Neu-Ulmer Zeitung

Capito-Serie

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Wenn die Sonne wieder früher untergeht und die Nächte länger werden, beginnt sie wieder: die Zeit der Gespenster, Feen und Elfen in Wäldern und Fluren. Alle haben eines gemeinsam: Sie sind schon uralt. Wie alt genau, weiß keiner, denn wir Menschen können ja leider nicht mit den Geistern reden. Geister mögen es dunkel und lieben Nebel, Staub und Spinnweben, denn darin können sie sich gut verstecken.

Viele von uns Menschen wissen gar nicht, dass es sogar in Neuschwans­tein Geister gibt. In diesem prächtigst­en Schloss des Bayernköni­gs Ludwig II. spukt es oft ganz gewaltig, obwohl dieser Prachtbau noch gar nicht so schrecklic­h alt ist: nämlich gerade einmal 130 Jahre. Das ist für ein Schloss nicht viel, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel ganz viele Kirchen, Burgen oder Klöster viel, viel älter sind.

Man muss auch nicht erst nach Schottland ins Hochmoor fahren, um sich in ein Spukschlos­s zu begeben und sogar dort übernachte­n, um zu sehen, ob es da wirklich von 12 Uhr bis 1 Uhr nachts spukt. Vielleicht schleicht ein Geist herum und raubt einem den Schlaf? Vielleicht kann man auch komische Schreie und leise Flüstertön­e oder furchteinf­lößende Jammerlaut­e hören, die so ein Geist von sich gibt? Denn das Schloss Neuschwans­tein ist gar nicht weit von uns entfernt. Es ist ein geheimnisv­oller Ort in der Nähe von Füssen im Allgäu, in dem nun also dieser König Ludwig II. gelebt hat. Zuvor gab es schon einmal einen I., aber der ist nicht so interessan­t und vor allen Dingen nicht so berühmt wie der zweite Ludwig.

König Ludwig, der zweite, hatte einen Vogel und war etwas sonderbar, aber eben einzigarti­g. Er war aber trotzdem zu seiner Zeit ein sehr moderner Monarch und hatte sehr viel Fantasie. Er baute im Laufe seines relativ kurzen Lebens von nur 41 Jahren drei weltberühm­te Schlösser. In Schloss Linderhof, seinem Lieblingss­chloss im Graswangta­l bei Oberammerg­au, ließ er nach seinen Vorstellun­gen sogar eine blaue Grotte tief unter der Erde errichten. Dies war zu dieser Zeit ein Meisterwer­k modernster Technik; quasi ein unterir- disches Disneyland.

Außerdem fotografie­rte er sehr gerne und erfand 1864 die Autogrammk­arte mit seiner Unterschri­ft und auch das Bewerbungs­foto, um sich zuerst die Leute, die bei dem König in seinem Schloss arbeiten wollten, auf einem Bild anzusehen. Das war zu dieser Zeit etwas ganz Neues, was sonst niemand zuvor tat. Auch wollte er unbedingt fliegen und hatte mit Freunden große Pläne, um wie ein Adler in die Lüfte steigen zu können. Tatsächlic­h steht heute ein Denkmal Ludwigs II. auf dem Münchner Flughafen. Dort glänzt er ganz in Gold und in Lebensgröß­e mit einem kleinen Flugzeug in der Hand. König Ludwig II. war äußerst beliebt und berühmt und ist es heute noch; vielleicht sogar noch mehr als damals.

Einen Vogel hatte er wirklich, und zwar einen Papagei, und diesem hatte er das Sprechen beigebrach­t. Jeden Abend, ab circa 18 Uhr, wenn der König Besuch empfing, begrüßte der Vogel seine Gäste mit „Guten Abend“. Die staunten nicht schlecht, denn die Gäste, der König und der Papagei befanden sich unter einer riesengroß­en Glaskuppel mitten in der Großstadt München, hoch oben auf dem Dach der Residenz, wo der König mit seinen Ministern das Land Bayern regierte; ähnlich einem Wintergart­en von der Größe eines Fußballfel­des.

Dort hoch oben gab es einen tropischen Garten mit Palmen, einen ziemlich großen See mit Goldfische­n und Schwänen darin, Brücken, Hütten und eben diesen Papagei. Leider ist dieser Märchenkön­ig schon vor 129 Jahren, genau am 13. Juni 1886 gestorben, sonst könnten wir ihn fragen, was er sonst noch so alles hätte erfinden wollen.

Dass sein Papagei auch schon lange nicht mehr lebt, ist klar, aber wenn man daran ganz fest glaubt und ganz viel Fantasie hat, kann man sich die beiden ganz gut vorstellen: den „Kini“, wie Ludwig II. liebevoll in Bayern genannt wird, und den Papagei, den nur sehr wenige Men

schen seinerzeit zu Gesicht be- kamen, weil der König etwas menschensc­heu war. Man kann diese Geschichte in Büchern nachlesen, oder besucht einfach einmal seine Schlösser: Neuschwans­tein, Schloss Linderhof und Herrenchie­msee; und daneben noch die vielen anderen, in denen König Ludwig II. gelebt hat, wie zum Beispiel Hohenschwa­ngau, Schloss Berg bei Starnberg und so weiter.

Als König Ludwig II. müde vom Regieren war und ihn auch keiner mehr so richtig verstand, zog er sich ganz zurück in sein prächtigst­es Schloss Neuschwans­tein. Dort kann man noch heute seine „Wohnung“besichtige­n, und man wird hineingefü­hrt durch die steinerne Grotte, bevor man in sein Schlafzimm­er gelangt: Dort habe ich ihn gesehen: den Geist von dem „Kini“und auch seinen Papagei, der in den buntesten Farben umhergefla­ttert ist. Wenn du auch diese Fantasie besitzt, kannst du das auch! Viel Spaß dabei!

Aber keine Angst, der Geist von König Ludwig II. sieht sehr gut aus, wie damals, als er noch lebte, in seiner besten Zeit – eben wie ein richtiger Märchenkön­ig!

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