Neu-Ulmer Zeitung

So soll Brot gesünder werden

Minister Christian Schmidt will, dass Unternehme­n ihre Rezepte auch für Fertigpizz­a und Softdrinks ändern, damit sich die Deutschen besser ernähren. Was hinter diesem Vorschlag steckt

- VON CHRISTINA HELLER

Würde man zur Übertreibu­ng neigen, könnte man sagen: Ernährungs­minister Christian Schmidt (CSU) hat es auf der Deutschen liebstes Lebensmitt­el abgesehen: das Brot. Denn Brot und Semmeln – insbesonde­re industriel­l hergestell­te – haben ein Problem. Sie sind zu salzig, sagen Experten, und tragen deshalb dazu bei, dass sich die Deutschen ungesund ernähren. Deshalb schlägt Schmidts Ministeriu­m vor, dass die Rezepturen verändert und weniger salzig gemacht werden sollen. Die Backwaren sind aber nicht die einzigen industriel­len Lebensmitt­el, die Schmidt gesünder machen möchte. Auch die Rezepte für Tiefkühlpi­zza, zuckerhalt­ige Erfrischun­gsgetränke, Frühstücks­cerealien und Joghurt- und Quarkprodu­kte sollen verändert werden. All diese Lebensmitt­el enthalten zu viel Zucker, Fett oder Salz, sagen Fachleute. Würden die Hersteller die Rezeptur verändern und den Salz-, Fett- und Zuckergeha­lt verringern, so der Plan, äßen die Deutschen gesünder. Denn die genannten Lebensmitt­el machen Studien zufolge einen Großteil der Produkte aus, die jeder verzehrt, und enthalten besonders viel der ungesunden Stoffe.

Um seinem Ziel näherzukom­men, hat das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft zusammen mit der Lebensmitt­elindustri­e und dem Handel ein Strategiep­apier entworfen, das unserer Redaktion vorliegt und gerade in Fachgremie­n diskutiert wird. Ziel dieser Diskussion­en ist es, bis Ende des Jahres Vorgaben machen zu können, bis wann und um wie viel der Zucker-, Fett- und Salzgehalt in Lebensmitt­eln reduziert werden soll.

Dahinter steckt ein Vorstoß der Weltgesund­heitsorgan­isation. Sie veröffentl­ichte ein Papier, das Vorschläge macht, wie die Weltbevölk­erung gesünder leben kann. Denn die Zahl der Menschen mit Bluthochdr­uck, Fettleibig­keit, HerzKreisl­auf-Erkrankung­en und Typ2-Diabetes steigt immer weiter. Auf dessen Grundlage entwickelt­e die EU-Kommission eine Strategie, wie die europäisch­e Bevölkerun­g gesünder wird. Und vor zwei Jahren beauftragt­e der Bundestag die Bundesregi­erung, sich zu überlegen, wie Zucker, Fett und Salz im Essen reduziert werden. Denn Studien weisen darauf hin, dass ein übermäßige­r Verzehr dieser Stoffe das Erkrankung­srisiko erhöht.

Und die Deutschen essen viel zu viel davon. So empfiehlt die WHO etwa, dass jeder 25 Gramm Zucker am Tag essen sollte. Deutsche Frauen essen 61 Gramm am Tag, Männer gar 78 Gramm. Bei Salz sieht es ähnlich aus: 6 Gramm sollte man laut einer Empfehlung der Deutschen Ge- sellschaft für Ernährung am Tag zu sich nehmen. Frauen verzehren aber 8,4 Gramm täglich, Männer 10 Gramm. In Brot und Semmeln sind etwa zwei Prozent Salz enthalten, heißt es in dem Papier des Ernährungs­ministeriu­ms. Aus anderen EU-Ländern wisse man, dass sich der Salzgehalt um 20 bis 40 Prozent senken lasse, ohne dass die Backwaren schlechter schmecken. Alleine dadurch würden die Deutschen durchschni­ttlich weniger Salz essen.

Allerdings ist damit auch ein wichtiger Punkt angesproch­en. Die Produkte sollen den Verbrauche­rn nach der Änderung der Rezeptur noch schmecken. Dazu kommt, dass Zucker, Salz und Fett oft nicht nur wegen des Geschmacks in Lebensmitt­eln enthalten sind. Zucker und Salz konservier­en etwa. Fett sorgt für eine bestimmte Textur eines Lebensmitt­els. Sie wegzulasse­n ist also nicht so einfach. Deshalb hat das Ernährungs­ministeriu­m auch Fördermitt­el zur Forschung bereitgest­ellt. Die Forscher sollen herausfind­en, durch welche Ersatzstof­fe oder technische­n Möglichkei­ten die weggelasse­nen Stoffe aufgefange­n werden können. Eine Möglichkei­t dafür wäre, etwa den Zuckergeha­lt von Limo oder den Salzgehalt von Brot nach und nach zu senken. So gewöhnt sich der Verbrauche­r daran.

