Ankara glaubt nicht an Ende der EU Beitrittsgespräche
Die türkische Regierung gibt sich nach dem deutschen TV-Duell gelassen und feiert ihr Land als „europäische Demokratie“
Die türkische Regierung zeigt sich unbeeindruckt von der Ankündigung Deutschlands, sich für ein Ende der EU-Beitrittsgespräche einsetzen zu wollen. Europaminister Ömer Celik erklärte am Montag, das Problem liege nicht bei der Türkei, sondern bei Deutschland und der EU. Celik betonte, sein Land werde seinen Weg als „europäische Demokratie“weitergehen. Eine unmittelbare Gefahr eines Abbruchs der türkischen EU-Verhandlungen sieht Ankara offenbar nicht. Vielmehr stuft Ankara die Drohung mit einem Stopp des Beitrittsprozesses als Wahlkampfparole ein. Gleichzeitig entließen die türkischen Behörden in Antalya eine festgenommene Bundesbürgerin aus der Polizeihaft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Martin Schulz hatten bei ihrem einzigen TV-Duell vor der Bundestagswahl übereinstimmend für einen Abbruch der Türkei-Gespräche mit der EU plädiert. Die türkischen Reaktionen darauf fielen zwar scharf aus, gingen jedoch nicht über das seit Monaten übliche Maß der Rhetorik hinaus. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, er hoffe auf eine Umkehr in der deutschen Politik. Auch der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, betonte mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September, er hoffe auf ein baldiges Ende der „problematischen Atmosphäre“im bilateralen Verhältnis.
Die Kritik der deutschen Politiker an der Türkei und an Erdogan zeige, wie sehr sich Europas Horizont immer weiter verenge, erklärte Kalin auf Twitter. Celik schrieb in dem Kurznachrichtendienst, Deutschland sehe die EU-Institutionen als Instrumente der eigenen Politik und wolle der EU „Befehle“erteilen.
Merkel will im Oktober in der EU über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sprechen, der von allen EU-Staaten einstimmig beschlossen werden muss. Derzeit ist offen, ob die Einstimmigkeit erreichbar wäre. Einige EU-Mitglieder, wie etwa Griechenland, wollen die Türkei mithilfe des Beitrittsprozesses möglichst eng an Europa anbinden. Dennoch könnte Merkels Äußerung bedeuten, dass ein Rubikon im türkischeuropäischen Verhältnis überschritten sei, kommentierte der amerikanische Türkei-Experte Howard Eissenstat auf Twitter. „Es gibt kein Zurück.“
In der Türkei kritisierte die regierungsnahe Presse die Warnung Merkels vor einem Stopp der Beitrittsverhandlungen als „Frechheit“. Deutsche Politiker wollten sich gegenseitig in Sachen TürkeiFeindlichkeit überbieten, hieß es in den Zeitungen. Die Türkei sieht sich als Opfer eines rechtspopulistischen Trends in ganz Europa und weist die Kritik am Abbau rechtsstaatlicher Errungenschaften im Zuge der Verfolgung mutmaßlicher Staatsfeinde seit dem Putschversuch vom Juli 2016 zurück. Europaminister Celik betonte, wenn es den Europäern mit den Sorgen um den türkischen Rechtsstaat ernst sei, dann hätte Brüssel längst, wie von der Türkei gefordert, die Gespräche über diesen Teil der Beitrittsverhandlungen eröffnen können. Doch das sei nicht geschehen.
Erdogan hatte in den vergangenen Monaten mehrmals betont, die Europäer sollten klipp und klar sagen, wenn sie die Gespräche mit der Türkei stoppen wollten. Kritiker des Präsidenten vermuten, dass Erdogan die EU dazu bringen will, den