Der Plan Q der Sozialdemokraten
Die SPD will die Agenda 2010 korrigieren. Die Bundesagentur für Arbeit soll zu mehr beruflicher Qualifikation verpflichtet werden, Arbeitslosengeld häufiger und länger bezahlt werden. Damit ist Streit unausweichlich
Auf dieses eine Extremmodell will SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles nicht beschränkt werden: Der 58-jährige Arbeitslose, der unter bestimmten Voraussetzungen maximal zwei Jahre lang Arbeitslosengeld I beziehen kann. Er könnte dank ihrer Pläne künftig für eine bis zu zweijährige berufliche Weiterqualifikation theoretisch noch zwei weitere Jahre das – noch lange nicht beschlossene – „Arbeitslosengeld Q“in gleicher Höhe bekommen. Macht zusammen vier Jahre Arbeitslosengeld – das treibt den politischen Gegner um. „Unter dem Strich schadet der Vorschlag den Betroffenen, weil er Fehlanreize setzt und damit den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt verzögert“, sagt CSU-Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke aus Marktoberdorf.
Was Andrea Nahles am Montag in Berlin nach einer Sitzung des SPD-Vorstandes präsentiert, ist ein kleiner, aber jetzt schon kontrovers diskutierter Teil des Wahlprogramms, Arbeitslosengeld I nicht verringern soll. Nahles rechnet mit zusätzlichen Ausgaben von rund 400 Millionen Euro jährlich.
Ob das nicht einer neuen Welle der Frühverrentung Tür und Tor öffne, wird Nahles gefragt. Sie weist das scharf zurück. Auf dem Arbeitsmarkt, der unter einem Fachkräftemangel leidet, werde jeder gebraucht. Sie sieht ihre Vorschläge daher nicht als „Brücke in die Rente“. Und sie zeigt sich erstaunt, dass die meiste Kritik ausgerechnet von der Seite komme, die für eine längere Lebensarbeitszeit plädiert.
Es geht in der aktuellen Debatte bekanntlich auch um die Ängste vor allem älterer Arbeitnehmer, im Fall der Arbeitslosigkeit zu schnell durchs Raster zu fallen und als mögliche Hartz-IV-Empfänger das mühsam Angesparte drangeben zu müssen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat die Debatte nach einer Konferenz in Bielefeld befeuert und aus dem Lager der Union und der Wirtschaft lautstarke Kritik zu spüren bekommen. Die Gewerkschaften Deutschland und Frankreich werben in der EU für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. „Wir müssen auch den Mut haben, dass einige Länder vorangehen, wenn nicht alle mitmachen wollen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montagabend in Versailles bei Paris bei einem Minigipfel mit Frankreich, Italien und Spanien. Frankreichs Staatspräsident François Hollande hatte zu dem Treffen eingeladen, um zwei EU-Gipfel in diesem Monat vorzubereiten. Hollande trat ebenfalls dafür ein, dass einige Staaten bei der Integration schneller voranschreiten als andere. „Europa … muss in der Lage sein, zu 27 zu leben“, sagte er mit Blick auf den angekündigten EU-Austritt Großbritanniens, den Brexit, und eine mögliche Neuausrichtung der EU. Das Europa der 27 könne nicht länger ein uniformes Europa sein. Als Felder für eine unterschiedlich schnelle Integration nannte er die Verteidigungspolitik und eine Steuerharmonisierung.