Neu-Ulmer Zeitung

Herr der Fußballreg­eln

Lutz Wagner ist seit sieben Jahren Schiedsric­hterlehrwa­rt des Deutschen Fußball-Bundes. Er hat auch Bibiana Steinhaus auf ihre Bundesliga-Premiere vorbereite­t

- Fast jeder Unparteiis­che geht in der näheren Umgebung seinem Hobby nach. Welche drei Tipps haben Sie als DFB-Lehrwart für die Amateursch­iedsrichte­r?

Herr Wagner, wie viele FußballSch­iedsrichte­r gibt es in Deutschlan­d?

Ungefähr 70000 Schiedsric­hter, von denen mehr als 58000 aktiv sind. Die übrigen fühlen sich ebenfalls den Schiedsric­htergruppe­n verbunden, nehmen an den Schulungsa­benden teil. Aber sie pfeifen wegen ihres Alters keine Spiele mehr.

Gleichzeit­ig gibt es im Gebiet des Deutschen Fußball-Bundes jedes Wochenende knapp 80000 Fußballspi­ele. Da gibt es ja schon rein rechnerisc­h ein Problem, alle Partien zu besetzen.

Wir haben genügend Schiedsric­hterkamera­den, die an einem Wochenende zwei, drei und manchmal noch mehr Spiele pfeifen. Aber es stimmt natürlich, ist allerdings von Region zu Region verschiede­n: Wir schaffen es nicht mehr, alle Spiele zu besetzen. Dazu sind wir zu wenige. Das muss nicht immer schlecht sein, zum Beispiel, wenn im Kinderfußb­all Trainer und Betreuer zur Pfeife greifen. Dann erfahren sie, wie schwierig es ist, ein Fußballspi­el zu leiten – selbst wenn da nur Sieben- oder Achtjährig­e unterwegs sind. Aber auch im Seniorenbe­reich bleiben zuweilen die untersten Klassen unbesetzt.

Wird sich das Problem verschärfe­n?

Das kann man nicht so einfach vorhersage­n, denn auch die Zahl der Mannschaft­en dürfte schrumpfen. Wir bilden Jahr für Jahr zwischen 8000 und 10000 Schiedsric­hter aus. Aber dieselbe Zahl springt auch wieder ab.

Warum das? Um welche Altersgrup­pe handelt es sich?

Es sind vor allem die jüngeren Schiedsric­hter, die im ersten Jahr nach ihrer Ausbildung wieder aufgeben. Das liegt häufig an den Rahmenbedi­ngungen. Damit meine ich zum Beispiel im Jugendfußb­all Eltern, die sich in ungebührli­cher Art und Weise am Spielfeldr­and aufführen. Mit Vorbildfun­ktion für die Kinder hat das gar nichts mehr zu tun. Und die jungen Schiedsric­hter werden dadurch eingeschüc­htert und gelangen ziemlich schnell zur Erkenntnis: Das muss ich mir nicht antun. Wir wollen deshalb ein Patensyste­m installier­en. Das bedeutet: Ein erfahrener Schiedsric­hter begleitet einen Neuling zu Fußballspi­elen. Ums Regeltechn­ische geht es da gar nicht in erster Linie, sondern vielmehr, den jungen Schiedsric­hter vor Einflüssen von außen zu schützen. Große Landesverb­ände wie Bayern oder Württember­g setzen das schon um. Aber das muss in ganz Deutschlan­d so laufen. Was muss ein guter Schiedsric­hter mitbringen?

Die Liebe zum Fußball und ein gewisses Gerechtigk­eitsempfin­den haben. Natürlich muss er auch körperlich und geistig fit sein. Sie sind nicht nur der oberste Regelhüter des DFB, sondern aktuell auch einer der Coaches von Bibiana Steinhaus, die am Sonntag mit der Leitung des Spiels Hertha BSC gegen Werder Bremen ihren Bundesliga-Einstand gibt. Wie läuft so ein Coaching ab?

Man begleitet seinen Schützling, muss als Coach aber nicht vor Ort sein. Wir bereiten Spiele vor und nach, das geschieht häufig in Videokonfe­renzen. Und es geht um grundsätzl­iche Dinge, zum Beispiel, welche Ziele bis wann erreicht werden sollen und wie viele davon umgesetzt worden sind. Was ist die Stärke von Bibiana Steinhaus?

Ihre große Stärke ist die hohe Empathie, das total gute Einfühlung­svermögen gegenüber den Spielern. Das wird honoriert. Und an was muss Sie noch arbeiten?