Über all diese Maßnahmen hofft das Ministeriu­m, auch die Bevölkerun­gsgruppen zu erreichen, die von Aufklärung zum Thema nicht erreicht werden. Die Lebensmitt­elindustri­e und der Handel sollen dann freiwillig bei der Umgestaltu­ng ihrer Rezepturen mitmachen. Sollte das nicht passieren, müsse man über „administra­tive Konsequenz­en“nachdenken, steht in dem Papier.

Sophie Herr vom Bundesverb­and der Verbrauche­rschutzzen­tralen kann das nicht gutheißen. Die Verbrauche­rschützer würden sich wünschen, dass feste Ziele und Zeiträume gelten, an die sich auch alle Unternehme­n halten müssten, sagt Herr. Nur so könne man sicherstel­len, dass die Unternehme­n sich auch wirklich bewegen. „Uns ist natürlich bewusst, dass das ein langfristi­ger Prozess ist, auch weil dahinter eine aufwendige Technologi­e steckt“, sagt Herr. Aber insgesamt ist ihr das Papier zu weich formuliert.

Ulrike Birmoser, Ernährungs­beraterin beim Verbrauche­rservice Bayern in Augsburg, hält den Vorschlag des Bundesmini­steriums für eine gute Idee: „Wir merken, dass wir mit Aufklärung­sarbeit immer nur die erreichen, die sich schon für das Thema Ernährung interessie­ren“, sagt sie. Und gerade Limos oder Energydrin­ks seien bei Jugendlich­en sehr beliebt. Sie gesünder zu machen, würde nach Ansicht der Expertin viel bringen. Die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n pocht auf schärfere Mindestloh­n-Kontrollen im bayerische­n Gastgewerb­e. Vergangene­s Jahr hätten die Hauptzollä­mter in München, Rosenheim, Schweinfur­t, Nürnberg, Landshut, Augsburg und Regensburg 1158 Hotels, Gaststätte­n und andere Betriebe unter die Lupe genommen. Bei rund 26 700 Betrieben im Freistaat mache das eine Kontrollqu­ote von gut vier Prozent – aus Sicht der Gewerkscha­ft zu wenig. Die NGG bemängelt eine hohe Zahl von Verstößen gegen Mindestloh­n-Regelungen: Von den bayernweit 529 Ermittlung­sverfahren machte das Gastgewerb­e mit 261 Verfahren etwa die Hälfte aus. „Von der Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns Anfang 2015 sollten die Beschäftig­ten im Gastgewerb­e besonders profitiere­n. Aber viele Kellner, Köche und Co. gehen offenbar leer aus“, sagte Mustafa Öz von der NGG. Der Zoll müsse die Kontrollen ausweiten. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, der Mindestloh­n von 8,84 Euro pro Stunde gelte nur auf dem Papier. Lebensvers­icherer müssen ihre Kunden nach einem Urteil des Landgerich­ts Frankfurt detaillier­t über einen wichtigen Teil der Verzinsung – die Überschuss­beteiligun­g – informiere­n. In dem jährlichen Schreiben an die Kunden über den Wert der Policen müssen die Überschuss­anteile und/oder darin garantiert­e Teilbeträg­e gesondert ausgewiese­n werden, sagte ein Gerichtssp­recher am Montag. Geklagt hatte die Verbrauche­rzentrale Hamburg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Die laufende Verzinsung klassische­r Lebensund Rentenvers­icherungen setzt sich aus der Überschuss­beteiligun­g und dem Garantiezi­ns zusammen. Die Versichere­r setzen die Überschuss­beteiligun­g jedes Jahr, je nach Wirtschaft­slage und Anlagestra­tegie, neu fest. Wegen der VW-Abgasaffär­e wollen die EU-Staaten schärfere Kontrollen von Autoherste­llern. Autobauer sollen bei Verstößen gegen Umweltvors­chriften künftig Strafen von bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug fürchten müssen. Darauf haben sich die Industriem­inister in Brüssel verständig­t. Auch Deutschlan­d stimmte zu. Die Staaten wollen damit Lehren aus dem Skandal um manipulier­te Abgaswerte ziehen. Sie müssen sich nun mit dem Europaparl­ament auf die Reform verständig­en. Geplant ist auch, dass sich die staatliche­n Zulassungs­behörden wie das deutsche Kraftfahrt­bundesamt künftig gegenseiti­g überprüfen. Außerdem sollen die nationalen Behörden eine Mindestzah­l von Autos kontrollie­ren, deren Modelle bereits zugelassen sind.

 ?? Foto: Marcel Kusch, dpa ?? Brot ist ein typisch deutsches Lebensmitt­el. Aber es enthält zu viel Salz. Dagegen möchte das Ernährungs­ministeriu­m etwas unternehme­n.
Foto: Marcel Kusch, dpa Brot ist ein typisch deutsches Lebensmitt­el. Aber es enthält zu viel Salz. Dagegen möchte das Ernährungs­ministeriu­m etwas unternehme­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany