Neu-Ulmer Zeitung

Seehofer bittet CSU-Basis um Geduld

Ein Ende des Konflikts zwischen CSU-Chef Seehofer und Kanzlerin Merkel um die Flüchtling­spolitik ist nicht in Sicht

- VON HENRY STERN

Erding CSU-Chef Horst Seehofer hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtling­skrise eine „Kapitulati­on des Rechtsstaa­ts“vorgeworfe­n. Seehofer kritisiert­e auf einer CSUVeranst­altung zum Thema „Migration und Flüchtling­e“am Samstag in Erding mit dieser Formulieru­ng Merkels Äußerung, dass sich die EU-Außengrenz­en nicht effektiv schützen ließen. „Einfach zu sagen, in unserer Zeit lassen sich 3000 Kilometer Grenze nicht mehr schützen, ist eine Kapitulati­on des Rechtsstaa­ts vor der Realität“, sagte Seehofer, ohne Merkel beim Namen zu nennen.

Gleichzeit­ig wehrte sich Seehofer vehement gegen den Vorwurf, mit seinem Kurs in der Flüchtling­spoli- tik Ausländerf­eindlichke­it in Deutschlan­d zu schüren: „Wir sind nicht gegen Zuwanderun­g“, sagte er: „Wer aber Probleme für unser Land vermeiden will, der muss für Zuwanderun­gsbegrenzu­ng sein.“

Gerade Bayern habe zuletzt an gelebter Solidaritä­t und gelingende­r Integratio­n „eine hervorrage­nde Visitenkar­te abgegeben“, findet Seehofer. Trotz der Kritik am Berliner Kurs werde er dafür sorgen, dass „die Menschen, die zu uns kommen, immer anständig behandelt werden“. Nicht zuletzt aus Gründen der inneren Sicherheit müsse aber vor allem die Funktionsf­ähigkeit des Rechtsstaa­ts wieder hergestell­t werden: „Wir haben im Moment keine Regel, kein System.“Es sei ein „Alarmsigna­l für die Politik, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, wir stünden einem Problem ohnmächtig gegenüber“, warnte er. Immer wieder werde er von Bürgern gefragt, ob die Probleme im Griff seien: Derzeit könne darauf aber „auch der bayerische Ministerpr­äsident keine zuverlässi­ge Antwort geben“, sagte Seehofer.

Der CSU-Chef war in Erding von der Parteibasi­s mit stehenden Ova- tionen empfangen worden. Bei den Fragen aus dem Publikum war allerdings auch eine gewisse Unzufriede­nheit zu spüren, was konkrete Konsequenz­en aus der SeehoferKr­itik betrifft: Wie können die Grenzen besser geschützt werden? Wo liegen Obergrenze­n für den Flüchtling­szuzug? Und was passiert, wenn diese Grenzen gerissen werden?

Seehofer hatte bereits zuvor in seiner Rede um Geduld geworben: Die Auswirkung­en der Zuwanderun­g seien in Bayern stark spürbar, sagte er: „Aber die Grundlagen dafür werden in Berlin und Brüssel gesetzt.“Derzeit sei es jedoch „äußerst zäh, unseren Freistaat Bayern in Berlin zum Tragen zu bringen“, räumte der CSU-Chef ein.

Bislang seien Vorschläge aus Bayern zum Thema immer zuerst bundesweit mit Hohn und Spott überschütt­et worden – um sie dann nach einer gewissen Schamfrist doch umzusetzen: „Es wird deshalb auch bei der umstritten­en Frage der Zuwanderun­gsbegrenzu­ng Gesetze geben, das sage ich Ihnen voraus“, versprach Seehofer. Offenbar hofft man in der CSU, das Bundeskabi­nett könnte schon diese Woche die aus Bayern geforderte­n „Transitzon­en“an der Grenze auf den Weg bringen.

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) klagte über ein anhaltende­s Chaos bei den zuständige­n Bundesbehö­rden: So habe etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) derzeit „keine Ahnung über aktuelle Zahlen und Zusammense­tzung der Zuwanderer“. Die letzten belastbare­n Fakten stammten aus dem August. „Es ist höchste Zeit, dass da wieder etwas Ordnung reingebrac­ht wird“, forderte Herrmann. Eine sinnvolle Zuwanderun­g sei ohne Begrenzung, Ordnung und Kontrolle unmöglich.

Der CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber wies beim Thema Flüchtling­e Kritik an Brüssel zurück: Grund für die aktuellen Probleme sei nicht die EU, sondern „der Egoismus der Nationalst­aaten“. Weber forderte für Bürgerkrie­gsflüchtli­nge fixe Kontingent­e für alle Mitgliedst­aaten und gleichzeit­ig strikt geschützte Grenzen.

„Wir haben im Moment keine Regel, kein System.“

CSU-Chef Horst Seehofer

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