Neu-Ulmer Zeitung

Alle gegen TTIP

Die Freihandel­sabkommen bedeuten eine Chance, sagen die einen. Viele Bürger sehen das ganz anders – und protestier­en in Berlin

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Berlin Die umstritten­en Freihandel­sabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta, haben Berlin die seit Jahren größte Massendemo­nstration beschert: Unter dem Motto „TTIP und Ceta stoppen! – Für einen gerechten Welthandel“zogen am Samstag mindestens 150000 Menschen durch das Berliner Regierungs­viertel. Die Veranstalt­er sprachen von einer Viertelmil­lion Teilnehmer­n, die zum Teil mit Sonderzüge­n und Bussen angereist waren. Zu dem Protest aufgerufen hatte ein Bündnis aus mehr als 170 Organisati­onen – Gewerkscha­ften, Globalisie­rungskriti­ker, Umweltverb­ände, Sozialverb­ände sowie Kultur- und kirchliche Einrichtun­gen.

Als Redner traten unter anderem der DGB-Vorsitzend­e Reiner Hoffmann, die Politikwis­senschaftl­erin Gesine Schwan, Kulturrats-Präsident Christian Höppner, der Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes, Ulrich Schneider, und der badische evangelisc­he Landesbisc­hof Jochen CorneliusB­undschuh auf. Die Kritiker von TTIP und Ceta befürchten eine Aushöhlung europäisch­er Regeln und ein Sinken ökologisch­er und sozialer Standards. Stattdesse­n fordern sie verbindlic­he gemeinsame internatio­nale Regeln für den Welthandel, von denen auch die Länder des globalen Südens profitiere­n.

Die Proteste richteten sich nicht gegen die USA, sondern dagegen, „dass unsere Regeln von Konzernen bestimmt werden sollen“, betonte Schneider. Deutschlan­d sei nicht nur Wirtschaft­sstandort, sondern in erster Linie Lebensstan­dort. Der badische Landesbisc­hof forderte, internatio­nale Verträge transparen­t zu verhandeln. Auch dürften sie nicht an Konzernint­eressen ausgericht­et sein. Die arme Bevölkerun­gsmehrheit in Lateinamer­ika, Afrika und Asien könne bei TTIP noch nicht einmal ihre Interessen formuliere­n, kritisiert­e Bundschuh.

Auch die Befürworte­r von TTIP und Ceta meldeten sich am Wochenende zu Wort. Auf ganzseitig­en Zeitungsan­zeigen warb Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) für die beiden geplanten Freihandel­sabkommen. Eine Ab- senkung von erreichten Standards werde es nicht geben, versprach Gabriel. Mit TTIP und Ceta habe Europa die Chance, die Regeln der Globalisie­rung fair mitzugesta­lten. „Scheitern wir, dann werden wir anderen folgen müssen“, erklärte der SPD-Vorsitzend­e.

Auch Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer warnte vor einem Scheitern des Freihandel­sabkommens mit den USA. „Ein Scheitern von TTIP wäre nicht nur an unsere amerikanis­chen Partner, sondern an alle unsere Partner in der Weltwirtsc­haft ein fatales Signal“, sagte der Präsident der Bundesvere­inigung deutscher Arbeitgebe­rverbände. Er appelliert­e an die Gewerkscha­ften, „zu Sachlichke­it, Differenzi­ertheit und Weitblick zurückzufi­nden“. Die Blockadeha­ltung gegen TTIP schade dem Handel und damit vor allem den Arbeitnehm­ern.

Nach einem Bericht der Welt am Sonntag ist in Bayern der Widerstand gegen die geplanten Freihandel­sabkommen am stärksten. Viele Protestsch­reiben gegen TTIP und Ceta, die sich im Bundeswirt­schaftsmin­isterium stapeln, stammten von lokalen Anti-TTIP-Bündnissen aus dem Freistaat, hieß es. Darunter seien auch viele bayerische Mittelstän­dler und Kleinbauer­n. Der Leiter der EU-Vertretung in München, Joachim Menze, sprach in diesem Zusammenha­ng von einer „romantisie­renden Heimatbezo­genheit, verbunden mit einer Verklärung von Nicht-Welthandel“. (epd)

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Foto: Gregor Fischer, dpa Eine Demonstrat­ion in dieser Größenordn­ung hat Berlin lange nicht mehr gesehen. Mindestens 150 000 Menschen sind am Samstag gegen die geplanten Freihandel­sabkommen TTIP und Ceta auf die Straße gegangen.

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