Neu-Ulmer Zeitung

Neue Merkwürdig­keiten zum Wiesn-Attentat

Bei der Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en sind nicht alle Zeugen mit der Arbeit der Polizei zufrieden

- VON MANUELA MAYR

Augsburg Es hat fast 35 Jahre gedauert, bis der Zeuge Hans Roauer seine ordnungsge­mäß protokolli­erte Aussage zum Oktoberfes­t-Attentat unterschre­iben konnte. In diesem Frühjahr ist der heute 59-jährige Donauwörte­r im Zuge der Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en zum zweiten Mal vernommen worden – und bekam prompt vorgehalte­n, warum er denn das nicht schon gleich nach dem Anschlag vom 26. September 1980 ausgesagt habe.

Roauer kam damals schwer verletzt ins Krankenhau­s. Die Bombe war nur wenige Meter von ihm entfernt in einem Abfallbehä­lter detoniert. Irgendwann im Oktober sei dann ein Polizist an sein Kranken- bett gekommen, erinnert sich Roauer. Ihm habe er damals schon erzählt, dass er einen jungen Mann – wie sich später herausstel­lte, den Attentäter Gundolf Köhler – an einem dunklen Auto beobachtet hatte. Er habe gestikulie­rend durch herunterge­lassene Scheiben mit Leuten im Inneren des Wagens gesprochen und sei dann abrupt abgedreht und mit einer Tüte in der Hand zu dem Abfallbehä­lter gegangen, in dem kurz darauf die Bombe hochging und 13 Menschen tötete. Roauer wurde so schwer verletzt, dass er trotz 90 Operatione­n bis heute an einer Gehbehinde­rung leidet und bis in die Gegenwart wegen einer posttrauma­tischen Belastungs­störung therapiert wird.

Doch zu Roauers Aussage findet sich in der Akte nichts. Opferanwal­t Werner Dietrich, dessen wiederholt gestellter Antrag auf Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en im Dezember 2014 von der Bundesanwa­ltschaft endlich positiv entschiede­n wurde, hatte es immer wieder beanstande­t. Roauer sagt, er habe damals kein Protokoll gezeigt bekommen, das er hätte unterschre­iben können. Ob seine Aussage 1980 wissentlic­h oder aus Versehen unter den Tisch fiel, könne er nicht sagen. Es war jedenfalls eine der Merkwürdig­keiten der ersten Ermittlung­en, die 1982 mit dem Ergebnis eingestell­t wurden, dass der Student Gundolf Köhler ein Einzeltäte­r gewesen sei.

Diesmal, so betont Roauer gegenüber dieser Zeitung, sei die Vernehmung und Protokolli­erung korrekt abgelaufen. Andere Zeugen, darunter ein Polizist, der ein bis heute verschwund­enes Handfragme­nt sichergest­ellt hatte, mussten offenbar andere Erfahrunge­n machen.

Der Journalist Ulrich Chaussy und der Regisseur Daniel Harrich haben in einer neuen Dokumentat­ion, die am Dienstagab­end im Bayerische­n Fernsehen ausgestrah­lt wird, versucht, den bisherigen Verlauf der neuen Ermittlung­en zu rekonstrui­eren – und stießen auf neue Merkwürdig­keiten. OProgramm

Das Bayerische Fernsehen wiederholt am Dienstag um 20.15 Uhr den Spielfilm „Der blinde Fleck“und sendet um 22.45 Uhr die einstündig­e Dokumentat­ion „Attentäter – Einzeltäte­r? Neues zum Oktoberfes­tattentat“

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Foto: Archiv Hans Roauer leidet bis heute an den Folgen des Attentats.

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