Joe unverzichtbar
Umso mehr sich deutsche AutoBosse wie VW-Chef Matthias Müller ein ums andere Mal vor der ganzen Welt blamieren, desto wichtiger wird Joe Kaeser. Der engagierte, weltgewandte Niederbayer hat Siemens zu einem wieder gewinnträchtigen und zugleich moralische Grundsätze befolgenden Konzern gemacht. Durch geschicktes Vorgehen ist es ihm zudem gelungen, sich als „Mister German Industrie 4.0“zu inszenieren.
Dieser Sinn für das Digitale macht den Siemens-Chef für Kanzlerin Angela Merkel zu einem wichtigen Gesprächspartner, wahrscheinlich ihrem einflussreichsten Ratgeber aus der deutschen Industrie. Dass Kaeser solche Weihen zuteilwurden, ist ein wenig verwunderlich. Denn der Manager wirkt mit seinen 60 Jahren nicht wie ein digitaler Hipster, selbst wenn er öfter ohne Krawatte bei offiziellen Terminen erscheint. Aber der Siemens-Mann hat eine besondere Gabe: Er gilt als Meister der Kommunikation und des Netzwerkens. Zudem kennt Kaeser Siemens und das globale IndustrieGeschäft wie wenige andere.
Das macht ihn weltweit zum interessanten Ansprechpartner für Politiker. Wie einst Siemens-Chef Heinrich von Pierer ist er zu einem industriellen Botschafter Deutschlands geworden. Dieser Joe überall oder Joe unverzichtbar hat aber eine ausgeprägte Schwäche: Er scheint kein Fan allzu starker Männer in seinem Dunstkreis zu sein. Hätte sonst der sehr kompetente SiemensVorstand Siegfried Russwurm, ein Industrie- und DigitalisierungsExperte, das Weite gesucht?
Bei Kaeser ist es wie bei vielen Wirtschaftsführern: Berauschen sie sich an sich selbst und verlieren die Erdung, ist das Scheitern nah. Noch hat der Bayer Bodenkontakt.