Die Kinder machten Urlaub – für 58 000 Euro
„Schlecker-Frauen“im Zuhörerraum. Allein in Deutschland haben etwa 25000 Mitarbeiter durch die Firmenpleite ihren Job verloren. Andrea Straub ist eine von ihnen. 17 Jahre hat die Frau aus dem Kreis Sigmaringen für die Drogeriemarktkette gearbeitet. „Ich wünsche mir Gerechtigkeit“, sagt sie. Weil viele ihrer Kolleginnen nicht einmal den ihnen zustehenden Lohn bekommen hätten, die Schleckers aber weiter Porsche fahren. „Jedes Familienmitglied ist hier mit zwei Anwälten. Wer zahlt das?“, fragt sie. Auch die Kinder Lars, 45, und Meike, 43, haben zwei renommierte Verteidiger engagiert. Straub sagt, sie hege keine Wut gegen die Unternehmerfamilie aus Ehingen bei Ulm, aber enttäuscht sei sie. „Wir wurden bis zur letzten Minute angelogen.“
Als die Drogeriemarktkette im Januar 2012 pleiteging, schickte Anton Schlecker seine Tochter vor. „Es ist nichts mehr da“, beteuerte Meike Schlecker damals.
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie geht davon aus, Schlecker habe „seit dem 31. Dezember 2009 gewusst, dass Zahlungsunfähigkeit droht“. Seit 2004 habe der Konzern nur noch einmal, im Jahr 2006, aus dem operativen Geschäft heraus Gewinn gemacht, sagt Böttger. Ausführlich schildert der Ankläger, wie Anton Schlecker in den Folgejahren – und im Wissen um den drohenden Zusammenbruch seines Imperiums – Millionenwerte beiseitegeschafft habe, damit die Gläubiger darauf keinen Zugriff haben. Von insgesamt 36 Fällen ist die Rede: Da geht es um die Renovierung der Eigentumswohnung von Sohn Lars in Berlin, die der Familienpatriarch von Firmenkonten bezahlt haben soll, insgesamt 25 Rechnungen, die sich auf gut eine Million Euro summieren. Die 58000 Euro, die Schlecker für einen Luxusurlaub der Kinder auf der Karibikinsel Antigua übernommen hat. Oder die 800 000 Euro, die er im März auf seine vier Enkelkinder verteilt hat. Zehn Tage vor dem Gang zum Insolvenzgericht habe er drei Grundstücke im Wert von sieben Millionen Euro – und damit deutlich unter Marktwert – an seine Kinder verkauft. Die fällige Grunderwerbsteuer von 322 000 Euro zahlten nicht die neuen Besitzer, sondern der Vater. Böttger ist überzeugt: „Die Beteiligten haben aus überzogenem, rücksichtslosem und sittlich anstößigem Erwerbsinteresse gehandelt.“
die großen Summen geht es bei der Logistikfirma LDG, die Lars und Meike gehörte. Die LDG kümmerte sich um die Auslieferung der Waren an die Schlecker-Filialen, andere Kunden gab es nicht. Das Unternehmen rechnete seine Leistung nach Stundensätzen zu 28,50 Euro ab. Normal wären 18,87 Euro gewesen. „Anton Schlecker wusste, dass das weit über der üblichen Vergütung war“, stellt Böttger fest. Doch der Vater zahlte, ohne zu murren – und habe seinem Unter2011 nehmen 2010 und 2011 auf diese Weise fast 20 Millionen Euro entzogen. Die hohen Gewinne der LDG seien an Lars und Meike geflossen. Nur wenige Tage vor der Insolvenz überwies Schlecker zudem per Blitzüberweisung mehr als fünf Millionen Euro auf Privatkonten seiner Kinder.
Und dann ist da ein 50-MillionenDarlehen, das die LDG Anton Schlecker gewährte. Die Anklage geht davon aus, dass der Firmenpatriarch, der als eingetragener KaufUm mann mit seinem gesamten Privatvermögen haftete, auf diese Weise die Bilanz frisiert hat. „Die Lage wurde besser dargestellt, als sie war“, betont Böttger.
Anton Schlecker sagt dazu nichts. Sein Verteidiger Norbert Scharf weist die Vorwürfe als „unzutreffend“zurück. Das Darlehen zeige, dass sein Mandant an die Zukunft des Konzerns geglaubt habe. „Welcher Unternehmer investiert Geld, das er bereits zur Seite geschafft hat, wieder in die Firma?“Die Insolvenz