Finger weg!
Bibiana Steinhaus mag kein Gezupfe und Getätschle. Die erste Schiedsrichterin in der Geschichte der Fußball-Bundesliga will an ihren Leistungen gemessen werden – und nicht als Frau im Blickpunkt stehen. Doch das wird sie kaum verhindern können
Bibiana Steinhaus kommt als Letzte. An ihrer Trainingsjacke steht das Etikett ab. Ein Schiedsrichterkollege legt Hand an, stopft es in den Kragen. Steinhaus dreht sich um und hebt den Daumen.
Wer sie kennt, weiß: Die Reaktion war gespielt. Sie mag kein Gezupfe und Getätschle. Als der ehemalige Trainer des FC Bayern, Pep Guardiola, der Schiedsrichterassistentin Steinhaus am Spielfeldrand den Arm um die Schulter legte, hat sie ihn kühl abgestreift.
Steinhaus will im Dienst nicht charmiert werden. Sie ahnt, dass man ihr daraus eines Tages einen Strick drehen könnte. Spätestens dann, wenn Deutschlands beste Fußball-Schiedsrichterin einmal mit Entscheidungen danebenliegt. Wenn die Fan-Seele kocht und der Zeitungsboulevard sie in die Küche abkommandiert. „Ich will an meinen Leistungen gemessen werden und nicht als Frau im Blickpunkt stehen“, sagt sie nüchtern.
Darum: Finger weg! Oder hätte sich der junge Schiedsrichter auch am Etikett eines männlichen Kollegen zu schaffen gemacht?
Der Konferenzsaal im Hotel in Grassau am Chiemsee ist zu gut besucht, ist das kein Problem. Der Deutsche Fußball-Bund hat die Honorare seiner Referees zur kommenden Spielzeit noch einmal angehoben. Pro Einsatz gibt es künftig 5000 Euro statt bislang 3800. Dazu ein Grundgehalt, das für die sechs deutschen Fifa-Schiedsrichter 79000 Euro jährlich beträgt. Dafür leben und trainieren sie wie Profis.
Die Zeiten, in denen kurzatmige Schwergewichte Bundesligaspiele leiteten, sind lange vorbei. Schiedsrichter sind heute Leistungssportler. Sie laufen kaum weniger als die Spieler. Elf bis 13 Kilometer im Schnitt in ständigen Tempo- und Rhythmuswechseln. Dabei immer den Ball im Auge haben – und am besten noch alle 22 Akteure auf dem Platz. Könnte ja einer mal die Contenance verlieren oder auf andere dumme Ideen kommen.
Dann alles sehen müssen und richtig entscheiden. Ab dieser Saison unterstützt sie der Videoassistent. Er sitzt außerhalb des Stadions, verfolgt das Spiel aus verschiedensten Kamerapositionen und liefert über Funk Entscheidungshilfen. Lange Zeit haben sich die Schiedsrichter gegen diesen Videobeweis gewehrt, weil sie sich von ihm entmündigt fühlten. Inzwischen akzeptieren sie den elektronischen Kollegen.