Wir brauchen Autos und saubere Luft in unseren Städten
Kanzlerin Angela Merkel lädt heute zum Spitzentreffen. Fahrverbote müssen vermieden werden. Sie hätten fatale Folgen. Und fast jeder kann dazu beitragen
Wenn sich am Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin mit Bürgermeistern deutscher Städte trifft, dann geht es um eine entscheidende Frage: Wie kann die Luft in den deutschen Großstädten sauberer werden, ohne dass man Autofahrer aussperren muss?
Zuletzt hatten Verwaltungsgerichte in Städten wie Stuttgart und München wegen dauerhafter Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten Diesel-Fahrverbote gebilligt. Nun kann man von den EUGrenzwerten halten, was man will. Sie sind möglicherweise zu streng. Aber sie sind europaweit rechtsgültig und damit einklagbar.
Außer manchen Umweltaktivisten kann aber niemand Verbote wollen. Sie hätten fatale Folgen: Der Wertverfall älterer Selbstzünder käme für die Besitzer einer Enteignung gleich. Bewohner müssten ihre Diesel am urbanen Rand parken. Für Gäste verlöre die Stadt Attraktivität, was Gastronomie und Einzelhandel in Bedrängnis brächte. Wir brauchen also saubere Luft und Autos in unseren Städten.
Deshalb sollten die Großstädte nun mit deutscher Gründlichkeit daran gehen, die Grenzwerte für Stickoxid, Feinstaub und Kohlendioxid einzuhalten. Eine andere Wahl zur Vermeidung von Fahrverboten haben sie nicht. Nur glaubwürdiges Bemühen um saubere Luft wird Gerichte überzeugen, von Fahrverboten abzusehen. Und: Auch Städter haben ein Recht auf eine saubere, gesunde Umwelt.
Bei ihren Bemühungen brauchen die Bürgermeister aber massive Unterstützung. Die Herstellung gesunder urbaner Lebensverhältnisse ist auch die Aufgabe von Bund, Ländern sowie der Autoindustrie, die den Karren mit ihrem Abgasbetrug in den Dreck gefahren hat. Deswegen sind das Berliner Spitzentreffen und der im Oktober angesetzte Diesel-Gipfel so wichtig.
Die Route zur sauberen Großstadt ist längst vorgezeichnet und wird in Berlin bestätigt werden. Es braucht ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Es ist falsch, nur auf die Förderung von Elektro-Mobilität zu setzen. Auch emissionsarme Diesel und Benziner, Antriebe mit Erdgas oder Wasserstoff werden eine wichtige Rolle im VerkehrsMix der Zukunft spielen.
In der schwäbischen Bezirkshauptstadt Augsburg sind die Umrisse des Maßnahmenkatalogs bereits erkennbar: Im öffentlichen Nahverkehr fahren elektrische Straßenbahnen und Erdgas-Busse. Die Stadt bemüht sich, attraktiver für Fahrradfahrer zu werden, und versucht, Verkehrsströme um die Innenstadt herum zu leiten.
Auch Carsharing befindet sich im Aufbau, ist in Augsburg aber längst nicht so erfolgreich wie in Millionenstädten wie Hamburg und Berlin, wo private Anbieter flexible Angebote machen.
In allen großen Städten ist die Umrüstung des kommunalen Fuhrparks ein Thema. Geschätzt fahren weit über 100 000 städtische Fahrzeuge bundesweit mit AltDieseln. Auch der Austausch von Diesel-Taxis würde die Luft verbessern. Und zum MaßnahmenMix gehören optimierte Verkehrssteuerungen, die mehr flüssige grüne Wellen statt roter Stop-andgo-Routen ermöglichen.
Aber das alles kostet viel Geld. Bund, Länder und die Autoindustrie haben die Aufgabe, die Kommunen zu unterstützen. Sie sollten den Mobilitätsfonds aufstocken, der beim ersten Diesel-Gipfel beschlossen wurde. 500 Millionen Euro sind zu wenig. Saubere Luft in den Städten ist mehr wert.
Wer selbst dazu beitragen möchte, kann das übrigens auch kostenlos tun. Manchmal kann man in der Stadt das Auto stehen lassen. Es gibt Wege, die sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad möglich, wenn es die Gesundheit zulässt. Ebenfalls dazu: Gut, dass es bei der SPD noch Politiker wie Sigmar Gabriel gibt, die die Bodenhaftung noch nicht verloren haben, während Martin Schulz und seine Wahlkämpfer-Genossen noch in höheren Sphären schweben. Wenn der Kanzlerkandidat Schulz immer noch glaubt, er könne Kanzler werden (wobei ich nicht sagen will, dass er nicht geeignet wäre) und die SPD könne stärkste politische Kraft in Deutschland werden, dann frage ich mich schon, ob so ein Realitätsverweigerer überhaupt wählbar ist. Der Glaube, alle noch unentschlossenen Wahlberechtigten (fast 50%) würden sich am Wahltag der SPD zuwenden, ist wie das Pfeifen im Walde.
Und dass der Wahl-„Kampf“nur so dahindümpelt, das finde ich nicht schlimm. Schließlich haben die Wähler die ganze Wahlperiode über Zeit und Gelegenheit, die Politiker zu beobachten und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Lindenberg Zum Leitartikel von Markus Bär „Es ist an der Zeit, die Arche Noah zu bauen“(Meinung & Dialog) vom 1. September: Endlich schreibt Herr Bär, was Sache ist. Die Existenz der Erde ist gefährdet, das braucht man keinem mehr zu erklären. Die Weltbevölkerung wird ohne Wenn und Aber in den nächsten Jahrzehnten auf mehr wie acht Milliarden explodieren. Diese Schätzung ist wahrscheinlich noch untertrieben. Das ist der Hauptgrund für die Naturkatastrophen. Wir können uns auf den Kopf stellen, wir können alles Erdenkliche für das Klima tun. Die anderen holen das, was wir gutmachen (sollen), hundertfach wieder ein.
Augsburg Ebenfalls dazu: Vielen Dank für Ihren Kommentar, Herr Bär. Seit vielen Jahren vertrete ich Ihre Meinung, eine Arche zu bauen; dafür werde ich verurteilt. Inzwischen bin ich – im Gegensatz zu Ihnen – der Meinung, wir brauchen keine Arche. Im Gegenteil. Ich rufe dem geschändeten Planeten zu: Reinige dich von allem, was dich zerstört. Und hier steht an erster Stelle der Mensch heutiger Prägung. Der Mensch hat es in den letzten 300 Jahren mit „technischem Fortschritt“geschafft, dass der Planet auf eine Katastrophe zusteuert. Der Mensch ist zu keiner dauerhaften Nachhaltigkeit fähig, weil er extrem egoman und rücksichtslos ist. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt viele Menschen, die sind nicht so …, aber es sind leider nicht genug. Auch ich selbst zähle mich zu den Menschen, von denen sich der Planet befreien muss. Bobingen