„Ein großartiger Tag im Weißen Haus!“
In Washington geht es drunter und drüber. Donald Trump feuert einen Mitarbeiter nach dem anderen. Es sind Geschichten voll von Intrigen und Machtkämpfen. Nur der Präsident hat mal wieder seine ganz eigene Sicht der Dinge
Es kommt nicht besonders oft vor, dass eine Nachrichtensprecherin eine politische Meldung vorliest und die Kollegen im Fernsehstudio spontan in Gelächter ausbrechen. Katy Tur ist genau das passiert. Sie arbeitet für den amerikanischen Sender MSNBC und bekam live auf Sendung die Information, dass Donald Trump gerade mal wieder jemanden gefeuert hat. Die eigentliche Botschaft ist aber in ihrem Gesicht zu lesen. Ein ungläubiges Lächeln, ein leichtes Kopfschütteln, ein kurzes Zögern und die unausgesprochene Frage: Was um alles in der Welt ist denn da los im Weißen Haus?
In der an skurrilen Momenten nicht gerade armen Amtszeit des Präsidenten markieren die vergangenen zehn Tage einen neuen Tiefpunkt. Die amerikanischen Kabarettisten sind nicht zu beneiden: Keine Parodie kommt an das absurde Schauspiel heran, das sich gerade im realen Washington abspielt. Die Hauptrolle im jüngsten Akt über- nimmt ein Mann, den sie in Amerika „The Mooch“nennen – das lässt sich wahlweise mit Schmarotzer oder Speichellecker übersetzen. Sein richtiger Name ist Anthony Scaramucci. Er kommt von der Wall Street, trägt Brioni-Anzüge und teure Krawatten. Gegen den erbitterten Widerstand seiner eigenen Mitarbeiter macht Trump den Finanzhai und Talkshowmaster zu seinem Wunderwaffe, die sich dummerweise binnen kürzester Zeit als lose Kanone entpuppt, die kreuz und quer durch die Gegend ballert.
Im Gespräch mit einem Journalisten zieht „The Mooch“derart unflätig über Kollegen im Weißen Haus her, dass sich die Deutsche Presseagentur gar nicht erst traut, ihn wörtlich zu zitieren. Neben Trumps rechtspopulistischem Oberstrategen Stephen Bannon (Zitat Scaramucci: „Ich bin nicht Steve Bannon. Ich versuche nicht, meinen eigenen Schwanz zu lutschen.“) gerät vor allem Stabschef Reince Priebus in die Schusslinie. Als der neue Kommunikationschef ihn als „fucking paranoiden Schizophrenen“bezeichnet, ist klar, dass nur einer von beiden in Washington überleben wird. Kurze Zeit später ist Priebus weg. Und der nächste Akt ist eröffnet.
Darin sucht Trump jemanden, der endlich für Ordnung in seiner völlig aus dem Ruder gelaufenen Truppe sorgt. Und er findet ihn. John F. Kelly ist ehemaliger VierSterne-General der Marines. Ein knallharter Typ. Der Präsident liebt knallharte Typen. Kelly sei eine „fantastische Führungspersönlichkeit“, sagt Trump, als er seinen neuen Stabschef im Oval Office vorstellt. Er werde einen „spektakulären Job“machen. Zumindest damit sollte er recht behalten. Denn schon mit seiner ersten Amtshandlung bringt Kelly Nachrichtensprecherin Katy Tur und ihre Kollegen zum Machtkämpfe und Intrigen im Weißen Haus geht, werden wieder einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben: Die Realität ist momentan realitätsferner als jedes Drehbuch.
Scaramucci wird schnell zum Opfer seiner eigenen Großmäuligkeit. Das Internet ist der Tummelplatz der Schadenfrohen: Schauspielerin Kate Hudson präsentiert ein überarbeitetes Plakat ihres Kino-Hits „Wie werde ich ihn los in 10 Tagen?“– mit Trump und Scaramucci in den Hauptrollen. Ein anderer Twitter-Nutzer attestiert dem armen Kerl, der im Weißen Haus für die Namensschilder an den Bürotüren zuständig ist, erhöhte BurnoutGefahr. Und was macht Donald Trump? Der mächtigste Mann der Welt, der seine Mannschaft schon mal ernsthaft als „gut geölte Maschine“bezeichnet hat, verblüfft auch in diesem Moment mit einer ganz eigenen Sicht der Dinge. Als es Abend wird in Washington und sich die Aufregung langsam legt, zieht er Bilanz – und twittert: „Ein großartiger Tag im Weißen Haus!“