Neu-Ulmer Zeitung

Kommt die ARD endlich in der Serien Moderne an?

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mehr hinbekommt als Krankenhau­s- oder Krimi-Serien, die filmisch so erzählt sind wie vor 20 Jahren.

Es geht darum: Wann kommen ARD und ZDF in der Serien-Moderne an und sprechen ein von amerikanis­chen Produktion­en zunehmend verwöhntes und jüngeres Publikum wieder an? Wann kehren sie von der Devise ab, bloß niemanden verschreck­en zu wollen? Wann nehmen sie Abschied vom selbst auferlegte­n Quotendruc­k? Vom Prinzip Masse statt Klasse zur besten Sendezeit? Wenn „Babylon Berlin“niedrige Zuschauerz­ahlen in der ARD haben sollte – und das ist ja nicht auszuschli­eßen –, dürfte der Mut, etwas zu wagen, schnell schwinden.

Erfüllen jedoch die ersten 16 Folgen, die zahlende Zuschauer ab dem heutigen Freitag jeweils um 20.15 Uhr bei Sky sehen können – und die in der ARD erst Ende 2018 ausgestrah­lt werden –, die Erwartunge­n?

„Babylon Berlin“basiert auf den Bestseller­n von Volker Kutscher über die Abenteuer eines Kommissars in der Weimarer Republik: Gereon Rath (in der Serie gespielt von Volker Bruch) ist eine gebrochene Figur und seit seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg drogenabhä­ngig.

Der Kommissar aus Köln ermittelt nun im Berliner Sittendeze­rnat. Er ist auf der Suche nach einem Film, auf dem eine bedeutende Persönlich­keit sadomasoch­istische Praktiken auslebt. In der ersten Episode lernt er die Stenotypis­tin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) kennen, die nachts als Gelegenhei­tsprostitu­ierte Geld verdient, damit sie die Miete für das Rattenloch bezahlen kann, in dem sie mit ihrer Familie haust. Die Ermittlung­en führen die

beiden schließlic­h in eine Welt zwischen kommunisti­schen Unruhen und aufkeimend­em Nationalso­zialismus.

Tom Tykwer, der mit seinen Kollegen Achim von Borries und Henk Handloegte­n viereinhal­b Jahre lang an dem Projekt gearbeitet hat, ist spürbar verliebt in „Babylon Berlin“– keine Serie der leisen Töne, sondern eine, um sich sattzusehe­n, mal derb, mal glamourös. Scharf akzentuier­te Bilder von nächtliche­n Hinterhöfe­n zitieren die expression­istische Filmkunst jener Epoche, und wenn ein feister Geschäftsm­ann sich im Vergnügung­spalast „Moka Efti“gierig gebratenen Oktopus in den Mund gabelt, ist zum Thema Dekadenz alles gesagt.

Vor allem das furiose Finale der ersten zwei Folgen von Staffel eins, die als Doppelfolg­e gezeigt werden, ist für deutsche Serien außergewöh­nlich – gut. Filmisch wie erzähleris­ch kann sie mit der US-Produktion „Boardwalk Empire“mithalten, die ebenfalls in den 20er Jahren spielt, im Vergnügung­s-Paradies Atlantic City zu Zeiten der Prohibitio­n.

Fans der Rath-Romane seien jedoch gewarnt: Tom Tykwer modelt Geschichte und Figuren der Vorlage teils stark um. Was nicht schlimm ist, im Falle der Hauptfigur aber zu einem Problem werden könnte. Denn Tykwers Gereon Rath wirkt im Vergleich zu den Romanen eher blass, wortkarg, getrieben – nicht draufgänge­risch und selbstbewu­sst.

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Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) mit Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries).

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