Eine Gefahr wie im Grenfell Tower
Rund 70 Menschen müssen ein Wuppertaler Hochhaus verlassen. Dessen Dämmung erinnert an die Brandruine von London. Viele Bewohner haben schon lange Bedenken
Sie haben Plastiktüten mit dabei und Katzenkörbe, andere tragen Reisetaschen, sie sehen irritiert aus, verärgert. Einige schütteln den Kopf, bevor sie in einen der Busse steigen. Innerhalb weniger Stunden müssen rund 70 Menschen ihre Wohnungen in einem Wuppertaler Hochhaus verlassen. Das Haus, in dem viele seit Jahren leben, ist über Nacht zu einem Risiko für sie geworden.
Denn die Fassadendämmung erinnert an den Londoner Grenfell Tower, in dem vor zwei Wochen mindestens 79 Menschen in einem verheerenden Flammeninferno ums Leben kamen. „Reine Vorsichtsmaßnahme“, betont die Stadt. „Unfassbar“, raunzt ein Mann, der beim Auszug aus seinen vier Wänden nur einen Koffer mitnehmen darf.
Die Katastrophe vom Grenfell Tower hatte nicht nur die britischen Behörden genauer auf die älteren Hochhäuser schauen lassen. Auch in Deutschland wurden die Fassadendämmungen untersucht – und in Wuppertal wurde erstmals entschieden, ein ganzes Hochhaus innerhalb von Stunden zu räumen. Etliche Be- wurden von der Entscheidung vollkommen überrumpelt, einige erfuhren davon auf dem Heimweg von der Arbeit. „Ich habe übers Radio gehört, dass wir raus müssen“, schimpft eine ältere Frau. „Da äußerten sich die ersten Experten schon im Fernsehen dazu und ich wusste nichts, das ist eine Sauerei.“ „Es ist eine einschneidende Maßnahme für die Menschen, die dort wohnen“, räumt Wuppertals Baudezernent Frank Meyer ein. „Das ist uns bewusst.“Aber nach dem Londoner Brand sei das Risiko auch im Wuppertaler Hochhaus neu bewertet worden.
Bei der Brandschau schlugen die Experten Alarm: Die Fassade bestehe aus brennbarem Isoliermaterial, es gebe eine Unterkonstruktion aus Holz, warnten sie. Außerdem seien die Flure des rund 50 Jahre alten Hauses zu eng und die Balkone zu kurz. Eine Brandmeldeanlage? Fehlanzeige. „Wenn unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, müssen die Menschen in Sicherheit gebracht werden“, erklärt Meyer.
Die Bewohner waren da, so scheint es, schon weiter. Sie haben nach eigenen Angaben wiederholt auf Brandschutzmängel hingewiesen. „Es ist immer wieder gesagt worden, es werde etwas unternommen“, sagt eine Bewohnerin des heruntergekommen wirkenden Wohnblocks, der wie ein elfstöckiger Leuchtturm aus dem Wohnquartier Hilgershöhe heraussticht. „Immer wurde etwas gesagt, nie wurde etwas gemacht. Beschissen ist das.“Wochenlang werden die Wuppertaler nicht in ihre Wohnungen zurückkehren können. Zunächst wird die Fassade entfernt, teilte die Stadt mit, auch wenn sich der Eigentümer des Hauses bislang weigere. Einen Zeitplan gibt es noch nicht. Wer nicht bei seinen Verwandten oder Freunden unterkommt, der wird von der Stadt in Ersatzwohnungen untergebracht, die für die hohe Zahl an Flüchtlinwohner gen in Wuppertal vorgesehen waren und leer stehen.
Den Londoner Hochhausbrand hatte vor zwei Wochen ein defekter Kühlschrank entfacht. Seitdem fallen britische Gebäude bei stichprobenartigen Brandschutztests reihenweise durch. Während in Großbritannien bei 600 Hochhäusern die Fassadenverkleidungen geprüft werden sollen, will Wuppertal etwa 70 weitere Gebäude testen. Man gehe aber nicht davon aus, dass sie ebenfalls evakuiert werden müssen. „Wir wissen bislang von keinem anderen Fall“, sagte eine Sprecherin des Bauministeriums von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.
Wenige Stunden nach der Evakuierung halten noch ein paar Beamte des Ordnungsamtes Wache am verlassenen Wuppertaler Hochhaus. Sie warten auf Bewohner, die möglicherweise noch in einer Spätschicht arbeiten und nicht wissen, dass sie die kommenden Nächte nicht zu Hause schlafen dürfen. Danach soll ein Siegel die Türe zum Haus verschließen. Ein Wachdienst werde auf die Habseligkeiten achten, versichert die Stadt.
Fast jedes dritte Kind in Deutschland (31 Prozent) fühlt sich von seinen Eltern nicht beachtet. Bei den Jugendlichen ist es jeder fünfte (17 Prozent). Insgesamt handele es sich um 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche, die zu wenig oder gar keine Aufmerksamkeit von ihren Eltern für sich verbuchten, heißt es in einer am Dienstag vorgestellten Studie der Universität Bielefeld. Befragt wurden für die Untersuchung 1083 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 16 Jahren in Berlin, Leipzig und Köln. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: ● 38 Prozent der Kinder, die sich nicht beachtet fühlten, gaben an, nicht regelmäßig von den Eltern nach ihrem Tag gefragt zu werden. ● 71 Prozent der unbeachteten Kinder glaubten zudem nicht, dass sich die Eltern gerne mit ihnen beschäftigen. ● Ein Fünftel der betroffenen Kinder zwischen sechs und elf Jahren fühlt sich bei seinen Eltern nicht geborgen, bei den Jugendlichen ist es fast die Hälfte (46 Prozent).
Studienleiter Holger Ziegler warnte vor den gravierenden Folgen von zu wenig Aufmerksamkeit für Kinder. Diese wiesen zum Beispiel große Defizite in ihrem Selbstbewusstsein auf. (epd)