Gegen das Gift der Männlichkeit
Morgen ist Weltfrauentag. Was hat sich getan, was bleibt zu tun? Eine Begegnung mit der neuen Galionsfigur der Frauenbewegung – und einem gefeierten männlichen Feministen
Wie es um eine gesellschaftliche Bewegung steht, ist am einfachsten daran abzulesen, worüber gerade gestritten wird. Am Wochenende sorgten Fotos für Aufregung, auf denen die britische Schauspielerin und Feministin Emma Watson für das Lifestyle-Magazin Vanity Fair teilweise ziemlich blank oben rum posiert. Sie erntete wütende Kommentare nach dem Motto: Eine Feministin tut so etwas nicht! Und die 26-jährige Watson antwortete: „Im Feminismus geht es darum, Frauen eine Wahl zu geben. Feminismus ist kein Stock, mit dem man andere Frauen schlagen kann… Es geht um Freiheit, um Befreiung, um Gleichberechtigung. Ich weiß wirklich nicht, was meine Titten damit zu tun haben.“Haben sie nicht? Ein Konflikt zwischen Frau und Frau.
Und Tradition spielt auch in einem zweiten Beispiel eine wichtige Rolle. Alice Schwarzer, deutsche Ikone der Bewegung, feiert mit „Emma“, ihrem Zentralorgan der Bewegung in Deutschland 40. Geburtstag – und war wohl noch nie so verfemt in den vermeintlich eigenen Reihen. Denn spätestens seit den Silvester-Geschehnissen von Köln 2015/16 tritt die inzwischen 74-Jährige sehr entschieden als Mahnerin vor den Folgen einer verstärkten Einwanderung von Männern aus muslimischen Ländern auf – denn nicht wenige von denen brächten ein gefährliches Frauenbild mit. Schwarzer erntete dafür viel Kritik, weil sie so dieselbe radikal vereinfachende Islamfeindlichkeit nähre wie die Neue Rechte. Wer hat recht? Ein Konflikt zwischen Links und Links.
Es sind zwei klassische Konfliktlinien des Feminismus, die sich hier aktualisieren: der weibliche Körper zwischen der Selbstbestimmung des Subjekts und der öffentlichen Zurschaustellung als Objekt; und das Problem, dass die Frauenbewegung zwar traditionell eine linke ist, aber sehr lange als Nebenschauplatz der Revolution galt, irgendwie unter-, jedenfalls nachgeordnet. Aber ist das nicht Ausdruck jener ewig alten, gleichen Kämpfe, derer sich in den vergangenen Jahren gerade junge Autorinnen wie Ronja von Rönne öffentlich für so müde und überdrüssig erklärten, dass sie schon mal mit dem Label „Anti-Feministin“kokettierten?
Müde? Überdrüssig? Und dann sitzt da diese Frau und sprüht vor Energie. Macht schneidend klar, wie drängend die Fragen des Feminismus gerade heute seien, wo mit Donald Trump „ein Sexist und Chauvinist“US-Präsident, dazu Tyrannen wie Putin und Erdogan agierten, wo die Neue Rechte mit rückwärtsgewandten Wertvorstellungen europaweit durchbräche, bis hin zum Brexit. Es spricht Laurie Penny, 30 Jahre alt, wie immer ganz in Schwarz gekleidet, aus London stammend, aber längst auch in den USA wirkend und seit Büchern wie „Fleischmarkt. Weiblicher Körper im Kapitalismus“und ihren millionenfach gelesenen Blogs die Galionsfigur der internationalen Frauenbewegung. Sie spricht ausgerechnet beim Augsburger Brecht-Festival – wo gerade dieser Literat doch zu den nur sehr eigennützig frauenbewegten Linken gehörte, Chauvinist war – und sie bringt all das zusammen: „Toxic Masculinity“heißt das Schlagwort auf Englisch, unter dem Laurie Penny gerade die Gefahr eines großen Rückfalls beschreibt – ein Verständnis von Männlichkeit, das wie Gift innerhalb von Familien, in Staaten, aber auch auf der Welt wirke. Das ganze Programm: Die Unfähigkeit, Schwächen und Gefühle zu zeigen, verborgen in einem (Selbst-)Bild von Stärke, das sich durch Kraft und Macht bestätigt, und so offene Kommunikation verunmöglicht und zur Tyrannei wird. Laurie Penny sagt: „Feminismus ist nicht irgendetwas, das nach der Revolution kommt – Feminismus ist die Revolution.“Denn so wie die Krise des Kapitalismus zur Krise der Männlichkeit geworden sei, stehe die Emanzipation der Frauen für die wesentliche Abkehr von falschen, weil menschlich, wirtschaftlich und politisch fatalen männlichen Traditionen. Und neben ihr sitzt ein Mann und nickt.
