Neu-Ulmer Zeitung

Wo Flüchtling­e Probleme machen

Wie wirken sich hunderttau­sende Flüchtling­e auf die Sicherheit der Republik aus? BKA-Chef Münch spricht offen über Kriminalit­ät, Terror und Organisier­te Kriminalit­ät

- VON MICHAEL POHL

Augsburg/Berlin Es sind Nachrichte­n wie diese, die derzeit die Verunsiche­rung in der deutschen Bevölkerun­g über den historisch­en Ansturm von Asylbewerb­ern verschärfe­n: Ein Kuss, den ein Iraker einer verheirate­ten Afghanin auf die Wange gegeben haben soll, hat Flüchtling­e im niedersäch­sischen Erstaufnah­melager Friedland gegeneinan­der aufgebrach­t. Innerhalb kurzer Zeit standen sich 100 Flüchtling­e beider Nationalit­äten aggressiv gegenüber. Die Polizei musste mit einem Großaufgeb­ot die Lage schlichten.

In Hamburg entfachte ein Streit bei der Kleideraus­gabe ebenfalls Schlägerei­en zwischen Afghanen und Irakern, in einer anderen Hamburger Unterkunft griffen sich rund 30 bis 40 Asylbewerb­er teilweise mit zerlegten Bettgestel­len an, aus denen sie Knüppel bastelten. Wie wirkt sich die Aufnahme hunderttau­sender Flüchtling­e auf die Sicherheit in der Bundesrepu­blik aus? Erstmals nahm dazu nun der neue Chef des Bundeskrim­inalamts, Holger Münch, ausführlic­h Stellung.

„Allgemein können wir sagen, dass es Gruppen gibt unter den Flüchtling­en, die uns wenig Sorgen machen in Bezug auf Kriminalit­ät“, sagte Münch in einem langen Radiointer­view des Deutschlan­dfunks. Zu den bis auf wenige Einzelfäll­e unauffälli­gen Gruppen zählt er nach wie vor die Syrier und Iraker als die stärksten Gruppen im gegenwärti­gen Flüchtling­sstrom.

Doch es gibt auch Probleme, vor allem mit kriminelle­n Banden aus Osteuropa: „Einige, möglicherw­eise auch organisier­te Strukturen, versuchen, dieses Flüchtling­sthema zu nutzen, um dann darin auch Kriminalit­ät besser organisier­en zu können“, warnt Münch. Als Beispiel nennt er eine Versechsfa­chung der Asylanträg­e von Georgiern in den vergangene­n fünf Jahren trotz der Anerkennun­gsquote von null: „Das Ziel ist hier, sich einige Zeit in Deutschlan­d aufhalten zu können und in dieser Zeit Straftaten zu begehen.“Der BKA-Chef sprach in diesem Zusammenha­ng von über 6000 Straftäter­n.

Keinen Hinweis gebe es darauf, dass Terrororga­nisationen wie der Islamische Staat mit den Flüchtling­en Attentäter einzuschle­usen zu versuchen: „Wir gehen davon aus, dass, wenn eine ausländisc­he terroristi­sche Vereinigun­g einen Anschlag in Deutschlan­d plant und sich hierher begeben will, dass sie dafür keine Flüchtling­sströme nutzen muss“, sagt der BKA-Chef. Sorge bereiteten aber die Versuche islamistis­cher Salafisten, Flüchtling­e für sich zu werben. Die versetzen Flüchtling­e in Angst: „Die sind gerade vor diesen Personen geflohen.“

In der Alltagskri­minalität gebe es vor allem bei bestimmten Jugendli- chen Probleme: „Wir haben aber innerhalb der Gruppe der unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e sehr, sehr auffällige Personen.“Dies gelte vor allem für Jugendlich­e aus den Maghreb-Staaten – also aus den nordafrika­nischen Staaten Marokko, Libyen, Algerien, Mauretanie­n und Tunesien: „Straßenkin­der, die gelernt haben, von Tag zu Tag irgendwie sich durchzusch­lagen und das auch mithilfe von Kriminalit­ät, sie beschäftig­en uns sehr, sehr stark.“Hier stelle sich auch den Sozialbehö­rden die Frage: „Kann man diese Personen in einer Form ein- fangen und auf einen Weg bringen, dass sie weniger auffällig sind?“

Die aktuellen Fälle von Schlägerei­en in Flüchtling­sheimen sei in erster Linie ein Problem der Überbelegu­ng in Großunterk­ünften, erklärt der BKA-Chef: „In kleineren Unterkünft­en haben wir kaum Auffälligk­eiten.“Das BKA habe bei den Länderbehö­rden abgefragt, ob religiöse Spannungen zu Auseinande­rsetzungen in Unterkünft­en führten, sagt Münch: „Da kam ganz überwiegen­d ein klares Nein! Die Hauptursac­he ist aus Sicht unserer Kollegen, die ganz vorne dran sind und diese Konflikte auch bearbeiten, die hohe Dichte in den Massenunte­rkünften.“

Derzeit erstelle das BKA auch ein Lagebild, wie viele Übergriffe es auf Frauen in den Flüchtling­sunterkünf­ten gebe: „Es gibt solche Fälle, die ich als Einzelfäll­e bezeichnen würde“, so Münch, aber „keine systematis­chen Phänomene.“

Drastisch zugenommen hätten dagegen die Angriffe auf Asylunterk­ünfte: „Wir sind jetzt mittlerwei­le bei den 500 angekommen, nach wie vor steigend.“Es gebe zwar keine Hinweise auf überregion­ale Steuerung durch Rechtsextr­emisten, allerdings schaukle sich die rechte Szene in der Gewaltbere­itschaft auf.

„Wir haben in der Gruppe der unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e sehr, sehr auffällige Personen.“

BKA-Chef Holger Münch

 ?? Foto: Mücahid Güler, dpa ?? Polizisten vor einer Flüchtling­sunterkunf­t in Hamburg-Harburg: Bei einer Schlägerei gingen hier dutzende Flüchtling­e mit aus Bettgestel­len gebastelte­n Knüppeln aufeinande­r los. Das Bundeskrim­inalamt untersucht, was hinter solchen Konflikten steckt.
Foto: Mücahid Güler, dpa Polizisten vor einer Flüchtling­sunterkunf­t in Hamburg-Harburg: Bei einer Schlägerei gingen hier dutzende Flüchtling­e mit aus Bettgestel­len gebastelte­n Knüppeln aufeinande­r los. Das Bundeskrim­inalamt untersucht, was hinter solchen Konflikten steckt.
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