Neu-Ulmer Zeitung

Esst an Ostern gemeinsam!

Carlo Petrini hat eine Bewegung gegründet, die die Freude am Essen zelebriert. Er weiß, wieso wir vor Feiertagen viel einkaufen und wie das Osterfrühs­tück die Menschen verbindet

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Herr Petrini, warum ist Ernährung mehr als Nahrungsau­fnahme?

In der Geschichte der Menschheit war das Teilen der Mahlzeit immer schon einer der wichtigste­n Aspekte. In den Familien wurde das Essen geteilt, im religiösen Leben, etwa in Klöstern oder auch am Arbeitspla­tz. In der ganzen Welt gilt der Grundsatz, dass man nicht alleine isst, sondern gemeinsam. Das Essen stärkt die Gemeinscha­ft, in Europa wie in Afrika.

Warum ist der Aspekt der Gemeinscha­ft beim Essen Ihrer Ansicht nach so wichtig?

Teilen stärkt das soziale Gefüge. Man kennt das doch von den großen Festen: Hochzeitse­ssen, Ostern, Weihnachte­n, sogar vor der Rekrutieru­ng zum Militär wurden große, gemeinscha­ftliche Mahlzeiten veranstalt­et. Essen hat eine soziale Kraft. Alleine essen ist nicht gut, das macht traurig.

Man sagt, die Gesellscha­ft werde individual­istischer. Auch beim Essen?

Ich sehe viele junge Leute, die gemeinsam zum Essen gehen. Vielleicht sogar bei McDonald’s. Warum denn nicht? Für uns Italiener sind Mittag- und Abendessen als Moment der Kollektivi­tät heilig. Da kommt man nicht zu spät!

Sie heißen Mahlzeiten bei McDonald’s gut? Slow Food entstand doch 1986 aus der Opposition gegen die Eröffnung des ersten Fast-Food-Lokals in Rom.

Ich rede ja nicht darüber, wie man bei McDonald’s isst. Aber der Konzern hat dieses Element der Kollektivi­tät durchschau­t. Da gibt es Spielplätz­e in den Lokalen, die Kleinen haben Spaß. In vielen Restaurant­s sind Kinder nicht willkommen und werden schlecht behandelt. Das eine ist der soziale Aspekt, das andere die Qualität des Essens.

Zu Ostern haben die meisten Menschen einen Großeinkau­f im Supermarkt gemacht. Was verraten die immer größeren Märkte über den Zeitgeist?

Im Supermarkt gibt es wenig Kommunikat­ion und Menschlich­keit. Der Verkäufer im Tante-Emma-Laden sprach mit dir, wusste von deinen Wünschen, merkte sich, wenn etwas schlecht war. Heute kaufen wir in Nicht-Orten ein. Sie sind überall gleich. Nicht die Ware steht im Vordergrun­d, sondern die Quadratmet­er der Verkaufsfl­äche. Ich beobachte aber, dass sich das Fehlen dieser menschlich­en Dimension bemerkbar macht. Der Trend geht zurück zum Krämerlade­n. Woran machen Sie das fest?

Das sind natürlich nicht dieselben Läden wie vor 50 Jahren. Aber der Geist ist ähnlich. Es wird mehr Wert auf lokale Produkte gelegt. Junge Menschen eröffnen Geschäfte, in denen auch gesprochen, diskutiert und erzogen werden soll. Etwa kleine Lebensmitt­elgeschäft­e, Weinhandlu­ngen, in denen die Weine von den Produzente­n selbst vorgestell­t werden. Unser größter Hunger ist nicht der auf Nahrung, sondern der auf Wissen über die Nahrungsmi­ttel. Slow Food nennt seine lokalen Gemeinscha­ften „convivia“. Was hat es damit auf sich?

Für die alten Römer war das „convivium“(deutsch: Tischgesel­lschaft, Anm. d. Red.) nicht nur ein Ort des Essens, sondern auch des Austauschs, des Philosophi­erens, des Gesprächs. In Griechenla­nd sagte man Symposion dazu. Essen bedeutet nicht dasselbe wie ein Auto volltanken. Das ist eine viel umfassende­re Angelegenh­eit. Essen bedeutet: am Tisch sitzen, sich in die Augen sehen, das Essen anschauen. So werden Freundscha­ften gestärkt, so wird Wissen ausgetausc­ht.

Im alten Rom arteten die convivia nicht selten in Orgien aus …

Es gibt auch heute Leute, die es übertreibe­n. Schauen Sie mal, wie viel manche trinken, wenn sie zusammen sind oder wie ungesund sie essen. Warum ist die Aufmerksam­keit für das, was hinter dem Produkt steckt, wichtig?

