Hier pauken die Puff Profis
Über 50 Bordellbetreiber aus ganz Süddeutschland informieren sich in der „Rotlicht-Akademie“über das neue Prostituiertenschutzgesetz. Warum das Kritiker besorgt
Über 50 Bordellbetreiber aus ganz Süddeutschland versammelten sich am vergangenen Donnerstag im Hotel Seligweiler. Hier veranstaltete Christoph Rohr, der Geschäftsführer der „RotlichtAkademie“ein Tagesseminar. Der 45-jährige Rohr war nach eigenen Angaben einst Deutschlands jüngster Swinger-Klub-Betreiber und gründete seine „Unternehmensberatung“vor wenigen Monaten in Dornstadt. Ein Beispiel seiner Dienste: Ein Grundseminar plus Bestandsaufnahme für Bordellbetreiber bewirbt Rohr auf seiner Homepage für den Satz von 650 Euro samt Verschwiegenheitserklärung.
Der Bedarf an Beratung im Milieu sei immens: Das neue „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“bestehe allein aus knapp 40 allgemeinen Bestimmungen. Viele davon seien erklärungsbedürftig, was das große Interesse am Angebot der „Rotlicht-Akademie“belege. Denn sonst wären kaum so viele Betreiber von Bordellen, Laufhäusern, FKKKlubs und Terminwohnungen von Hof im bayerischen Wald bis aus Konstanz am Bodensee nach Seligweiler gekommen. „Seriös“beraten will Rohr. Und wenn er über Prostitution redet, zeigt er sich bemüht, das anrüchige Gewerbe als etwas ganz normales erscheinen zu lassen. „Transparenz“ist so ein Wort, das Rohr am Telefon gern verwendet. So sei es selbstverständlich, dass auch eine Vertreterin der Ulmer Aids-Hilfe und der Beratungsstelle für Frauen in Prostitution an der Info-Veranstaltung im Hotel Seligweiler in Ulm teilgenommen hätten.
Nicht eingeladen war allerdings Karin Graf, Gemeinderätin und Mitbegründerin des „Ulmer Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution“. Die CDUStadträtin beklagt seit Jahren, dass Ulm mehr und mehr zu einem HotSpot der Prostitution werde. In Ulm und Neu-Ulm gibt es derzeit etwa 28 Bordelle, in denen Schätzungen zufolge etwa 300 Prostituierte arbeiten, die meisten stammen aus Osteuropa. Das Seminar sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Rotlichtszene in Ulm immer selbstbewusster werde. Zwang ist aus Sicht von Graf bei den „Sexarbeiterinnen“, wie Rohr die Prostituierten nennt – allen Beteuerungen der Bordellbetreiber zum Trotz – meist dabei: Oft Zwang durch physische Gewalt und fast immer Zwang durch finanzielle Notlagen. Prinzipiell, so Graf, sei es zwar gut, wenn Bordellbetreiber über ein neues Gesetz informiert werden, das zum Schutz der Prostituierten konzipiert worden sei. Allerdings findet Graf es „äußerst fragwürdig“, wenn ein ehemaliger Akteur und somit Profiteur der Rotlichtszene in die
Beraterrolle schlüpft und vom Wohl der Sexarbeiterinnen spricht.
Darin sieht Rohr, der den Rechtsanwalt Michael Karthal an seiner Seite hat, freilich keinen Interessenkonflikt. Sein Ziel sei das Miteinander von Sexarbeiterinnen, Bordellbetreibern und Behörden. Ihm gehe es nur um transparente Wege durch den behördlichen Dschungel. Und der sei dicht: Nach dem neuen Gesetz müssen bestehende Betriebe bis spätestens Ende September eine Konzession beantragen. Entscheidende Kriterien
sind unter anderem die Zuverlässigkeit des Betreibers, ein schlüssiges Betriebskonzept und besondere bauliche Anforderungen an die Räumlichkeiten. Beispielsweise dürfen Prostituierte nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz auch wohnen. Weitere Anforderungen sind beispielsweise Notrufsysteme in den für die sexuellen Dienstleistungen genutzten Räumlichkeiten. Zudem kommen umfangreiche Dokumentationsund Buchhaltungspflichten hinzu. Fehler oder falsche Angaben zögen Bußgelder von bis zu 10000
Euro nach sich, so Rohr. Außerdem könne bei wiederholten Verstößen der Konzessionsentzug mit anschließender fünfjähriger Sperre drohen. Große Unsicherheit herrsche deshalb im Milieu. Rohr: „Leider ist in den meisten Kommunen immer noch nicht klar, welche Behörde für die vielfältigen Auflagen und Anforderungen überhaupt zuständig ist.“Dies festzulegen habe der Bund auf die Länder delegiert. Bis auf Nordrhein-Westfahlen fehlten aber noch die landesrechtlichen Vorgaben.