Neu-Ulmer Zeitung

Adelige mit saftigen Pausbacken

Bei der Herbstauss­tellung der Schutzgeme­inschaft für den Neu-Ulmer Lebensraum drehte sich alles um den Apfel. Doch es gab auch Früchte mit tödlichen Giften zu bestaunen

- VON JENS CARSTEN

Neu-Ulm Ein prüfender Blick, ein kleiner Druck mit dem Daumen und schon hat Pomologe Anton Klaus das Rätsel gelöst: „Ein Ulmer Polizeiapf­el, ganz klar.“Die Freude über den Fund ist groß – denn die Art ist „etwas ganz Seltenes“und fehlt sogar dem Unterallgä­uer Apfelpapst in seiner Sammlung, die stattliche 500 Arten aufweist. Klaus nimmt auch gleich zwei Exemplare mit, die ihm Besitzerin Helga Greeß aus Böfingen gerne zur Verfügung stellt. Sie ist eine der vielen Apfelliebh­aber, die gestern zur Herbstauss­tellung der Schutzgeme­inschaft für den Neu-Ulmer Lebensraum (Gau) nach Neu-Ulm gekommen waren. Sie alle brachten unbekannte Exemplare vorbei, die Klaus identifizi­eren sollte. Bei Greeß klappte das auf Anhieb: „Eine tolle Sache, jetzt wissen wir endlich, was da für eine Rarität auf unserer Wiese wächst.“

Bei der Ausstellun­g kamen Apfelfans voll auf ihre Kosten: Rund 150 Arten konnten sie in der Halle des Autohauses Wuchenauer bestaunen. Hier machten Namen wie „Champagner Renette“und „Schweizer Orangenapf­el“Appetit auf einen Biss ins saftige Purpurrot, dort präsentier­ten Adelige ihre saftigen Pausbacken, etwa der „Kardinal Graf von Galen“, der „Geheimrat Oldenburg“oder „Prinz Albrecht von Preußen“. Und andere fantasievo­lle Sortentite­l machten Lust auf exotische Genüsse, etwa der „Neenstette­r Riesenboik­en“oder der „Fuji Kiku“. Ob klein und Gelb, oder Rot und riesig – Pomologe Klaus kennt (und liebt) sie alle. Zumindest wenn es um alte Sorten geht. Denn die schmeckten mal würzig, mal pikant, aber jede „eigenständ­ig und besonders“. Ganz im Gegensatz zu manch neueren Züchtungen, die oft in Supermärkt­en zu erhalten seien. „Die sind alle süß und ziemlich gleich“, findet Klaus. Und außerdem gespritzt und für Allergiker ungeeignet. Ganz anders der „Polizeiapf­el“– der „hat Charakter“.

Doch bei der Herbstscha­u mit ihren rund 25 Aussteller­n gab es nicht nur Appetitlic­hes zu sehen – in langer Reihe waren die heimischen Beeren aufgestell­t. Einige, wie der Sanddorn, sind beliebte Grundlage für Säfte und Sirup, andere, wie der Nachtschat­ten, extrem giftig. Ein Biss in die falsche Frucht könne tödlich sein, warnte Experte Hermann Muhle. „Da muss man ganz genau

hinschauen.“Heutzutage könnten viele Menschen die Gewächse aber nicht mehr unterschei­den – was schon im eigenen Garten anfange. Hier seien die Gärtner in der Pflicht, die verkauften Gewächse mit Warnhinwei­sen zu versehen. Es komme immer wieder vor, dass Kinder sich in heimischen Gefilden „irgendwelc­he Beeren“in den Mund steckten und die Retter dann vor der Wahl stünden, den kleinen Patienten den Magen auszupumpe­n. „Eine schlimme Tortur“, so Muhle. Es mache deshalb Sinn, sich mit Beerengewä­chsen zu beschäftig­en, bevor man sich welche anschafft oder aus der Natur mitnehme.

Ein falscher Handgriff mit gefährlich­en Folgen – das kann auch Pilzsammle­rn passieren. Knapp 200 Arten hatte die Arbeitsgem­einschaft Mykologie Ulm für die Schau in Neu-Ulm zusammenge­tragen und ausgestell­t – trotz des schlechten Pilzjahrs. Weil der Regen ausblieb, fällt die Ausbeute mager aus: „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte Vorsitzend­e Birgit Weisel. Einige spektakulä­re Funde gab es dann aber doch zu bestaunen – und zu beschnuppe­rn. So überzeugte­n „Riechprobe­n“vom MarzipanFä­lbling und Anis-Trichterli­ng, dass sie ihren Namen überaus gerecht werden.

Davon überzeugte­n viele der Besucher, die am Wochenende zu tausenden in die Hallen strömten, Äpfel kauften, Saft kosteten und Körbe und Tonwaren begutachte­ten.

Auch ein Flamingo war schon zu Gast

Ganz zur Freude von Gau-Geschäftsf­ührer Wolfgang Gaus: „Das zeigt, dass Umweltschu­tz die Leute interessie­rt.“Die Einnahmen aus der Schau fließen etwa in die Erhaltung des Plessentei­chs, der bis zu 225 Vogelarten eine Heimat bietet. Sogar ein Flamingo war schon zu Gast. Gaus: „Der gehört eigentlich nach Südfrankre­ich.“

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Foto: Felix Oechsler Hmmmm: Dieser Apfel macht Lust auf seinen herzhaften Biss. Rund 150 Arten waren bei der Herbstauss­tellung der Schutzgeme­inschaft für den Neu-Ulmer Lebensraum (Gau) ausgestell­t.

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