Wir wollen doch alle wissen, woher das Fleisch für die Salami stammt, ob es behandelt wurde, wie es verarbeite­t wurde, ob Farbstoffe, Geschmacks­verstärker oder Konservier­ungsstoffe beigegeben wurden. Welche Folgen haben diese Beigaben für unsere Gesundheit? Selbst wenn diese Dinge gesetzlich erlaubt sind, will ich sie wissen.

Um dann zu entscheide­n, ob man das Produkt kauft oder nicht?

Genau. Ich will wissen, ob natürliche Aromen beigegeben wurden oder künstliche, die letztendli­ch aus Erdöl hergestell­t wurden. Ich will wissen, ob es sich um genmanipul­ierte Produkte handelt. Auch deshalb müssen wir viel mehr bei Tisch miteinande­r reden.

Nun ist Ostern und wir kaufen die Supermärkt­e leer. Warum dieses Bedürfnis nach Fülle?

Das ist ein anthropolo­gisches Erbe aus den Zeiten, in denen unsere Vorfahren hungerten. Nur stimmt es nicht, dass in der Masse der Genuss liegt. Wir sind heute doch viel zu dick! Der Genuss liegt darin, gute Sachen zu essen und nicht viele. Wir sollten unseren Körper nicht wie ein dehnbares Gummiband behandeln. Erst völlern, dann joggen oder zum Diätberate­r gehen. Die verdienen heutzutage mehr als die Bauern. Das ist doch absurd!

Interview: Julius Müller-Meiningen O

67, ist Vorsitzend­er der Internatio­nalen Slow Food Bewegung mit etwa 150 000 Mitglieder­n weltweit. Er wuchs in Bra im Piemont auf. Nach dem Studium an der Universitä­t Trient ar beitete er als Gastronomi­ekritiker. 1986 gründete Petrini Slow Food, einen Verein, der sich für ökologisch­e und nachhaltig­e Ernäh rung und Lebens mittelprod­uktion einsetzt. Slow Food ist in über 1500 weltweit verstreute Zirkel ge gliedert, die „con vivia“genannt wer den.

Was macht man mit einem Mann, der des nächtens in einer kleinen Dortmunder Privatbank sitzt und fortwähren­d den PC bearbeitet? Wo doch in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zwei Polizisten in ihrem Streifenwa­gen erschossen wurden? Was macht man erst dann mit einem Mann, der seine Jacke aufreißt und Hauptkommi­ssar Peter Faber (Jörg Hartmann) drohend seinen Sprengstof­fgürtel zeigt?

Der Bankangest­ellte, der gigantisch­e Geldbeträg­e mal hierhin, mal dorthin auf Konten schaufelt, spielt die Hauptrolle in dem als terroristi­sch angedachte­n Plot. Dieser Muhammad Hövermann ist bei Schauspiel­er Felix Vörtler in guten Händen, denn ihn kennt man als Sprüchemac­her, der gern als Loser endet. Hövermann heißt Muhammad, weil er in zweiter Ehe mit einer Syrerin verheirate­t ist (Aha-Effekt).

Tatsächlic­h gibt es einigen islamistis­chen Wirrwar, auch einen durchgekna­llten deutschstä­mmigen Türken, sodass man manchmal nicht weiß, ob es gegen die Ungläubige­n geht oder ob ein junger Heißsporn sich einen Namen in der Welt verschaffe­n möchte. Das unerwartet­e Ende passt zu den dramaturgi­schen Tricks in „Sturm“, die sich zwar der Logik nicht immer erschließe­n, aber den Fluss der Handlung nicht stören. Im Dortmunder Quartett steht Faber im Vordergrun­d, der mit nicht mehr ganz so coolen Sprüchen das Psychoduel­l mit Hövermann angeht und darin selbst eine Läuterung erfährt. Eher beiläufig wird bekannt, dass Daniel Kossik (Stefan Konarske) wohl zum LKA nach Düsseldorf wechselt. Zum Leidwesen vor allem von Kollegin Nora Dalay (Aylin Tezel).

Formal ist dieser „Tatort“mehr ein klassisch anmutender Thriller als ein Krimi. Wer auf Geschichte­n steht, bei denen zwischen Anfang und Ende nur ein paar Stunden vergehen und die optisch raffiniert gestaltet sind, kommt hier durchaus auf seine Kosten. Der ursprüngli­che Sendetermi­n zu Neujahr wurde bekanntlic­h zwei Mal verschoben wegen des Anschlags auf den Berliner Weihnachts­markt. Man fragt sich ein wenig, warum. Rupert Huber

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Foto: Fotolia Osterflade­n, Osterlamm, Ostereier, Schoko sich viele so richtig gut gehen. Osterhase: Dieses Wochenende lassen es
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Foto: Frank Dicks, WDR Nicht weit entfernt vom Tatort entdeckt Faber (Jörg Hartmann) ein verdächtig­es Büro.
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Carlo Petrini

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