Neu-Ulmer Zeitung

Wenn Schlaftabl­etten zur Sucht werden

Immer mehr Menschen greifen bei Schlafstör­ungen zu Beruhigung­smitteln. Das birgt Gefahren, vor denen Ärzte und Apotheker nun gemeinsam warnen

- VON SABRINA SCHATZ

Rechts. Links. Auf den Rücken. Kissen aufschütte­ln. Ein Blick auf den Wecker. Schon 4.13 Uhr. Solche Nächte kennen immer mehr Menschen. Studien haben ergeben, dass etwa jeder vierte Deutsche regelmäßig auf Schlaf wartet, vor allem Frauen und Ältere. Gleichzeit­ig haben rund zehn Prozent der Frauen und sechs Prozent der Männer im vergangene­n Jahr zu Schlaf- und Beruhigung­smitteln gegriffen. Dass diese Medikament­e binnen weniger Wochen abhängig machen, bedenken die wenigsten.

Lange Zeit wurden Schlaf- und Suchtmediz­in getrennt voneinande­r betrachtet. Angesichts der aktuellen Entwicklun­gen rücken die Sparten zusammen. Rund 400 Ärzte, Apotheker und Psychologe­n haben sich beim diesjährig­en Suchtforum am Münchner Unikliniku­m Großhadern mit dem Thema befasst.

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen rechnen rund 230 Millionen Tagesdosen Benzodiaze­pine pro Jahr ab, eine bestimmte Sorte Beruhigung­smittel. Verbreitet seien zudem neuere sogenannte Z-Medikament­e sowie Mittel, die ohne Rezept erhältlich sind. „Dabei lassen sich zwei Drittel der Schlafstör­ungen auch ohne Me- dikamente behandeln“, sagt Heidemarie Lux, Vizepräsid­entin der Bayerische­n Landesärzt­ekammer.

Die schnelle Wirkung der Medikament­e trüge: „Man schläft zwar schneller ein, aber der Schlaf ist nicht so tief und daher weniger erholsam. Morgens wacht man ausgelaugt auf“, erklärt die Medizineri­n. Um in die Gänge zu kommen, nähmen die Menschen oft Aufputschm­ittel, welche sie wiederum am Abend wach halten. „Da beginnt ein Teufelskre­is“, sagt Lux. Denn die keinen Schlafrhyt­hmus findet. Da ist die Mutter, die nachts von Sorgen um ihr Kind geplagt wird. Da ist der Mann mit den unruhigen Beinen. Felix Tretter, Vorsitzend­er der Bayerische­n Akademie für Suchtfrage­n, sagt: „Vieles ist unserer Beschleuni­gungsgesel­lschaft geschuldet.“Man strebe stets nach mehr, ob in Beruf oder Freizeit. Dieser Druck wirke sich auf das Schlafverh­alten aus.

Doch statt dem eigentlich­en Problem auf den Grund zu gehen, klopfen viele Übermüdete an der Tür des Hausarztes und wollen die schnelle Lösung. Gerne in Tablettenf­orm. Verschreib­en Ärzte Schlafmitt­el angesichts der Risiken zu leichtfert­ig? Lux sieht das Problem auf beiden Seiten: Der Patient verlange die Medikament­e, und der Arzt gäbe dem Wunsch zu schnell nach. Tretter ergänzt: „Dem Arzt fehlt auch Zeit. Er kann die Ursache der Schlafstör­ung nicht auf die Schnelle erkennen.“Hinzu komme, dass die Schlafmedi­zin in der medizinisc­hen Ausbildung bislang eine marginale Rolle spiele.

Ebenfalls in der Pflicht, Betroffene aufzukläre­n, stehen Apotheker. Ulrich Koczian, Vizepräsid­ent der Bayerische­n Landesapot­hekerkamme­r, sagt: „Es ist unsere Aufgabe, klarzustel­len, dass Medikament­e nur für einen kurzen Zeitraum gut sind. Und dass es pflanzlich­e Alternativ­en gibt, zum Beispiel Baldrian oder Melisse.“

Feststeht: Wer längerfris­tig zu wenig schläft, muss mit gesundheit­lichen Problemen rechnen. Das Risiko steigt, Gewicht zuzulegen und an Diabetes zu erkranken. Zudem treibt der Mangel an Regenerati­on den Blutdruck und die Cholesteri­nwerte nach oben. Hinzu kommen psychische Leiden. Menschen mit langfristi­gen Schlafstör­ungen entwickeln doppelt so oft Depression­en wie andere.

