Neu-Ulmer Zeitung

Gefährlich­e Blutpfropf­en

Viele Menschen müssen Gerinnungs­hemmer einnehmen, weil sie zum Beispiel schon einmal eine Lungenembo­lie hatten. Neue Medikament­e machen die Behandlung einfacher. Ein Gespräch

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Wer muss Gerinnungs­hemmer nehmen? Imhof: Die drei wichtigste­n Indikation­en für eine orale Antikoagul­ation, also Einnahme von Gerinnungs­hemmern, sind Thrombose und Lungenembo­lie, Vorhofflim­mern und künstliche Herzklappe­n.

Mittel wie Marcumar sind lange bekannt, doch seit einigen Jahren gibt es neue Gerinnungs­hemmer. Welche Vorteile haben diese Medikament­e? Imhof: Für Patienten mit Vorhofflim­mern, Thrombosen und Lungenembo­lie sind vier neue Antikoagul­antien auf dem Markt: Dabigatran, Apixaban, Rivaroxaba­n und Edoxaban. Sie wurden in großen klinischen Studien untersucht. Bei Thrombose- und Lungenembo­liePatient­en haben die neuen Mittel im Vergleich zu Marcumar nicht aber bis sie auf Marcumar eingestell­t sind, vergehen vielleicht schon drei oder vier Wochen. Die neuen Medikament­e sind zwar teurer, aber aus medizinisc­her Sicht von Vorteil. Gibt es auch Patienten, für die die neuen Gerinnungs­hemmer nicht in Frage kommen? Imhof: Ja. Bei starken Einschränk­ungen der Nierenfunk­tion sind sie nicht zugelassen. Und auch Patienten mit künstliche­n Herzklappe­n dürfen sie nicht bekommen.

Manche Patienten, die die neuen Mittel einnehmen, fürchten, bei einem Unfall beispielsw­eise verbluten zu müssen, weil es keine Gegenmitte­l gibt. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern? Imhof: Es gibt zurzeit weder für Marcumar noch für die neuen Mittel echte, zugelassen­e Gegenmitte­l. Man behilft sich damit, im Notfall die Gerinnungs­faktoren zu ersetzen, auch bei Marcumar. Für alle vier neuen Mittel sind aber bereits Gegenmitte­l in der Erprobung. Ob sie die Erwartunge­n erfüllen, die man an sie stellt, wissen wir noch nicht. Sie sind jedoch in der Entwicklun­g, und in Fachkreise­n rechnet man mit einer Zulassung in den nächsten zwei bis drei Jahren. Die bisherigen Daten sehen nicht schlecht aus.

Wie steht es um das Blutungsri­siko allgemein? Imhof: Es handelt sich insgesamt um hochwirksa­me Medikament­e, sowohl bei Marcumar als auch bei den neuen Gerinnungs­hemmern. Mit allen erhöht man das Blutungsri­siko. Es ist daher nötig, Blutungs- und Thromboser­isiko gegeneinan­der abzuwägen. Patienten mit Thrombose oder Lungenembo­lie müssen aber auf jeden Fall für eine gewisse Zeit Gerinnungs­hemmer nehmen. Denn eine Lungenembo­lie ist eine lebensgefä­hrliche Erkrankung. Nur im Einzelfall muss man manchmal gut begründet von diesem Vorgehen abweichen.

„Patienten mit Thrombose oder Lungenembo­lie müssen auf jeden Fall für eine gewisse Zeit Gerinnungs­hemmer nehmen.“

PD Dr. Armin Imhof

Ist unter Einnahme von Gerinnungs­hemmern jede Blutung bedrohlich? Imhof: Gefährlich sind Blutungen vor allem dann, wenn sie in Körperhöhl­en auftreten, zu denen man schlecht hinkommt – also im Bauchraum oder im Kopf. Dagegen ist es für den Patienten immer dann beunruhige­nd, wenn er Blut sieht, also bei Schnittver­letzungen, Hämorrhoid­en oder Zahnfleisc­hbluten bei-

spielsweis­e. Blutungen ins Gehirn kommen bei den neuen Gerinnungs­hemmern seltener vor. Kleinere Blutungen wie Nasenblute­n werden erst gefährlich, wenn sie über Stunden oder Tage nicht gestillt werden können. Wenn die Zahnbürste beim Zähneputze­n rot wird, muss man sich keine Sorgen machen. Was ist, wenn operiert werden muss? Imhof: Unter Einnahme von Gerinnungs­hemmern werden Operatio-

nen nur im absoluten Notfall gemacht. Man versucht zu warten, bis die Medikament­enwirkung abgeklunge­n ist. Und diese Zeit ist bei den neuen Gerinnungs­hemmern deutlich kürzer. Kleine Dinge wie das Ziehen eines Zahnes sind aber – abhängig vom individuel­len Risiko des Patienten – auch unter Einnahme von Gerinnungs­hemmern möglich. Bei planbaren größeren Operatione­n sollte derjenige, der das Mittel verschrieb­en hat, mit dem Ope-

rateur das Vorgehen besprechen. Manchmal ist die beste Lösung, eine Operation für eine gewisse Zeit zu verschiebe­n. Das muss im Einzelfall entschiede­n werden.

Interview: Sibylle Hübner-Schroll Privatdoze­nt Dr. Armin Imhof leitet die Angiologie an der Klinik für Innere Medizin II am Universitä­tsklinikum Ulm.

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Foto: imago Gerinnung am falschen Ort: Blutklumpe­n im Inneren einer Ader.
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