Romantik, Renaissance – und ein Schuss Humor
Beim zweiten Konzertabend unter dem Titel „Nachtaktiv“gibt es drei Mal vollendeten Hörgenuss
Ein hochklassiges Festival der Alten Musik etabliert sich in Roggenburg: Im zweiten Jahr und jetzt unter dem Namen „Diademus“findet die erlesene Reihe – initiiert vom in Illertissen geborenen, weltweit renommierten Countertenor Benno Schachtner – ein begeistertes Publikum. Das Konzept des zweiten Abends der diesjährigen Reihe war ungewöhnlich, ging aber voll auf: Konzertgenuss der allerhöchsten Qualität an drei verschiedenen atmosphärischen Orten im Kloster Roggenburg. Drei Eintrittskarten für einen dreieinhalbstündigen Abend, drei ganz unterschiedliche Konzerte – aber drei Mal hochrangige Interpreten und vollendeter Hörgenuss: Der „Nachtaktiv“-Abend im Kloster Roggenburg einte Romantik, Renaissance und ein ganz besonderes Orgelkonzert, wobei jedes der drei jeweils knapp einstündigen Konzerte auch für sich alleine besucht werden konnte.
Mit seiner ungeheuren emotionalen und gestischen Wandlungsfähigkeit nahm der Münchner Tenor Werner Güra das Publikum im Bibliothekssaal vom Kloster Roggenburg mit in die Romantik. Güra, der an der Züricher Musikhochschule für Gesang unterrichtet und international vor allem als Liedinterpret gefeiert wird, wechselte in den 16 poetischen Liedern von Robert Schumanns Liederzyklus „Dichterliebe“(zu Gedichten aus Heinrich Heines „Lyrischem Intermezzo“) zwischen Verliebtheit, Zorn, Enttäuschung, Bitterkeit, Hoffnung und abgrundtiefem Schmerz und zeigte – mit Ioana Ilie am Flügel – sein enormes Einfühlungsvermögen für die Romantik. Dass vergessen worden war, den Flügel zu öffnen, minderte den Hörgenuss kaum – das Publikum konzentrierte sich stärker auf die Liedinterpretation; den wunderbar perlenden Klang von Ioana Ilies Spiel konnte es dann bei der Zugabe von Schuberts Vertonung von Johann Wolfgang von Goethes „An den Mond“genießen. „Bravo“-Rufe gab es bereits jetzt.
Im zweiten Teil wagte der herausragende und mit zahlreichen Preisen geehrte Schweizer Organist Rudolf Lutz an der großen Roggenburger Orgel eine auch für einen Dozenten für Improvisation extreme Herausforderung: Lutz, einer der renommiertesten Improvisatoren der Welt, ließ Zuhörer aus einer Lostrommel Titel von Liedern ziehen, die er dann in der vorher festgesetzten Folge historischer Stile improvisierte. Vom Kirchenlied über Oper und Volkslied bis zu den Beatles stand da eine bunte Vielfalt zur Auswahl. Jedes der kleinen Kunstwerke lebte auf diese Weise spontan und unwiederholbar nur für diesen einzigen Moment. Um höchste Improvisationskunst und Spielfreude mit einem derart unterhaltsamen musikalischen Schabernack zu verbinden, braucht es allerdings neben Kreativität profundeste stilistische und analytische Kenntnisse historischer Aufführungspraxis – und den riesigen Mut, sich auf verrückteste Kombinationen einzulassen, die durch dieses Zufallsprinzip entstehen können. Und sie entstanden!
Ein klassisches Orgelvorspiel im Stile Bachs auf „Kommt ein Vogel geflogen“, die „Marseillaise“, die französische Nationalhymne, als Fuge gestaltet und eine Sonatine auf die Melodie von Freddy Quinns Seemannslied „Junge, komm bald wieder“– das Publikum jubelte vor Begeisterung. Seinen Humor bewies Lutz, als eine der beiden in der Roggenburger Klosterkirche anwesenden Rettungshelferinnen ausgerechnet Mozarts „Kleine Nachtmusik“für den geplanten Trauermarsch zog: Lutz variierte die bekannte Tonfolge der Kleinen Nachtmusik mit dem cis-gis-Wechsel der Schweizer Feuerwehr. Mozarts legendärem Humor hätten diese musikalischen Spiele gewiss gefallen! Am Ende swingte der Fuchs, der die Gans gestohlen hat, durch Bachs Toccata und Fuge in d-Moll, und nach den stehenden Ovationen des Publikums intonierte Rudolf Lutz auf der großen Roggenburgerin noch einen Appenzeller Naturjodler, bei dem er selbst seine Stimme erklingen ließ.