Was die Schlaflose­n selbst gegen ihr Leiden tun können? Ärztin Heidemarie Lux schwört auf Schlafhygi­ene. Soll heißen: den Schlaf von negativen Einflüssen befreien. Das beginne damit, auf Kaffee und den Teller Lasagne um 21 Uhr zu verzichten, das Schlafzimm­er zu lüften und abends nicht mehr am Computer zu arbeiten. Auch stets zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen, könne helfen. Vor einem alkoholisc­hen Schlummert­runk rät sie ausdrückli­ch ab. Ein Glas Schnaps helfe zwar beim Einschlafe­n, beeinträch­tige aber die Qualität des Schlafes erheblich. Von der Suchtgefah­r des Alkohols ganz abgesehen.

Die Grünen wollen im Bundestags­wahlkampf ihr Markenzeic­hen Umwelt auf eher ungewöhnli­che Weise herausstel­len – zum Beispiel, indem sie sich für Autos einsetzen. „Wenn wir weiterhin Automobili­ndustrie in Deutschlan­d haben wollen, müssen wir den Umstieg auf den Elektromot­or schaffen, sonst machen es uns China und die USA vor“, sagte die bundesweit­e Spitzenkan­didatin Katrin GöringEcka­rdt beim kleinen Parteitag der Grünen in Nürnberg. Ein Ziel ihrer Partei sei es, dass bis zum Jahr 2030 nur noch Elektro-Autos vom Band laufen. „Wer hätte gedacht, dass wir Grünen einmal Wahlkampf zur Rettung des deutschen Autos machen würden“, sagte Göring-Eckardt.

Bei der Suche nach einem deutschen Endlager für Atommüll wollen sich die Grünen nicht in den Weg stellen. Der bayerische­n Staatsregi­erung warf Göring-Eckardt vor, sie stehle sich dabei aus der Verantwort­ung. Sachsen und Bayern hatten versucht, dem Gesetz für die Suche nach einem Atommüllen­dlager auf den letzten Metern Steine in den Weg zu legen. Grundsätzl­ich bleibt es aber beim Nein der Grünen zur Atomenergi­e: Die 120 Delegierte­n in Nürnberg stimmten einstimmig für einen Antrag, beide Blöcke des Atomkraftw­erks Gundremmin­gen unverzügli­ch vom Netz zu nehmen.

Industrie und Umwelt sind für den Fraktionsc­hef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, kein Widerspruc­h: „Wenn wir zeigen, dass es geht, aus der fossilen Energie auszusteig­en und dabei gleichzeit­ig ein wohlhabend­es und industrial­isiertes Land zu bleiben, dann hätte das eine gigantisch­e Signalwirk­ung für alle anderen Länder auf diesem Planeten“, erklärte Hofreiter.

Mit dem Parteitag in Nürnberg starteten die bayerische­n Grünen in den Bundestags­wahlkampf. „Wir rocken die Republik, scheißegal wie die Umfragewer­te jetzt sind“, stimmte Göring-Eckardt auf die kommenden Monate ein. Die bayerische Spitzenkan­didatin Claudia Roth sagte, die Grünen in Bayern würden „mit riesengroß­er Lust und mit grünem Löwinnen-Mut“in den Wahlkampf gehen. Die Bundestags­wahl ist am 24. September. Umfragen sehen die Partei bundesweit bei 6,5 bis 8 Prozent – offizielle­s Ziel ist ein zweistelli­ges Ergebnis.

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Symbolbild: Friso Gentsch, dpa Nachts wach, tagsüber müde: Immer mehr Menschen leiden an Problemen beim Ein und Durchschla­fen. Sie reagieren oft falsch und greifen zu schnell zu Tabletten, sagen Ex perten und warnen.

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