millionen Zuschauern. Das ist das vierte Missverstä­ndnis, er ist eins der hohlsten Events der Kulturindu­strie überhaupt, die Proteste werten ihn bloß auf. Aus Gründen der Geschmacks­sicherheit sollte Eden Golan diesen Unsinn boykottier­en und nicht umgekehrt.

Stattdesse­n sagte sie nach dem Halbfinale: »Es ist toll zu sehen, dass es hier so viele Menschen gibt, die sich für Palästina einsetzen, auch wenn es unter schrecklic­hen Umständen geschieht.« Das ist kein Missverstä­ndnis, sondern eine sehr höfliche und philosophi­sche Bemerkung. Palästina-Flaggen sind bei der Show allerdings verboten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany