Seehofer bittet CSU-Basis um Geduld
Ein Ende des Konflikts zwischen CSU-Chef Seehofer und Kanzlerin Merkel um die Flüchtlingspolitik ist nicht in Sicht
Erding CSU-Chef Horst Seehofer hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise eine „Kapitulation des Rechtsstaats“vorgeworfen. Seehofer kritisierte auf einer CSUVeranstaltung zum Thema „Migration und Flüchtlinge“am Samstag in Erding mit dieser Formulierung Merkels Äußerung, dass sich die EU-Außengrenzen nicht effektiv schützen ließen. „Einfach zu sagen, in unserer Zeit lassen sich 3000 Kilometer Grenze nicht mehr schützen, ist eine Kapitulation des Rechtsstaats vor der Realität“, sagte Seehofer, ohne Merkel beim Namen zu nennen.
Gleichzeitig wehrte sich Seehofer vehement gegen den Vorwurf, mit seinem Kurs in der Flüchtlingspoli- tik Ausländerfeindlichkeit in Deutschland zu schüren: „Wir sind nicht gegen Zuwanderung“, sagte er: „Wer aber Probleme für unser Land vermeiden will, der muss für Zuwanderungsbegrenzung sein.“
Gerade Bayern habe zuletzt an gelebter Solidarität und gelingender Integration „eine hervorragende Visitenkarte abgegeben“, findet Seehofer. Trotz der Kritik am Berliner Kurs werde er dafür sorgen, dass „die Menschen, die zu uns kommen, immer anständig behandelt werden“. Nicht zuletzt aus Gründen der inneren Sicherheit müsse aber vor allem die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats wieder hergestellt werden: „Wir haben im Moment keine Regel, kein System.“Es sei ein „Alarmsignal für die Politik, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, wir stünden einem Problem ohnmächtig gegenüber“, warnte er. Immer wieder werde er von Bürgern gefragt, ob die Probleme im Griff seien: Derzeit könne darauf aber „auch der bayerische Ministerpräsident keine zuverlässige Antwort geben“, sagte Seehofer.
Der CSU-Chef war in Erding von der Parteibasis mit stehenden Ova- tionen empfangen worden. Bei den Fragen aus dem Publikum war allerdings auch eine gewisse Unzufriedenheit zu spüren, was konkrete Konsequenzen aus der SeehoferKritik betrifft: Wie können die Grenzen besser geschützt werden? Wo liegen Obergrenzen für den Flüchtlingszuzug? Und was passiert, wenn diese Grenzen gerissen werden?
Seehofer hatte bereits zuvor in seiner Rede um Geduld geworben: Die Auswirkungen der Zuwanderung seien in Bayern stark spürbar, sagte er: „Aber die Grundlagen dafür werden in Berlin und Brüssel gesetzt.“Derzeit sei es jedoch „äußerst zäh, unseren Freistaat Bayern in Berlin zum Tragen zu bringen“, räumte der CSU-Chef ein.
Bislang seien Vorschläge aus Bayern zum Thema immer zuerst bundesweit mit Hohn und Spott überschüttet worden – um sie dann nach einer gewissen Schamfrist doch umzusetzen: „Es wird deshalb auch bei der umstrittenen Frage der Zuwanderungsbegrenzung Gesetze geben, das sage ich Ihnen voraus“, versprach Seehofer. Offenbar hofft man in der CSU, das Bundeskabinett könnte schon diese Woche die aus Bayern geforderten „Transitzonen“an der Grenze auf den Weg bringen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) klagte über ein anhaltendes Chaos bei den zuständigen Bundesbehörden: So habe etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit „keine Ahnung über aktuelle Zahlen und Zusammensetzung der Zuwanderer“. Die letzten belastbaren Fakten stammten aus dem August. „Es ist höchste Zeit, dass da wieder etwas Ordnung reingebracht wird“, forderte Herrmann. Eine sinnvolle Zuwanderung sei ohne Begrenzung, Ordnung und Kontrolle unmöglich.
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber wies beim Thema Flüchtlinge Kritik an Brüssel zurück: Grund für die aktuellen Probleme sei nicht die EU, sondern „der Egoismus der Nationalstaaten“. Weber forderte für Bürgerkriegsflüchtlinge fixe Kontingente für alle Mitgliedstaaten und gleichzeitig strikt geschützte Grenzen.
„Wir haben im Moment keine Regel, kein System.“
CSU-Chef Horst Seehofer