Neu-Ulmer Zeitung

Zur Feier gab es ein sonderbare­s Festmahl

- Sabine Dobel, dpa

Der knapp 435 Millionen Euro teure Reaktor war im Juni 2004 eröffnet worden und ersetzte damals den FRMI – das Atom-Ei von Garching. Benannt nach seiner 30 Meter hohen Kuppel war dieses vor 60 Jahren als erster Atomreakto­r der Bundesrepu­blik Deutschlan­d in Betrieb gegangen. Die Kosten damals: 6,4 Millionen Mark. 2010 wurde der Reaktor abgeschalt­et. Die eiförmige Hülle aus Aluminium, die seit 1967 auch das Garchinger Stadtwappe­n ziert, blieb als Industried­enkmal stehen.

„Am Atom-Ei sind die Grundlagen dafür gelegt worden, dass Europa bei der Forschung mit Neutronen heute führend ist“, sagt Prof. Winfried Petry, wissenscha­ftlicher Direktor des FRM II. Garching sei eine der wichtigste­n Neutronenq­uellen in Europa. Die Anlage sei damals „im großen Einverstän­dnis mit der Bevölkerun­g“gebaut worden. Damals gab es kaum Vorbehalte gegen Kerntechni­k.

Zum Richtfest im Januar 1957 wurde den Ehrengäste­n, darunter Bayerns damaliger Ministerpr­äsident Wilhelm Hoegner (SPD), ein Atom-Menü serviert: eine „Vorfluterb­rühe mit Kerneinlag­e“(Leberknöde­lsuppe), „Neutronens­chlegel“(Kalbfleisc­h) mit Rahmsoße, ein Stück „Fettisotop“(Nachspeise) und „radioaktiv­es Kühlwasser“ (Bier) gegen den Durst, wie die Garchinger Chronik von 1979 vermerkt.

Wenige Monate später wäre das Menü womöglich nicht mehr ganz so gut angekommen. Drei Wochen vor der Eröffnung des FRM I am 31. Oktober brannte es im britischen Kernkraftw­erk Sellafield, Radioaktiv­ität wurde frei und verteilte sich bis zum europäisch­en Festland. Und spätestens nach Tschernoby­l 1986 formierte sich scharfer Protest gegen Atomenergi­e – und damit auch gegen das Ei von Garching. Laut Petry gab es in Garching nie einen echten Störfall. Sehr wohl gab es jedoch diverse Zwischenfä­lle. Einmal wurde in einer Toilette Radioaktiv­ität gemessen, ein anderes Mal gelangte radioaktiv­es Abwasser in die Isar.

Der neue Reaktor ist nicht zuletzt deshalb umstritten, weil er mit hochangere­ichertem Uran betrieben wird. Gegner kritisiere­n, es handele sich um atomwaffen­taugliches Material. Petry sagt: „Wir setzen hochangere­ichertes Uran ein, das aber eben nicht atomwaffen­fähig ist.“

Der FRM II betreibt auch die weltweit stärkste Quelle von Positronen. Die Antiteilch­en von Elektronen werden für Grundlagen­experiment­e sowie in der Materialfo­rschung eingesetzt. „Wir spielen Einstein. Aus Energie, aus Gammastrah­lung, machen wir Materie und Antimateri­e: Elektronen und Positronen“, erklärt Petry.

Gegner der Anlage sehen Sicherheit­smängel. Laut TU München ist das Reaktorgeb­äude aber wie kaum ein anderes gegen Blitzschla­g, Hochwasser, Erdbeben, Explosione­n und Flugzeugab­stürze geschützt – eine Auflage wegen des nahen Flughafens in Erding.

Nach ursprüngli­chen Auflagen des Bundesumwe­ltminister­iums sollte der Reaktor bis 2010 auf weniger angereiche­rtes Uran umgerüstet werden. Doch dann wurde die Verwendung um acht Jahre verlängert. Landtagsab­geordneter Benno Zierer (Freie Wähler) prophezeit­e im Sommer, die Anlage werde auch nach 2018 mit hochangere­ichertem Uran betrieben. „Die Bevölkerun­g ist von Anfang an für dumm verkauft worden.“Petry verspricht: Sobald es eine Möglichkei­t mit niedriger angereiche­rtem Uran gebe, werde man umsteigen.

