Sind Optimisten gesünder?
Eigenschaften wie die Gewissenhaftigkeit spielen für die persönliche Verfassung eine große Rolle
Homburg Eigentlich ist es ungerecht: Menschen mit Eigenschaften, die allgemein als positiv gelten, kommen nicht nur leichter durchs Leben und haben mehr Freunde. Obendrein leben sie in der Regel auch gesünder und werden seltener krank. So gehen Psychologen davon aus, dass Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit und Offenheit für die Gesundheit förderlich sind. Entscheidend ist dabei offensichtlich das Verhalten: Wer gewissenhaft ist, achtet auch stärker auf gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung.
„Gesundheit und Persönlichkeit hängen zusammen. Das Gesundheitsverhalten ist dabei ein großer Vermittler“, sagt Privatdozentin Dr. Heike Maas, klinische Psychologin am Universitätsklinikum Homburg. Belege dafür lieferte eine Zwillingsstudie, die Maas zusammen mit Professor Frank Spinath an der Uni Saarbrücken durchführte: Dabei hatte man Persönlichkeit, Gesundheit und Gesundheitsverhalten von 302 ein- und zweieiigen Zwillingen anhand von Fragebögen erfasst. Bei der Analyse zeigte sich, dass Gewis- senhaftigkeit, Offenheit und Extraversion das Ernährungs- und Bewegungsverhalten und damit auch Gesundheit und Wohlbefinden positiv beeinflussten.
Besondere Bedeutung hat Maas zufolge die Gewissenhaftigkeit – ein Persönlichkeitsmerkmal in der Psychologie, dem Eigenschaften wie Pflichtbewusstsein, Leistungsbereitschaft und Selbstdisziplin zugeordnet werden. Dass sich solche Merkmale positiv auswirken, lässt sich leicht erklären: Wer besonnen und diszipliniert ist, wird in der Regel auch stärker auf seinen Körper achten und sich gesund ernähren sowie sportlich aktiv sein. Einen Beleg dafür sieht die Forscherin auch in einer Studie, bei der der Lebensweg rund 1500 hochbegabter US-Bürger untersucht wurde: Teilnehmer, die sich schon als Kind durch eine große Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet hatten, lebten im Schnitt länger.
Wer dagegen zum Neurotizismus neigt, also eher ängstlich, labil und melancholisch ist, ist offenbar auch öfter krank. Warum das so ist, ist nicht klar. Auch Sensationslust, das „sensation seeking“, hat tendenziell negative Folgen. „Das wirkt sich auf das Risikoverhalten aus“, sagt Maas. Menschen mit hohen Werten in diesem Bereich suchen zum Beispiel im Straßenverkehr, beim Sex oder durch Drogen Abenteuer, ohne an die Folgen zu denken. Ob und in welchem Maße sich die Persönlichkeit auch direkt auf den Körper und die Gesundheit auswirkt, lässt sich schwer sagen.„Ich gehe davon aus, dass es beides gibt – nämlich direkte und indirekte Einflüsse“, sagt die Psychologin und Privatdozentin Dr. Gabriele Dlugosch von der Universität Koblenz-Landau. So kann sich Optimismus, den die Wissenschaftlerin für besonders gesund hält, auf das Verhalten auswirken: Zum Beispiel lässt sich ein positiv denkender Mensch eher auf eine neue Sportart ein, weil er davon ausgeht, dass sie ihm Spaß macht und guttut. Studien legen aber auch nahe, dass Optimisten besser mit Stress umgehen. Das könnte ein wichtiger Grund dafür sein, dass sie seltener an HerzKreislauf-Erkrankungen leiden, wie eine Langzeitstudie belegt hat: Bei der Untersuchung der Universität Illinois mit mehr als 5000 Teilnehmern zeigte sich, dass Menschen mit einem hohen Grad an Optimismus in Sachen Herzgesundheit deutlich besser abschnitten als pessimistische Zeitgenossen.
Chronischer Stress erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen unter anderem dadurch, dass er oft mit Bluthochdruck einhergeht. Außerdem führt Stress dazu, dass der Körper vermehrt Cortisol ausschüttet. Dieses „Stresshormon“mobilisiert Energiereserven, schwächt aber auch die körpereigene Abwehr. Und nicht nur das. Chronischer Stress kann offenbar auch Entzündungsreaktionen fördern. Wie stressanfällig Menschen sind, hängt zu einem großen Teil mit Persönlichkeitsmerkmalen zusammen, die man schon bei Kindern feststellen kann. So zeigte eine Langzeitstudie von Psychologen an der Harvard-Universität Folgendes: Teilnehmer, die schon als Siebenjährige stressresistent waren und sich gut konzentrieren konnten, hatten als Erwachsene eine vergleichsweise stabile Gesundheit. In diesem Sinne gilt heute generell auch Resilienz, also psychische Widerstandsfähigkeit, als gesundheitsfördernd: „Menschen mit dieser Eigenschaft gelingt es, in Stresssituationen handlungsfähig zu bleiben“, sagt Dlugosch.
Niemand kann sich seine Eigenschaften aussuchen. Haben die Erkenntnisse also überhaupt einen Nutzen für den Alltag? „Die Persönlichkeit ist etwas Stabiles. Daran lässt sich in der Tat oft nicht viel ändern“, räumt Dlugosch ein. Dennoch kann man eine optimistische, humorvolle Einstellung zum Leben zu einem gewissen Grad lernen – etwa durch eine Psychotherapie.