„Ich fühle mich wie im Zoo“, sagt sie
Mai letzten Jahres dann Leopold. Im Mauermuseum sind die Kinder keine Unbekannten mehr. Hildebrandt sagt, die Zwillinge habe sie in den ersten drei Jahren häufiger ins Büro mitgebracht. Zu Hause wurden sie abwechselnd von Patentanten aus Polen oder der Ukraine betreut.
Damals, vor vier Jahren, als sie mit den Zwillingen schwanger war, reagierte ihr Umfeld überrascht, einige waren auch schockiert. War sie mit 54 nicht schon aus dem gebärfähigen Alter heraus? Wer war der Vater? Andererseits aber passte der späte Nachwuchs gut in das Bild, das viele von ihr haben. Alexandra Hildebrandt ist immer für eine Überraschung gut. Unberechenbar, so würden es ihre Kritiker formulieren. Die Frau des verstorbenen Museumsgründers gilt als kompromisslos und streitbar. In der Politik erinnert man sich noch mit Schrecken an die 1065 Holzkreuze, die sie 2004 am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie installieren ließ, um den Senat daran zu erinnern, dass es in Berlin immer noch kein Mahnmal für die Mauer-Toten gibt. „Kreuzritterin“oder „fragwürdige Krawallschachtel“, so haben Zeitungen sie genannt. Das Berliner Stadtmagazin Tip wählte sie auf Platz eins der Liste der peinlichsten Berliner.
Hildebrandts Privatleben interessierte damals keinen. Viele fragten sich, ob sie nach dem Tod ihres Mannes überhaupt noch eines hatte. Da es doch regelmäßig vorkam, dass sie bis Mitternacht in ihrem Büro saß und die Alarmanlage auslöste, weil der Wachdienst sie aus Versehen eingeschlossen hatte.
Sie lächelt müde, wenn sie von dieser Zeit erzählt. Man trifft sie im Café ihres Museums. Es ist das wohl beliebteste Museum in Berlin, nach dem Pergamonmuseum: 850 000 Besucher im Jahr. Ein Betrieb, der ohne staatliche Subventionen auskommt. Das sagt sie stolz.
Ihr erster Mann hat es gegründet. Es ist sein Lebenswerk. Als er 2004 starb, setzte sie es fort. Sie ist jetzt die Chefin. Eine, die das Haus mit immer neuen Ideen füllt. Aber auch eine, die an vielen Fronten kämpft, um Fördergelder und um Unterstützung in der Politik. Sie regiere mit eisernem Besen, erzählen ehemalige Mitarbeiter. Wer nicht spure, fliege raus. Prozesse um Kündigungen füllen ganze Aktenordner.
Ihr Job ist ein Fulltime-Job, nein, eigentlich zwei. Wie, so fragen sich einige, schafft sie es da, noch einen Haufen kleiner Kinder aufzuziehen? Späte Mütter liegen zwar im Trend. Gianna Nannini bekam ihr erstes Kind mit 54, Janet Jackson mit 50. Auch Ute Lemper oder die Modera- torin Caroline Beil haben es gewagt. Doch so viele Kinder wie Hildebrandt hat keine von ihnen. Man ist geneigt, von einem Wunder zu sprechen. Reproduktionsmediziner sagen, dass es ab dem 50. Lebensjahr so gut wie ausgeschlossen ist, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 1:10000. Fünf Treffer nacheinander? Es ist ein Rätsel.
Auch ihre Großmutter habe im Alter von knapp 60 Jahren ihr letztes Baby bekommen, sagt Hildebrandt. Und sie bleibt dabei. Die Kinder seien alle auf natürlichem Wege entstanden, sagt sie. Keine Eizellenspende. Kein Spendersamen. Nicht mal Hormone. Sie schaut einen ausdruckslos an, wenn man sie auf die Statistik der Mediziner anspricht. Vielleicht hat sie aber auch ihr Pokerface aufgesetzt. Bei ihr weiß man das nie so genau.
Sie hat keine Sekunde gezögert, als man sie um ein Interview gebeten hat. Sie sagt, bevor ihr noch andere Blätter erfundene O-Töne in den Mund legen, wolle sie lieber selber reden. Man darf sich Alexandra Hildebrandt als eine Frau vorstellen, die gerne die Kontrolle behält.
Wie ein Tier im Zoo, so werde sie dargestellt. Dabei, sagt sie, würden ihre Kinder genauso aufwachsen wie andere. Ein Alltag in der Kita bis 17 Uhr, Toben im Garten und dann eine Gute-Nacht-Geschichte. Die lese sie ihnen immer selber vor. Heute das Märchen von Nils Holgersson, morgen Tolstoi. So kennt sie es aus ihrer Kindheit in Kiew. Der Vater war Ingenieur, die Mutter Kinderärztin. Sie sagt, sie und ihre Schwester seien arm, aber behütet aufgewachsen. „Wir hatten fast nur Bücher, keine Möbel.“Sie will, dass ihre Kinder genauso groß werden. Sie ahnt, dass das schwer wird. „Es gibt das Internet. Es gibt Fernsehen mit Mord- und Totschlagfilmen.“
Sie hustet. Nicht zum ersten Mal in diesem Gespräch. Sie murmelt etwas von einer Bronchitis, die sie schon monatelang mit sich herumschleppe. Und davon, dass sie sich jetzt im fünften Monat ein wenig schonen müsse. Schmal und erschöpft sieht sie aus. Die jahrelange Doppelbelastung ist nicht spurlos an ihr vorbeigegangen.
Nur neun Tage nach der Geburt der Zwillinge war sie wieder im Museum. Stressig sei das gewesen, räumt sie ein. Einer habe immer geweint, manchmal auch beide. Es waren zarte Kinder, sie kamen zu früh zur Welt. Sie zückt ihr Handy, um Bilder zu zeigen. Da ist Maximilian, ein zarter Blondschopf. Sie sagt, sie sei als Kind wie er gewesen, genauso verträumt. Und da ist Elisabeth, ein Mädchen mit energischem Kinn. Man sieht ihr an, dass sie schon genau