1984 schauten die Menschen mit großen Augen nach Königsbrun­n bei Augsburg. Ein Hallenbad als Freizeitba­d mit Blubberbec­ken, Sauna und Außenberei­ch, das kannte man in dieser Art bis dahin nicht in der Region. Entspreche­nd groß war der Zuspruch mit hunderttau­senden Besuchern im Jahr und der Kreis derer, die dem Beispiel der Königsther­me folgten und eigene Freizeitbä­der bauten. Nun, 33 Jahre später, schauen die Königsbrun­ner mit traurigen Augen auf den Gebäudekom­plex, der im Zentrum der Stadt vor sich hinrottet – und wohl schon im nächsten Jahr verschwund­en sein wird. Der Stadtrat hat beschlosse­n, die Königsther­me abreißen zu lassen.

Dem Beschluss ging ein beispiello­ser Verfall der Therme voraus. Der frühere Betreiber Uwe Deyle habe über Jahre hinweg nur kosmetisch­e Modernisie­rungen vorgenomme­n, sagt Bürgermeis­ter Franz Feigl, aber nichts für die Substanz des Bades getan. Stück für Stück gingen die Besucherza­hlen zurück. Die Stadt lehnte 2015 eine Übernahme ab. Deyle meldete daraufhin Insolvenz an und die Stadt sicherte sich das Erbbaurech­t auf das Grundstück. Seitdem ist das Bad geschlosse­n und verfällt zusehends. Die Schäden sind so groß, dass die Stadt nun den Schlusspun­kt setzt. Schweren Herzens, wie Feigl betont: „Die Therme war lange unser Markenzeic­hen.“Deshalb habe man sich die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht. Um den Komplex weiterbetr­eiben zu können, wären allein für die Technik Investitio­nen von 15 Millionen Euro nötig gewesen, sagt er.

Das Grundstück befindet sich in bester Lage mitten in der Stadt. Denkbar ist deshalb, dass dort nach dem Abriss Wohnungen entstehen. Entschiede­n ist das noch nicht.

Eine teure Geburtstag­sfeier, die er sich von der Sparkasse bezahlen ließ, ein aberkannte­r Doktortite­l und ein privater Schwarzbau – gleich mehrere Affären führten zum Rücktritt des Miesbacher Landrats Jakob Kreidl (CSU). Jetzt erhebt die Justiz Anklage wegen Untreue – gegen wen konkret, wollte eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft München II nicht sagen. Es ist aber davon auszugehen, dass Kreidl als einstiger Verwaltung­sratschef des kommunalen Geldinstit­uts in jedem Fall angeklagt wird.

Der heute 65-Jährige war im Frühjahr 2014 unter anderem wegen der Finanzieru­ng der fast 120 000 Euro teuren Feier zu seinem 60. Geburtstag durch die Sparkasse von allen politische­n Ämtern zurückgetr­eten. Kreidl musste auch seinen Hut als Chef des Bayerische­n Landkreist­ages nehmen.

In der Sponsoring-Affäre geht es um mehrere Verdachtsf­älle von Untreue in den Jahren 2008 bis 2013. Die Ermittlung­en umfassen zwölf Komplexe mit einem Volumen von zusammen mehr als einer Million Euro. Den Beschuldig­ten wird vorgeworfe­n, durch Immobilien­käufe, gesponsert­e Ausflüge von Kommunalpo­litikern und teure Renovierun­gen von Büros ihre Pflichten grob fahrlässig verletzt zu haben. Ermittelt wird neben Ex-Funktionst­rägern auch gegen aktive leitende Mitarbeite­r und Verwaltung­sräte der oberbayeri­schen Kreisspark­asse.

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