VW Skandal: Niedersachsen stürzt in die Krise
Die Kritik an der Verflechtung von Land und Konzern wächst. Ein Modell ohne Zukunft?
In Niedersachsen sind der Staat und der Autobauer Volkswagen eng verflochten. Die VW-Diesel-Affäre und ihre Auswirkungen stürzen jetzt die politische Ordnung des Bundeslandes in eine Krise. Auslöser ist, dass SPD-Ministerpräsident Stephan Weil eine Regierungserklärung zuerst VW zum Gegenlesen gegeben hat. Der CDUPolitiker Michael Fuchs fordert nun, dass Niedersachsen seine Beteiligung an VW aufgeben soll: „Der Staat sollte sich aus dem Autokonzern heraushalten“, sagte der stellvertretende Fraktionschef im Bundestag einem Bericht zufolge.
Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der VW-Stammaktien und ist damit der zweitgrößte Eigentümer. Und der Einfluss des Landes geht noch weiter. SPD-Ministerpräsident Weil und sein Wirtschaftsminister Olaf Lies sitzen im VW-Aufsichtsrat, dem obersten Kontrollgremium. Daneben sichert das VW-Gesetz dem Land ein VetoRecht bei wichtigen Entscheidungen. Es reicht zurück in die 60er Jahre. Damals wurde der nach dem Krieg erst von den Alliierten übernommene und später Bund und Land übertragene Konzern privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Dem VW-Gesetz zufolge sind mehr als 80 Prozent der Stimmen für wichtige Beschlüsse nötig. Bei anderen Aktiengesellschaften reicht eine 75-ProzentMehrheit. Das Land kann damit nicht übergangen werden – eine komfortable Position.
„Ich verstehe nicht, warum das Land Niedersachsen 20 Prozent an VW halten muss“, kritisiert CDUMann Fuchs. Bayern halte auch keine Anteile an BMW, Baden-Württemberg keine an Daimler. „Und beide Länder und Unternehmen fahren sicher nicht schlechter damit.“Unlängst sagte auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit unserer Zeitung: „Das VW-Gesetz ist Gift für VW, die Beteiligung des Landes ist Gift für VW.“So müssten Reformer immer gegen Stimmen ankämpfen, die nicht unternehmerisch, sondern standortbezogen denken. Für Niedersachsen ist VW enorm wichtig: Von den über 280 000 Konzern-Beschäftigten in Deutschland arbeiten rund 70 000 allein in Wolfsburg.
In Niedersachsen stehen nun Neuwahlen an, nachdem eine Abgeordnete der Grünen zur CDU gewechselt ist und die rot-grüne Landesregierung ihre Mehrheit verloren hat. Wahltermin soll der 15. Oktober sein – drei Wochen nach der Bundestagswahl. Stefan Stahl erklärt, warum VW ganz privatisiert gehört. Michael Stifter debattiert, ob eine Politikerin einfach die Fraktion wechseln darf. Dazu alle Neuigkeiten aus Niedersachsen. Im Kartellskandal drohen Autobauern hohe Strafen.