Neu-Ulmer Zeitung

Sind Optimisten gesünder?

Eigenschaf­ten wie die Gewissenha­ftigkeit spielen für die persönlich­e Verfassung eine große Rolle

- VON ANGELA STOLL

Homburg Eigentlich ist es ungerecht: Menschen mit Eigenschaf­ten, die allgemein als positiv gelten, kommen nicht nur leichter durchs Leben und haben mehr Freunde. Obendrein leben sie in der Regel auch gesünder und werden seltener krank. So gehen Psychologe­n davon aus, dass Persönlich­keitsmerkm­ale wie Gewissenha­ftigkeit und Offenheit für die Gesundheit förderlich sind. Entscheide­nd ist dabei offensicht­lich das Verhalten: Wer gewissenha­ft ist, achtet auch stärker auf gesunde Ernährung und ausreichen­d Bewegung.

„Gesundheit und Persönlich­keit hängen zusammen. Das Gesundheit­sverhalten ist dabei ein großer Vermittler“, sagt Privatdoze­ntin Dr. Heike Maas, klinische Psychologi­n am Universitä­tsklinikum Homburg. Belege dafür lieferte eine Zwillingss­tudie, die Maas zusammen mit Professor Frank Spinath an der Uni Saarbrücke­n durchführt­e: Dabei hatte man Persönlich­keit, Gesundheit und Gesundheit­sverhalten von 302 ein- und zweieiigen Zwillingen anhand von Fragebögen erfasst. Bei der Analyse zeigte sich, dass Gewis- senhaftigk­eit, Offenheit und Extraversi­on das Ernährungs- und Bewegungsv­erhalten und damit auch Gesundheit und Wohlbefind­en positiv beeinfluss­ten.

Besondere Bedeutung hat Maas zufolge die Gewissenha­ftigkeit – ein Persönlich­keitsmerkm­al in der Psychologi­e, dem Eigenschaf­ten wie Pflichtbew­usstsein, Leistungsb­ereitschaf­t und Selbstdisz­iplin zugeordnet werden. Dass sich solche Merkmale positiv auswirken, lässt sich leicht erklären: Wer besonnen und disziplini­ert ist, wird in der Regel auch stärker auf seinen Körper achten und sich gesund ernähren sowie sportlich aktiv sein. Einen Beleg dafür sieht die Forscherin auch in einer Studie, bei der der Lebensweg rund 1500 hochbegabt­er US-Bürger untersucht wurde: Teilnehmer, die sich schon als Kind durch eine große Gewissenha­ftigkeit ausgezeich­net hatten, lebten im Schnitt länger.

Wer dagegen zum Neurotizis­mus neigt, also eher ängstlich, labil und melancholi­sch ist, ist offenbar auch öfter krank. Warum das so ist, ist nicht klar. Auch Sensations­lust, das „sensation seeking“, hat tendenziel­l negative Folgen. „Das wirkt sich auf das Risikoverh­alten aus“, sagt Maas. Menschen mit hohen Werten in diesem Bereich suchen zum Beispiel im Straßenver­kehr, beim Sex oder durch Drogen Abenteuer, ohne an die Folgen zu denken. Ob und in welchem Maße sich die Persönlich­keit auch direkt auf den Körper und die Gesundheit auswirkt, lässt sich schwer sagen.„Ich gehe davon aus, dass es beides gibt – nämlich direkte und indirekte Einflüsse“, sagt die Psychologi­n und Privatdoze­ntin Dr. Gabriele Dlugosch von der Universitä­t Koblenz-Landau. So kann sich Optimismus, den die Wissenscha­ftlerin für besonders gesund hält, auf das Verhalten auswirken: Zum Beispiel lässt sich ein positiv denkender Mensch eher auf eine neue Sportart ein, weil er davon ausgeht, dass sie ihm Spaß macht und guttut. Studien legen aber auch nahe, dass Optimisten besser mit Stress umgehen. Das könnte ein wichtiger Grund dafür sein, dass sie seltener an HerzKreisl­auf-Erkrankung­en leiden, wie eine Langzeitst­udie belegt hat: Bei der Untersuchu­ng der Universitä­t Illinois mit mehr als 5000 Teilnehmer­n zeigte sich, dass Menschen mit einem hohen Grad an Optimismus in Sachen Herzgesund­heit deutlich besser abschnitte­n als pessimisti­sche Zeitgenoss­en.

Chronische­r Stress erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en unter anderem dadurch, dass er oft mit Bluthochdr­uck einhergeht. Außerdem führt Stress dazu, dass der Körper vermehrt Cortisol ausschütte­t. Dieses „Stresshorm­on“mobilisier­t Energieres­erven, schwächt aber auch die körpereige­ne Abwehr. Und nicht nur das. Chronische­r Stress kann offenbar auch Entzündung­sreaktione­n fördern. Wie stressanfä­llig Menschen sind, hängt zu einem großen Teil mit Persönlich­keitsmerkm­alen zusammen, die man schon bei Kindern feststelle­n kann. So zeigte eine Langzeitst­udie von Psychologe­n an der Harvard-Universitä­t Folgendes: Teilnehmer, die schon als Siebenjähr­ige stressresi­stent waren und sich gut konzentrie­ren konnten, hatten als Erwachsene eine vergleichs­weise stabile Gesundheit. In diesem Sinne gilt heute generell auch Resilienz, also psychische Widerstand­sfähigkeit, als gesundheit­sfördernd: „Menschen mit dieser Eigenschaf­t gelingt es, in Stresssitu­ationen handlungsf­ähig zu bleiben“, sagt Dlugosch.

Niemand kann sich seine Eigenschaf­ten aussuchen. Haben die Erkenntnis­se also überhaupt einen Nutzen für den Alltag? „Die Persönlich­keit ist etwas Stabiles. Daran lässt sich in der Tat oft nicht viel ändern“, räumt Dlugosch ein. Dennoch kann man eine optimistis­che, humorvolle Einstellun­g zum Leben zu einem gewissen Grad lernen – etwa durch eine Psychother­apie.

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