Wenn die Insekten sterben, kann uns das nicht egal sein
Um den gefährlichen Trend zu stoppen, brauchen wir eine andere Landwirtschaft. Die Verantwortung dafür liegt aber nicht nur bei den Bauern
Eine Hummel muss alle 40 Minuten etwas fressen, sonst verhungert sie. Dafür interessieren sich Insektenforscher.
So gut wie alle großen Tomatenzuchtbetriebe der Welt lassen ihre Pflanzen von gezüchteten Hummelvölkern bestäuben. Bevor die Hummelzucht gelang, war die Bestäubung meist Handarbeit – und entsprechend teurer. Dafür interessieren sich Unternehmer.
Geschätzte 150 Milliarden Euro ist die Arbeit aller bestäubenden Insekten für die Landwirtschaft weltweit wert – tendenziell sogar eher mehr, da dieser Wert eines internationalen Forscherteams schon aus dem Jahr 2005 stammt. Ohne Insekten würde die Produktion der meisten Obst- und Gemüsesorten einbrechen. Unser Essen würde viel teurer. Gar nicht berücksichtigt ist bei dieser Rechnung die Rolle der Insekten als Schädlingsvertilger und Futterquelle für andere Tierarten wie Vögel, Frösche, Eidechsen oder Säugetiere. Ohne Insekten geht’s dem Menschen schlecht. Dafür sollten wir alle uns interessieren.
Für Experten waren die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Studie zum Verschwinden der Insekten in Deutschland wenig überraschend. Schon seit Jahren warnen sie vor dieser Entwicklung. Das große Sterben in der Tier- und Pflanzenwelt ist längst nicht nur auf Insekten beschränkt. Jeden Tag verschwinden bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten von der Erde. Die Lage ist dramatisch. Die Reaktion der Weltgemeinschaft schwankt zwischen Lippenbekenntnissen und echtem Bemühen, allein: Die Ergebnisse sind mager.
Die jüngste Veröffentlichung hat in der breiten deutschen Öffentlichkeit deshalb so große Wirkung gezeigt, weil bei vielen Menschen das Gefühl gewachsen ist, dass wir unsere Wirtschaftsweise so auf Dauer nicht aufrechterhalten können. Dass genau jetzt in Brüssel das Endspiel über die weitere Zulassung des höchst umstrittenen Pflanzengifts Glyphosat läuft, passt in dieses Bild. Und es führt uns – im wahrsten Sinne des Wortes – auf das richtige Feld. Über die Hälfte der Landesfläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. In Bayern ist es mit rund 47 Prozent nur unwesentlich weniger. Das heißt zweierlei: Die Landwirtschaft ist sicher nicht allein dafür verantwortlich, wie es um unsere Umwelt steht. Aber ohne die Landwirtschaft ist keine Besserung der Lage möglich. Leider dreht sich die Debatte darüber seit Jahren im Kreis.
Landwirte sind Unternehmer, die unsere Lebensmittel in einem harten Wettbewerb produzieren und mit vielen unvorhersehbaren Störfaktoren klarkommen müssen. Das oft eher romantische Bild, das die Verbraucher von der Landwirtschaft haben, hat sich längst entkoppelt von dieser Realität. Mit der Folge, dass die Verbraucher zwar hohe Ansprüche an die Landwirtschaft stellen – wenn es aber darum geht, diese in persönliche Kaufentscheidungen umzusetzen, es lieber doch nicht so genau wissen wollen, wie das Schnitzel erzeugt wurde.
Der Bauernverband dagegen hofft, wenn man die Augen nur fest genug zudrückt, könnte man immer so weitermachen wie bisher. Mittelfristig schadet diese Haltung vor allem den kleineren und familiär geführten Betrieben, die zu Recht darauf hinweisen, dass ihr Land die Lebensgrundlage ihrer Betriebe ist, die sie unversehrt an ihre Nachfolger weiterreichen möchten.
Die Lösung liegt wohl, wie so oft, beim Geld. Kein anderer Wirtschaftsbereich lebt so stark von Steuergeld. Die Bauern müssen nach draußen gehen und erklären, wie sie arbeiten. Die Politik muss die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Landwirtschaft nachhaltiger wirtschaften kann und muss. Und wir alle müssen bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen. Zum Kommentar „Dem Kunden ist die Form egal“(Wirtschaft) von Christina Heller am 19. Oktober: Das halte ich aus drei Gründen für falsch: 1. „Das Auge isst mit.“Das ist nicht nur ein ästhetischer Anspruch, sondern auch einer auf die Form überhaupt. 2. Menschen wollen Marken. Und die erkennen sie nicht nur an Logos, sondern auch am Corporate Design. Wahrscheinlich beeinflusst das Markenbewusstsein sogar das Geschmackserleben. 3. Die psychologische Wirkung der gewohnten Anmutung von Klassikern geht über Kauf und Konsum hinaus. Über ein bestimmtes Aussehen wird durch Erkennbarkeit Identität hergestellt, wird Beständigkeit vermittelt, werden Kindheitserinnerungen transportiert. Das ist in einer immer vielgestaltigeren und unübersichtlicheren Welt extrem wichtig.
Augsburg Zu „Faszinierend, dieser Mensch“(Die Dritte Seite) vom 21. Oktober: Herr Professor Dietl gibt an, dass der Sinn des „Haaresträubens“bei Ekel bisher unbekannt sei. Ich glaube, dass man in diesem Zusammenhang den Begriff „Ekel“erweitern muss um Abwehr, Furcht, Panik etc. Dann ergibt sich nämlich durchaus evolutionsbiologisch betrachtet ein Sinn: Im Angesicht einer potenziellen Gefahr, etwa eines Fressfeindes oder eines Rivalen, ist dies der Versuch eines sog. „Imponierverhaltens“, d. h. eines „Sich-größer-machen-Wollens“, um den Feind vom Angriff abzuhalten und evtl. ganz zu verjagen (analog der hochstehenden Nackenhaare eines knurrenden Hundes).
Landsberg