Das Kopf-an-Kopf-Rennen fiel aus
Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, wollte Bürgermeister der österreichischen Hauptstadt werden. Doch an Michael Häupl (SPÖ) kam er nicht heran
Wien Im gut gefüllten Festzelt der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) auf dem Wiener Rathausplatz macht sich die Enttäuschung erst mit Verspätung breit. Zu laut spielt die John-Otti-Band, die seit Jahren mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verbunden ist. Zu gut ist die Stimmung aufgrund der Wahlumfragen der vergangenen Tage, die ein Kopf-anKopf-Rennen vorausgesagt haben. „Strache, Strache, Strache“, ruft die blaue Basis im Zelt. Der Gefeierte ist weniger euphorisch: „Ein Wahlsieg wäre schöner gewesen“, sagt er. Aber er wolle sich „das Ergebnis nicht kleinreden lassen“.
Nach der ersten Hochrechnung für die Landtags- und Gemeinderatswahlen in Wien ist nämlich klar, dass der Abstand zwischen Strache und dem sozialdemokratischen Bürgermeister Michael Häupl doch sehr viel größer sein wird als ursprünglich angenommen. Die FPÖ kann zwar einen Zuwachs von etwa fünf Prozent der Stimmen verzeichnen, während die Sozialdemokraten etwa fünf Prozent verloren haben. Damit hat sich der Abstand zwischen SPÖ und FPÖ halbiert. Doch die SPÖ wird etwa zehn Mandate mehr haben als die Freiheitlichen und mit Grünen oder christlich-konservativer ÖVP regieren können.
Strache ist von der Chance, Bürgermeister zu werden, weit entfernt. Er wird jetzt in die Bundespolitik zurückkehren. Dort hat die FPÖ derzeit nach Umfragen die größte Zustimmung in der Bevölkerung. Strache wird sich wieder auf sein eigentliches Ziel, das Kanzleramt, konzentrieren.
Die Strategie des alten und neuen Bürgermeisters Michael Häupl ist aufgegangen. Sowohl die Inszenierung des Kopf-an-Kopf-Rennens als auch die klare Haltung der SPÖ in der Flüchtlingspolitik hat sich bezahlt gemacht. ÖVP und Grüne haben zugunsten der SPÖ verloren. Besonders für die ÖVP ist das Ergebnis ein Desaster. Sie hat knapp fünf Prozentpunkte und damit fast ein Drittel ihrer Wähler verloren
Die Wien-Wahl ist die vierte Landtagswahl in diesem Jahr, bei der die Freiheitliche Partei erfolgreich war. Die Partei ohne Programm mit ihrem Chefpropagandisten Strache hat auf Angst, Neid und Ausländerfeindlichkeit gesetzt. Das Flüchtlingsthema hat ihr geholfen. Ihre Macht wächst auch dort, wo sie nicht regiert, vor allem, wenn ihrer diffusen Angstmacherei keine klaren Konzepte entgegengesetzt werden.
Wien bleibt trotz erheblicher Verluste rot. Denn Bürgermeister Häupl hat durch politische Führung überzeugt und sich durch Haltung und liegt jetzt erstmals in ihrer Geschichte unter zehn Prozent. „Das Ergebnis schmerzt“, sagt der ebenso unbekannte wie glücklose Spitzenkandidat Manfred Juraczka.
„Noch nie haben so viele Bürgerliche SPÖ gewählt, um Strache zu verhindern“, erklärt die Journalistin Anneliese Rohrer. Tatsächlich fällt der erste Wiener Bezirk, der traditionell fest in ÖVP-Hand ist, bei dieser Wahl an den roten Bürgermeister Häupl. Der gibt sich gelassen, dankt für die vermeintlichen Leihstimmen und verspricht Reformen: „Wir werden nicht so weitermachen, wie wir es bisher gemacht als Anti-Strache profiliert. Er ist erfahren und intelligent genug, um jetzt für Wien und ganz Österreich Reformen anzukündigen. Die Gesellschaft steht vor rasanten und radikalen Veränderungen. Politiker sollten deshalb schonungslos Bilanz ziehen und endlich überzeugend handeln.
Österreich hat zwei Jahre ohne Wahlen vor sich, sieht man von der Bundespräsidentenwahl ab. Um die Rechten zurückzudrängen, muss die Große Koalition im Bund die Zeit für Reformen nutzen und diese den Bürgern durch glaubwürdige Persönlichkeiten vermitteln. haben“, kündigt er an. Ob er wieder mit den Grünen koalieren wird, lässt er zunächst im Unklaren.
Häupl hatte 2010 die absolute Mehrheit verloren und das Projekt „Rot-Grün“in Wien begonnen. Gegen Ende der Legislaturperiode bekämpften sich Rot und Grün jedoch ohne Rücksicht. Jetzt haben die Grünen vermutlich einen Landtagssitz verloren und nach der Hochrechnung ist neben der rot-grünen Koalition auch eine schwarz-rote möglich, was den Bürgermeister in eine komfortable Verhandlungsposition bringt. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) freute sich deshalb über das „tolle Ergebnis“. Auch er wird jedoch jetzt unter Druck geraten. Häupl hat im Wahlkampf durchaus registriert, dass die Unzufriedenheit der Menschen, vor allem der Gemeindebau-Bewohner, zuletzt stark zugenommen hat.
Vermutlich zwei der 23 Wiener Bezirke sind offenbar an die Freiheitlichen gefallen, die übrigen hat die SPÖ gewonnen, ÖVP und Grüne gingen leer aus. Hinzu kommt, dass gerade in den vergangenen Monaten die Arbeitslosigkeit in Wien stark angestiegen ist. Bürgermeister Häupl, dessen SPÖ seit 70 Jahren in Wien regiert, konnte die Menschen nicht beruhigen, die gerade wegen der Flüchtlinge, die nach Wien kommen, um den Verlust ihres Wohlstandes bangen. Deswegen will er jetzt, zunächst auf Kredit finanziert, Infrastrukturprojekte anschieben, die neue Arbeitsplätze bringen.