Eine gefährliche Karriere
Die Trauer hielt sich in Grenzen, als Herzog Carl Alexander im Jahr 1737 starb. Er hatte nicht viele Freunde. Einer seiner wichtigsten Freunde und Berater überlebte ihn nicht lange. Er nahm noch im gleichen Jahr ein richterlich verordnetes gewaltsames Ende. Carl Alexander befand sich, kaum dass er sein Amt als Herr des Hauses Württemberg angetreten hatte, in einer misslichen Lage. Als bekennender Katholik stand er einem tra- ditionell protestantischen Ländle vor. Und dann war da noch dieser Jude. Joseph Süß ging beim Herzog fröhlich ein und aus, während sich die mit Ämtern versehenen Adeligen ordentlich anstellen mussten, wenn sie ihren Landesvater sprechen wollten. Die Lauscher an der Wand bekamen mit, wie sich Carl Alexander und Joseph Süß prächtig verstanden, als gäbe es keine Standesunterschiede mehr.
Die aber waren groß. Joseph Süß entstammte einer armen jüdischen Familie, die in Württemberg nur geduldet wurde und nicht einmal Wohnrecht hatte. Und so einer durfte sich nun im Stuttgarter Schloss fast wie zu Hause fühlen! Ein kometenhafter Aufstieg. Süß verdankte ihn seiner Tüchtigkeit im Umgang mit Geld. Als bescheidener Geldverleiher hatte er begonnen, als Finanzier des Herzogs und anderer bedürftiger Adeliger erreichte er den Höhepunkt seiner Karriere. Es war ein gefährlicher Höhepunkt. Denn ringsum lauerten die Neider, die es dem Juden schon zeigen würden, wenn Carl Alexander einmal seine schützende Hand nicht mehr über ihn hielt.
Als der Herzog (endlich) starb, war es so weit. Man beschloss, dem Juden Süß den Prozess zu machen. Aber wofür konnte man ihn belangen? Dass Carl Alexander ihn als herzöglichen Finanzberater den Herren von Stand vorgezogen hat, war nun mal nicht strafbar. Die Suche nach einer gerichtsverwertbaren Tat wurde ein überaus schwieriger Prozess. Es dauerte Monate, bis es gelang. Man entschied sich unter weitgehendem Verzicht auf Beweise für Hochverrat. Dann ging es schnell. Ein aus Frankreich importierter Henker waltete seines Amtes. Die Leiche des Erdrosselten wurde in Stuttgart monatelang in einem Käfig ausgestellt. Lion Feuchtwanger hat den Fall „Jud Süß“als Beispiel des weitverbreiteten Antisemitismus in einem historischen Roman aufgearbeitet. Veit Harlan hat daraus zur Nazi-Zeit einen abstoßenden Film gemacht.