Im Refektorium des Klosters schließlich faszinierte der international gefragte Countertenor Benno Schachtner, der seine Gesangslaufbahn bei den „Ulmer Spatzen“begann, mit Musik aus der Liedkunst der Renaissance. Festival-Intendant und gefeierter Sänger in Personalunion, der zudem die brandneue, in Kloster Roggenburg aufgenommene CD „Clear and Cloudy“präsentierte: Das klappt, wenn man getragen von der Begeisterung des Publikums so euphorisch ist wie Schachtner es am Konzertende war.
Henry Purcell, Tobias Hume und John Dowland – wunderschöne Liebeslieder, weltlich und geistlich, erklangen da in der englischen Sprache der Renaissance und begleitet von Laute (Axel Wolf), Gambe (Jakob David Rattinger) und Andreas Küppers (Cembalo). Zwei Zugaben musste Benno Schachtner zu später Stunde geben, darunter John Dowlands „Now, o now I needs must part“. Ganz verabschieden muss sich das Publikum von „Diademus“aber noch nicht – am Samstag, 9. September, gibt es in der Klosterkirche das Abschlusskonzert. Einen Einblick in die Kulturlandschaft Schwäbische Alb bietet eine vom Regierungspräsidium Tübingen erstellte Ausstellung mit Fotografien von Günther Bayerl, die derzeit in der Glaspyramide der Ulmer Stadtbibliothek zu sehen ist. Der 1983 in Aalen geborene und mittlerweile in Neu-Ulm ansässige Bayerl zeigt in seinen Aufnahmen, wie vielseitig die Alb ist: von der Stephanus-Kirche in Gruorn bis zum Schloss Sigmaringen, vom Hohlenstein-Stadel im Lonetal bis zur Heuneburg bei Herbertingen, vom Bad Uracher Wasserfall bis zum Blautopf. Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien entstanden für den Bildband „Spuren lesen auf der Schwäbischen Alb – Eine fotografische Zeitreise mit kulturhistorischen Einblicken“. (az) Das Museum der Brotkultur lädt am Mittwoch, 6. September, um 12 Uhr wieder zum monatlichen Kunstschmaus ein. Dieser widmet sich dem Thema „Erde“– passend zur aktuellen Sonderausstellung im Haus. Die Betrachtung ausgewählter Kunstwerke soll den Besuchern überraschende Perspektiven auf das Thema bieten: Gezeigt werden Arbeiten von Hermann de Vries, Erich Heckel und Mathias Waske. Die Führung mit Sabine Wunderlich dauert etwa 45 Minuten. Nach der Betrachtung der Kunstwerke gibt es für die Besucher einen kleinen Imbiss mit Früchten der Erde. (az) O
Anmeldung erforderlich unter Telefon 0731/699 55 oder per E Mail an info@museum brotkultur.de Im Rahmen einer Konzerttournee gastiert am Mittwoch, 6. September, 20 Uhr, das Collegium Instrumentale aus Stuttgart im Vöhringer Wolfgang-Eychmüller-Haus. Zu hören sind an diesem Abend Sopran-Arien aus Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“sowie das Violinkonzert A-Dur vom Wolfgang Amadeus Mozart. Solisten sind die Zürcher Sopranistin Sara-Bigna Janett und Geiger Lukas Stepp. Den Abschluss bildet Beethovens Sinfonie Nr. 7 A-Dur. Am Pult steht Kirchenmusikdirektor Albrecht Schmid, den man in der Region auch als Kantor in Wiblingen und künstlerischen Leiter der dortigen Bachtage kennt. (ub)