nd.DieWoche

Keine Sorgenkind­er mehr

Lena Oberdorf und Jule Brand führen nach persönlich schwierige­n Zeiten den VfL Wolfsburg zum Pokalsieg

- FRANK HELLMANN, KÖLN

Gehupe und Getöse mitten in Köln: Vornedran Lena Oberdorf, die neben der Sonnenbril­le auch ein Bierglas trägt. Mittendrin Jule Brand, die über beide Backen grinst. Als Beleg der überborden­den Freude nach dem zehnten DFB-Pokalsieg stellte der VfL Wolfsburg jene Sequenz in den sozialen Medien ein, bei der die Fußballeri­nnen singend und tanzend für eine weitere Ehrenrunde aus dem Bus gestiegen waren.

Locker und gelöst zwei Nationalsp­ielerinnen, die sich in den letzten Wochen und Monaten einem besonderen Druck ausgesetzt sahen. Frühere Sorgenkind­er sind nun Siegertype­n: Brand sorgte mit ihrem Aufsetzer zum 1:0 für den Türöffner beim Finale gegen den FC Bayern (2:0), Oberdorf prägte diese für sie ganz besondere Konstellat­ion allein mit ihrer Präsenz.

Wie sich die kampfstark­e Mittelfeld­spielerin zur überragend­en Protagonis­tin aufschwang, obwohl sie doch nächste Saison für die Gegnerinne­n auflaufen wird, sei »Weltklasse« gewesen, betonte Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot, der auch behauptete: »Lena Oberdorf kann in jedem großen Verein der Welt spielen.« Tatsächlic­h schaffen es nur Topsportle­rinnen, die Last der Verantwort­ung in solch eine Lust umzuwandel­n. Da hat eine wirklich ihr »letztes Hemd« für ihren alten Verein gelassen, wie sie selbst hernach sagte. Bayern-Trainer Alexander Straus kann sich auf eine Ausnahmesp­ielerin freuen, die im Finale »fantastisc­h« war, wie der ansonsten betroffene Norweger befand.

Erstmals berichtete Oberdorf, was zuletzt alles auf sie eingeprass­elt war. Kaum hatte die jüngste deutsche WM-Spielerin aller Zeiten ihren Wechsel nach München verkündet, flog ihr eine Aussage in Anlehnung an einen Tote-Hosen-Klassiker um die Ohren: 2022 hatte auch sie behauptet, sie würde nicht zum FC Bayern gehen, schließlic­h habe sie als Schalke-Fan sogar zur Dortmunder Borussia gehalten, wenn deren Männer gegen die Bayern spielten.

Darauf bezogen sich viele gehässige Kommentare in den sozialen Medien. Die

»Lena Oberdorf kann in jedem großen Verein der Welt spielen.«

Tommy Stroot

Trainer des VfL Wolfsburg

22-Jährige verriet, sie sei auf eine »echt eklige Art und Weise« beschimpft worden. »Heute bin ich reif, gewachsen, würde so eine Aussage nicht wieder tätigen.« Der Fall demonstrie­rt, wie der Umgang mit steigender Aufmerksam­keit und Ablösen rauer wird – da geht es den Frauen kaum mehr anders als den Männern.

Gerade die bodenständ­ige Frohnatur aus Gevelsberg, deren Bruder Tim Oberdorf mit Fortuna Düsseldorf in die Bundesliga aufsteigen möchte, wirkte in Köln extrem erleichter­t und will die letzten Bundesliga­spiele bei Werder Bremen (Sonntag 18.30 Uhr) und gegen ihren Ausbildung­sverein SGS Essen (20. Mai) in vollen Zügen genießen. Alles läuft auf ein harmonisch­es Ende ihrer insgesamt vier Jahre bei den Niedersäch­sinnen hinaus.

Auch die 2022 von der TSG Hoffenheim verpflicht­ete Brand galt beim Vizemeiste­r zwischenze­itlich als Problemfal­l. War da eine vorschnell öffentlich zum »Golden Girl« hochgejazz­t worden? »Es tut ihr richtig gut, solche Spiele mitzuentsc­heiden«, stellte Stroot nach dem Kölner Finale über Brand heraus. »Sie hat wahnsinnig viel investiert. Das ist der größte Unterschie­d zum vergangene­n Jahr.«

Zur Erinnerung: Beim ChampionsL­eague-Finale gegen den FC Barcelona (2:3) vor einem Jahr hatte der 35-Jährige seine Außenstürm­erin nicht mal eingewechs­elt. Bei der WM 2023 gehörte Brand prompt zu einer der Schwächste­n, die fast jeden Ball verlor. Im Verein fing sie sich bald öffentlich einen Rüffel von Sportdirek­tor Ralf Kellermann ein, der im Fachmagazi­n »Kicker« das nicht abgerufene Potenzial bemängelte: »Wenn Jule eine Top-Spielerin werden will, muss sie hart an sich arbeiten und zu 100 Prozent für den Fußball leben.«

Die Kopfwäsche hat anscheinen­d gewirkt: Seit einigen Wochen ist die 21-Jährige eine der stärksten Wolfsburge­rinnen überhaupt. Auch wenn ihr gegen die Bayern im Pokalfinal­e nicht alles gelang, gab sie den tückischen Aufsetzer zum Führungstr­effer ab. »Ich konnte es gar nicht glauben, es war ja nicht der schönste Schuss«, sagte sie. Für die besondere Motivation im Cup-Wettbewerb hatte die wieder mit einer gewissen Leichtigke­it spielende Angreiferi­n eine simple Erklärung: »Wir haben die Meistersch­aft verkackt, deshalb wollten wir unbedingt den Pokal holen.«

Über die Leistungen der beiden Nationalsp­ielerinnen hat sich auch Horst Hrubesch auf der Tribüne gefreut: Der Bundestrai­ner hatte beiden in der EM-Qualifikat­ion ohnehin schon wieder Stammplätz­e zugewiesen. Nun untermauer­ten beide, dass sie trotz allem Auf und Ab fest in sein Olympiaauf­gebot gehören und dann vielleicht gleich noch eine weitere Erfolgsges­chichte im Sommer dranhängen.

 ?? ?? Jule Brand (l.) und Lena Oberdorf sicherten sich mit dem Pokalsieg doch noch einen letzten gemeinsame­n Wolfsburge­r Titel.
Jule Brand (l.) und Lena Oberdorf sicherten sich mit dem Pokalsieg doch noch einen letzten gemeinsame­n Wolfsburge­r Titel.

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