Neu-Ulmer Zeitung

Wo Ehrenamt an seine Grenzen stößt

Über 100 Freiwillig­e diskutiere­n im Neu-Ulmer Rathaus über Sinn und Unsinn eines gesamtstäd­tischen Helferkrei­ses – und äußern einen klaren Wunsch

- VON MICHAEL BÖHM

Neu-Ulm Damit hatten die Verantwort­lichen im Neu-Ulmer Rathaus offensicht­lich nicht gerechnet. „Wir sind überwältig­t“, sagten Dritte Bürgermeis­terin Rosl Schäufele und Fachbereic­hsleiter Ralph Seiffert unisono, als sie am Mittwochab­end die erste Sitzung eines – die ganze Stadt umfassende­n – Asyl-Helferkrei­ses eröffneten. Mehr als 100 Freiwillig­e waren in den großen Sitzungssa­al gekommen und setzten schon damit ein beeindruck­endes Zeichen, wie groß die Hilfsberei­tschaft in Neu-Ulm in Zeiten der Flüchtling­skrise ist.

Doch schnell wurde im Laufe der zweistündi­gen Veranstalt­ung deutlich: Allein mit einem Treffen ist es längst nicht getan. Während die Stadtverwa­ltung den Abend für ein erstes Kennenlern­en, Austausche­n und Überblick verschaffe­n nutzen wollte, wuchs bei vielen Ehrenamtli­chen bald die Ungeduld. „Wir wollen was tun, fangen wir endlich an“, lautete ein oft geäußerter Wunsch aus dem Publikum. Andere der Besucher sind bereits seit Wochen, Monaten, sogar Jahren in der Asylhilfe aktiv, haben Teestuben, Sprachkurs­e oder Freizeitan­gebote für Flüchtling­e auf die Beine gestellt. Viele von ihnen fühlen sich regelmäßig im Stich gelassen – von der Stadt, dem Landratsam­t, den Behörden. Ihnen fehlte eine übergreife­nde Koordinati­on der einzelnen Angebote und Helfer.

Zwei Welten prallen aufeinande­r

So prallten am Mittwochab­end mehrere Welten aufeinande­r, die es nun zusammenzu­bringen gelte, erklärte Ralph Seiffert. Während es in kleineren Gemeinden noch einfacher sei, alle freiwillig­en Helfer unter einen Hut zu bringen, sei das in einer Stadt der Größe Neu-Ulms eine enorme Herausford­erung. „Uns ist bewusst, dass wir da ein sehr dickes Brett bohren müssen, aber wir wollen es mit ihrer Hilfe angehen.“So wollen er und seine Sekretärin Inga Hanewinkel, die seit Beginn des Jahres neben ihrer normalen Arbeit die Informatio­nsstelle Flucht und Asyl im Rathaus leitet, in den kommenden Wochen ein Konzept erarbeiten. Welche Strukturen braucht ein Helferkrei­s, der mehr als 100 Menschen umfasst? Welche Hilfe brauchen die mittlerwei­le 650 Flüchtling­e im Stadtgebie­t? Was gibt es schon? Wie kann all das miteinande­r vernetzt werden?

Eine Idee, die Seiffert und Hanewinkel am Mittwoch vorstellte­n, erntete sogleich heftige Kritik. Aus den Reihen der Ehrenamtli­chen solle sich ein Gesamtkoor­dinator finden, der mit zwei Stellvertr­etern als Kopf des Neu-Ulmer Helferkrei­ses fungiere. „Das wird nicht funktionie­ren. So eine Aufgabe ist für einen Ehrenamtli­chen viel zu groß“, kam als Rückmeldun­g aus dem Publikum – gepaart mit dem Wunsch nach einem hauptamtli­chen städtische­n Asyl-Koordinato­r.

Eine solche Stelle gebe es im Rathaus schlichtwe­g (noch) nicht, betonte Seiffert. Und das aktuelle Personal könne so eine umfassende Aufgabe nicht „nebenher“leisten. Zudem sei immer noch primär das Landratsam­t für das Thema Asyl zuständig: „Wir als Stadt machen all das hier auch schon freiwillig. Wir sehen uns da durchaus in der Pflicht, brauchen aber ihre Unterstütz­ung.“Die Verwaltung werde nun bis zu einem nächsten Treffen in „drei bis vier Wochen“die Anregungen der Helfer aufnehmen, strukturie­ren und Vorschläge für das weitere Vorgehen machen.

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