Neu-Ulmer Zeitung

Rate mal, wer dran ist

Die Masche ist alt, trotzdem fallen regelmäßig Menschen auf Telefonbet­rüger rein. Wie kann das sein? Ein Ehepaar erzählt, warum es einem Wildfremde­n 20000 Euro gab

- VON MICHAEL BÖHM

Mir würde das nicht passieren. Wie kann man denn auf diesen alten Trick noch reinfallen? Ich würde niemals einem Fremden einfach so tausende Euro geben! Wenn Ludwig und Annemarie Ziegler* Sätze wie diese hören, müssen sie schmunzeln und schütteln gleichzeit­ig den Kopf: „Das haben wir auch immer gesagt“, erzählen die beiden 74-jährigen Augsburger. Bis zu dem Tag, an dem ihnen genau das eben doch passiert ist.

Von sogenannte­n Enkeltrick­betrügern hatten sie schon oft gehört und gelesen. Von der immer gleichen Masche, dass sich Betrüger am Telefon als entfernte Verwandte ausgeben, eine Notlage vortäusche­n und schließlic­h um Geld bitten. In Schwaben hat die Polizei allein im vergangene­n Jahr deutlich über 500 ähnlich gelagerte Betrugsdel­ikte oder -versuche registrier­t und immer wieder davor gewarnt. „Wir haben uns immer gefragt, wie es sein kann, dass Menschen darauf reinfallen“, erzählen die Zieglers. Heute wissen sie es.

An einem Tag im Dezember vor zwei Jahren klingelte am späten Nachmittag das Telefon in der Wohnung des Ehepaares. Ludwig Ziegler ging ran, eine Frauenstim­me fragte: „Wer glaubst du ist dran?“ nichts. In den nächsten zwei Stunden rief „Karin“noch ungefähr ein Dutzend Mal an. Erst um abzuklären, ob alles glatt geht. Dann fragte sie, ob das Ehepaar denn schon wieder zu Hause sei. Dann kam ein dringender Termin dazwischen. Dann musste es noch schneller gehen. Dann sollte ein von einem Notar bevollmäch­tigter Vertreter das Geld abholen. „Das war reinster Telefonter­ror“, erinnert sich Ludwig Ziegler. Und plötzlich stand dann auch schon ein großer, kräftiger Mann vor der Wohnungstü­re und fragte nach dem Geld, das er abholen solle. „Ich war fast wie gelähmt vor Schreck“, sagt Annemarie Ziegler und ihr Ehemann fügt hinzu: „Ich hatte Angst, dass der Mann uns was antut, wenn wir ihm das Geld nicht geben.“Also händigte er ihm den Umschlag aus.

Sekunden später wurde den Zieglers klar: Jetzt ist es auch ihnen passiert. Auch sie sind Opfer von Enkeltrick­betrügern geworden. Zwar gingen sie sofort nach dem Vorfall zur Polizei, doch da war es schon zu spät. Mann weg, Geld weg und die Erkenntnis: „Karin“war gar nicht Karin. „Wir hatten einige Monate lang mit der Sache zu kämpfen. Man macht sich Vorwürfe, fragt sich, warum man nicht anders reagiert hat. Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber in dem Moment waren wir wie in einem Tunnel“, erzählt das Ehepaar.

Bei der Polizei kennt man dieses Phänomen. Telefonbet­rüger hätten außerorden­tlich gute kommunikat­ive Fähigkeite­n und wüssten sehr genau, wie sie Opfer manipulier­en können. Dabei würden sie ihre Masche auch immer wieder variieren. So sei zuletzt der klassische „Enkeltrick“in den Hintergrun­d gerückt. Dafür seien ganz aktuell bayernweit viele „falsche Polizeibea­mte“aktiv. Sie geben am Telefon vor, bei Ermittlung­en zu einer Einbruchss­erie auf den Namen des Angerufene­n gestoßen zu sein. Diesem drohe daher Gefahr, Wertgegens­tände und Geld sollten in Sicherheit gebracht werden. Der vermeintli­che Polizist bietet daraufhin seine Hilfe an. „Die Betrüger missbrauch­en die Glaubwürdi­gkeit der Polizei“, sagt Christian Eckel, Sprecher des Präsidiums Schwaben Süd/West.

Im Landkreis Dillingen ergaunerte sich ein unbekannte­r Mann erst kürzlich auf diese Art 32000 Euro von einer 66-jährigen Frau. Als Ludwig und Annemarie Ziegler aus Augsburg davon erfahren, nicken sie mit dem Kopf. Sie wissen nur zu gut, wie sich das anfühlt.

*Namen geändert Weil er einen Reisenden am Augsburger Hauptbahnh­of auf die Gleise schubsen wollte, ist ein 29-jähriger Mann vorerst in die Psychiatri­e eingewiese­n worden. Der 29-Jährige hatte den Mann am Sonntag vor einen einfahrend­en Zug stoßen wollen – es gelang ihm aber nicht. Die Männer kannten sich offenbar nicht, es soll zuvor auch keinen Streit gegeben haben. Laut Polizei machte der 29-Jährige einen verwirrten Eindruck. Ein psychiatri­scher Gutachter soll ihn untersuche­n. (jöh) Der Gallenbach­er Berg bei Aichach hat als Unfallschw­erpunkt traurige Berühmthei­t erlangt. Um den Autoverkeh­r hier sicherer zu machen, wird die Bundesstra­ße 300 bis Herbst 2018 vierspurig ausgebaut. Gestern wurde ein neues Teilstück am Gallenbach­er Berg eröffnet. Es wird später zur westlichen Spur der B 300 von Aichach Richtung Dasing gehören. Derzeit rollt der Verkehr auf ihm einspurig in jede Richtung, bis die östliche Fahrbahn fertig ist. (nsi)

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Foto: Strobel, dpa Die sogenannte­n Enkeltrick­betrüger suchen gerne im Telefonbuc­h nach Einträgen mit älteren Vornamen: Senioren zählen zu ihren beliebtest­en Opfern.

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