Hamilton spielt mit der Konkurrenz
Der Sieger von Sotschi kann bald seinen dritten Triumph als Fahrer perfekt machen. Mercedes holt sich bereits die Konstrukteurs-WM. Rosberg vom Pech verfolgt
Die extra im Voraus gedruckten Weltmeister-T-Shirts waren in Sotschi schon weggepackt, die Mercedes-Führungsspitze mit Toto Wolff und Niki Lauda schon im Flieger auf dem Weg in die Heimat, als bei Mercedes die Nachricht hereinplatzte: „Wir sind doch schon Konstrukteurs-Weltmeister“. Kimi Räikkönen, ursprünglich noch als Fünfter klassiert, wurde für seine wilde Attacke auf Valtteri Bottas in der allerletzten Runde, bei der er seinen finnischen Landsmann im Kampf ums Podium von der Strecke schob, eine 30-Sekunden-Strafe aufgebrummt, rutschte auf Platz acht zurück – das waren am Ende die entscheidenden Punkte. Immerhin fanden sich noch ein paar Flaschen Sekt, um den in der Box bereits zusammenpackenden Mechanikern ein bisschen Feierstimmung zu liefern, „aber das große Fest kommt morgen im Werk, da kommen dann auch die T-Shirts zum Einsatz“, so Technikchef Paddy Lowe.“
Die Entscheidung in der Fahrerweltmeisterschaft ist in Sotschi praktisch endgültig gefallen: Lewis Hamilton hat nach seinem überlegenen Sieg jetzt 66 Punkte Vorsprung auf Sebastian Vettel, der nicht nur im Rennen Zweiter wurde, sondern sich auch in der WM auf Rang zwei nach vorne schob – und sogar 73 auf den wieder einmal ausgefallenen Nico Rosberg. Das heißt im Klartext: Gewinnt Hamilton auch in Austin, muss Vettel auf jeden Fall Zweiter werden, um die Entscheidung noch einmal zu vertagen, Rosberg wäre dann in jedem Fall bereits aus dem Rennen. „Die letzten fünf Runden waren unglaublich, ich habe versucht, alles aufzunehmen, alle Empfindungen, alle Eindrücke, ich weiß nicht, wie oft ich noch in dieser Position sein werde“, versuchte der Brite seine Gefühle zu beschreiben. „Das ist natürlich eine traumhafte Situation für mich, aber es tut mir für das Team sehr leid, dass wir ein Auto verloren haben.“
Wieder einmal war Nico Rosberg der Pechvogel bei den Silberpfeilen, obwohl er an diesem Wochenende selbst wirklich alles richtig gemacht hatte: Ein Super-Qualifying, PolePosition mit drei Zehntel Vorsprung auf Hamilton, diesmal auch den Start gewonnen und die Führung behauptet, obwohl der Brite wieder einmal sehr hart attackierte.
Auch eine frühe Safety-Car-Phase, die Nico Hülkenberg mit einem Dreher, bei dem er auch noch Marcus Ericsson im Sauber mitnahm, ausgelöst hatte, brachte ihn nicht aus der Ruhe, auch beim Re-Start blieb er vorn. „Aber direkt danach ist der Dämpfer vom Gaspedal kaputtgegangen und somit ist das Gaspedal dann immer weiter in meine Richtung gekommen, bis ich mein Bein anheben musste, um überhaupt vom Gas zu kommen – und dann konnte ich nicht mehr lenken, weil meine Hände gegen die Knie geschlagen haben. Unglaublich, dass so was in dem Moment passieren muss.“
Das der WM-Titel jetzt praktisch sicher endgültig weg ist, ist ihm natürlich klar – deshalb auch die riesige Enttäuschung, auch wenn er ein fast trotziges „Ich gebe aber niemals auf“hinterherschickte. „Es sind halt fünftausend Komponenten in dem Auto drin und jetzt ist eines kaputt gegangen, was wahrscheinlich noch nie vorher kaputt gegangen ist. In meiner ganzen Formel-1-Karriere ist das noch nie vorher passiert, dass irgendwie das Gaspedal in meine Richtung kommt.“
Rosbergs Pech war Vettels Glück – so konnte sich der viermalige Weltmeister wieder einen zweiten Platz sichern, trotz eines nicht besonders guten Starts, bei dem er erst einmal bis auf Platz fünf zurückfiel. „Danach bin ich aber in einen guter Rhythmus gekommen, das Überholmanöver mit Kimi war vielleicht ein bisschen eng, aber fair – wir sind uns bisher auf der Strecke immer mit sehr viel Respekt begegnet. Da- nach konnte ich Bottas durch die Strategie beim Boxenstopp hinter mir lassen – ich glaube, wir waren heute einfach auch ein kleines bisschen schneller.“
Zu einem Angriff auf Hamilton reichte der Speed des Ferrari aber nicht mehr: „Das Auto wurde zwar immer besser, ich habe mich pudelwohl gefühlt, an einem gewissen Punkt hatte ich sogar ein bisschen Hoffnung, Lewis noch gefährden zu können, aber er hat es da wohl auch ein bisschen ruhiger angehen lassen. Er hatte wohl noch viel in der Hand, wir machen zwar Schritte nach vorn, kommen schon näher an Mercedes heran, aber ganz reicht es eben doch noch nicht.“