Er heißt Jack Urwin, wirkt wuchtig neben der bei aller Resolutheit so zarten Frau, trägt Vollbart und Seitenscheitel, ist ebenfalls Brite, Jahrgang 1992 und Pennys bereits international gefeiertes Gegenstück. Ebenfalls mit Blogs und dem eben auf Deutsch erschienenen Buch „Boys Don’t Cry“zeigt er sich als so etwas wie ein männlicher Feminist. Einer, der erzählt, wie er selbst unter der „Toxic Masculinity“seines Vaters gelitten habe, warum es so wichtig sei, dass sich das Rollenverständnis verändere und damit: warum Feminismus tatsächlich für alle da sei, allen helfen könne. Männern gerade auch dadurch, dass sie offener für Lebensbereiche würden, die sie sonst den Frauen überlassen hätten, und dadurch den Kindern …
Neben ihm applaudiert Laurie Penny, sagt: „Endlich!“Frauen haben all das längst gesagt und geschrieben – aber Männer hören noch immer mehr auf Männer. So helfen Bekennende wie Jack Urwin besonders. Aber sie stehen auch für einen neuen Konflikt des Feminismus: zwischen Männern und Männern.
Eine tiefdunkle, samtige Stimme ist für immer verstummt: Der Opernsänger Kurt Moll ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Schon seinem Abschied von der Bühne im Jahr 2006 trauerten nicht nur viele Münchner Operngänger nach. „Wie kein anderer vermochte es Kurt Moll, die großen Bass-Partien von Wagner, Mozart und Strauss zum Leben zu erwecken“, betonte nun der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, in einer ersten Reaktion.
Und weiter: „Sein Tod ist ein großer Verlust für die Bayerische Staatsoper und alle unsere Mitarbeiter, für sein Publikum in München, Deutschland und der ganzen Welt.“Es war ein Publikum, das wusste: Steht Kurt Moll auf dem Programmzettel, dann bedeutet das eine sichere Bank – stilistisch, klanglich, darstellerisch.
Die Staatsoper teilte den Tod Molls am Montagabend mit. Der in Buir bei Köln geborene Bass war demnach am Sonntag einer langen, schweren Krankheit erlegen.
Nach dem Studium an der Kölner Musikhochschule hatten ihn erste Engagements nach Aachen, Mainz und Wuppertal geführt. Den internationalen Durchbruch feierte Moll 1970 bei den Salzburger Festspielen als Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“– eine seiner Paraderollen, die ihn sein ganzes Leben hindurch begleiten sollte.
Sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper gab Moll 1971 als Einspringer in „Die Meistersinger von Nürnberg“. Auch die Partie Veit Pogners zog sich durch seine Karriere. Darüber hinaus sang er viele andere Wagner-Partien und Osmin in „Die Entführung aus dem Serail“. Die Staatsoper widmet die nächste Vorstellung dieser Mozart-Oper am 24. März 2017 dem Verstorbenen.
Über Jahrzehnte hinweg wurde Moll gefeiert und galt als einer der wichtigsten Interpreten seines Fachs. Zudem war Moll, der ursprünglich Cellist werden wollte, Gesangsprofessor an der Kölner Musikhochschule.