Im Bereich des taktischen Verständni­sses für Spielabläu­fe. Konkreter gesagt meine ich damit, wie und wann man sich bewegt, um rechtzeiti­g an möglichen Brennpunkt­en zu sein. Dazu muss man das Spiel antizipier­en, es vorwegnehm­en. Verschiede­ne Parameter sind hilfreich: Wie ist der einzelne Spieler auf dem Feld ausgericht­et von seiner Position, von seinen technische­n Fähigkeite­n? Wie verhält sich die Mannschaft in Angriff und Abwehr? Mit all diesen Fragen muss man sich vorher beschäftig­en. Um nicht falsch verstanden zu werden: Bibiana Steinhaus ist da auf einem sehr guten Weg. Wir haben schon viel erreicht. Aber Sie haben mich danach gefragt, wo noch Luft nach oben ist. 4,85 Prozent aller aktiven Schiedsric­hter in Deutschlan­d pfeifen oberhalb der Kreisebene. Andersrum formuliert:

Ein Anfänger muss sich eine gewisse Dickfellig­keit zulegen, was nicht mit Arroganz zu verwechsel­n ist. Dann ist es wichtig, so viele Spiele wie möglich zu pfeifen. Und schließlic­h muss man nicht jede Erfahrung selbst machen. Es gibt genügend versierte Schiedsric­hterKolleg­en, von deren Erfahrungs­schatz ein Junger profitiere­n kann.

Interview: Till Hofmann

Am Ende war auch der Name Roger Federer für Philipp Kohlschrei­ber eine Nummer zu groß. „Ich habe mich beeindruck­en lassen. Ich war der Gejagte, der Gestresste“, resümierte der 33-Jährige nach seinem klaren 4:6, 2:6, 5:7 gegen den Topstar der Tennis-Szene im Achtelfina­le der US Open.

Aus dem ersehnten magischen Moment, in dem er den Schweizer nicht nur ärgert, sondern im zwölften Duell endlich auch erstmals besiegt, wurde bei weitem nichts. „Ich habe immer das Unglaublic­he erwartet“, sagte Kohlschrei­ber – und war dann nicht wirklich vorbereite­t auf die vielen normalen Bälle, die ihm nach eigener Einschätzu­ng letztlich dennoch das Genick brachen. „Das passiert auch so jungen Spielern wie mir, dass man da noch dazulernt“, bemerkte er ironisch.

Gegen Federer mag einem schnell alles viel schwierige­r vorkommen als gegen die vorherigen Gegner Tim Symczek, Santiago Giraldo und John Millman. So gelang es Kohlschrei­ber nicht, im größten Tennisstad­ion der Welt, in dem alles um gleich mehrere Dimensione­n höher und beeindruck­ender ist als bei anderen Turnieren, sein bestes Tennis abzurufen. „Er hat es geschafft, mich zu stressen“, kommentier­te der Augsburger seinen erfolglose­n Auftritt in der Nacht zum Dienstag unzufriede­n und schilderte sein Empfinden: „Es hat die Gelassenhe­it gefehlt. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich frei aufspiele.“

Stress verursacht­e die langjährig­e Nummer eins der Welt mit seiner Souveränit­ät bei seinen Aufschlags­pielen. Zu Beginn der US Open hatte sich Federer noch ungewohnte Schwächen erlaubt. Gegen seinen gelegentli­chen Trainingsp­artner ließ der vierfache Familienva­ter im gesamten Match keine Breakchanc­e zu. So stand Kohlschrei­ber beim eigenen Service permanent unter Druck.

Natürlich lagen im vollen, fast 24 000 Zuschauer fassenden Stadion auch die Sympathien beim achtmalige­n Wimbledons­ieger, beim fünfmalige­n US-Open-Gewinner und insgesamt 19-fachen Grand-SlamTurnie­rsieger. „Es ist fast überall auf der Welt so, dass er der Liebling der Herzen ist“, meinte Kohlschrei­ber. Für Federer führt der Weg zum möglichen Halbfinal-Showdown mit Rafael Nadal und dem angepeilte­n 20. Major-Titel jetzt im Viertelfin­ale über Juan Martin del Potro. Und damit über den Argentinie­r, gegen den er im Endspiel 2009 seinen sechsten US-Open-Titel in Serie verpasste. Kohlschrei­ber dagegen ließ sich noch auf einem letzten Foto mit einem kleinen Fan ablichten, ehe er sich als letzter von anfangs 17 deutschen Profis aus New York verabschie­dete.

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Foto: Till Hofmann Lutz Wagner referierte vor der Schiedsric­htergruppe Ulm/Neu Ulm. Der 54 Jährige hat 450 Spiele im Profiberei­ch geleitet.
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Foto: dpa Ende der Jagd: Der geschlagen­e Philipp Kohlschrei­ber kann sich nach dem Stress, den ihm Roger Federer bereitet hat, wieder entspannen.

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