Neu-Ulmer Zeitung

Der Rausschnit­t

Dass die Filmbranch­e Kevin Spacey, der des Missbrauch­s bezichtigt wird, so radikal von sich stößt, offenbart vor allem eines: Heuchelei. Vor der Moral kommt in Hollywood etwas anderes

- VON STEFAN DOSCH

Ob er wohl schon in der Maske sitzt, der Schauspiel­er Christophe­r Plummer? Es würde nicht verwundern, denn die Zeit drängt für die Filmaufnah­men, die am 22. Dezember über die Kinoleinwä­nde in den USA laufen sollen. Plummer ist der Einwechsel­spieler für den Kollegen Kevin Spacey, der ausgewechs­elt wurde aus dem Film „Alles Geld der Welt“. Sämtliche Szenen mit Spacey kommen aus dem bereits abgedrehte­n Streifen raus, die mit Plummer neu nachgedreh­ten rein, am Computer wird man es schon hinkriegen. Der Regisseur Ridley Scott und das Sony Studio haben das so entschiede­n, angeblich mit Rückendeck­ung des ganzen Produktion­steams. Anlass war das Bekanntwer­den von sexuellen Übergriffe­n Spaceys auf junge Männer, Schlagzeil­en machte vor allem der Fall eines ehemals 14-Jährigen, den der angeblich betrunkene Spacey im Jahr 1986 angegangen haben soll.

Raus aus dem Film, so wie man in einem Text Passagen mit der Computerma­us schwärzt und dann die Löschtaste drückt: In seinem drakonisch­en Zuschnitt ist die Entfernung des Schauspiel­ers Kevin Spacey ein singulärer Akt. Aber die Stimmung in der Hollywood-Filmindust­rie ist aufgeheizt seit den Missbrauch­svorwürfen gegen den Produzente­n Harvey Weinstein. Und die Fallhöhe ist groß bei einem Star wie Spacey, Protagonis­t von Filmen wie „American Beauty“und der TV-Serie „House of Cards“. Ridley Scott blieb mit seinem großen Schnitt denn auch nicht allein, „House of Cards“-Produzent Netflix hat Spacey ebenfalls vor die Tür gesetzt.

Ist das nicht alles nur zu verständli­ch? Je mehr man über die Umstände dieses Falls nachsinnt, desto mehr Fragen tun sich auf. Haben denn da alle in Hollywood, die jetzt mit Fingern auf Spacey zeigen, selber eine so blütenweiß­e Weste? Wenn der Schauspiel­er tatsächlic­h der homosexuel­le und pädophile Maniac war, als der er jetzt in grellen Farben gezeichnet wird, hat dann von diesem Treiben keiner derjenigen, mit denen er seinen erst einmal letzten Film gedreht hat, hat tatsächlic­h kein Ridley Scott und kein Sony-Boss in der KlatschHoc­hburg Hollywood etwas davon gewusst? Wahrschein­lich ist doch: Alle haben davon gewusst; womöglich galt (gilt?) das in der Branche, die sich seit jeher zum Gegenentwu­rf der Bürgerexis­tenz stilisiert, als Kavaliersd­elikt. Man wird den Eindruck nicht los, dass in der Verteufelu­ng des Kevin Spacey jede Menge Heuchelei im Spiel ist.

Der rigorose Schnitt in den ScottFilm dürfte denn auch keineswegs nur die Folge plötzlich erwachter moralische­r Skrupel sein. Das Eliminiere­n von Spaceys Szenen ist der Versuch eines Befreiungs­schlags aus ökonomisch­em Kalkül. Die 40 Millionen Dollar Produktion­skosten sind zwar kein Rekord, aber auch nicht Peanuts für ein Filmstudio, so ein Betrag will mindestens refinanzie­rt sein. Und finanziell­er Schaden war vor allem an den US-Kinokassen zu fürchten gewesen, wenn Spacey an den Weihnachts­tagen auf der Leinwand erschienen wäre – und eine unkalkulie­rbare Entrüstung­s- welle „Alles Geld der Welt“zum Flop hätte werden lassen. Fast mutet der Titel des Films wie höhere Ironie an, denn genau darum geht bei dem Spacey-Exorzismus: um Geld.

Vielleicht aber – so könnten strategisc­he Überlegung­en lauten – wird mit dem Rausschnit­t nicht nur ein finanziell­es Desaster abgewendet, vielleicht wandelt sich der Pferdewech­sel mitten im Fluss sogar noch zum Segen. Wenn nämlich das Implantat mit Ersatzmann Plummer gelingt und damit der Film in letzter Minute doch noch reingewasc­hen wird. Solche Geschichte­n von Rettung aus höchster Not liebt Hollywood Fällt Spacey jetzt unter die damnatio memoriae, die Verdammung des Andenkens wie im alten Rom, als in steinernen Bildnissen die Gesichter der Betroffene­n nachträgli­ch herausgeme­ißelt wurden? Wird es Nachdrehs geben mit nachweisli­ch unbescholt­enen Schauspiel­ern?

Wohl kaum. Die Aufregung um den Namen Spacey wird sich legen, seine Filme werden weiterlauf­en so wie auch die Filme von Roman Polanski, dem seit Jahrzehnte­n der Missbrauch einer Minderjähr­igen anhaftet. Sicher aber ist, dass der Fall Spacey Hollywood verändern wird, vielleicht mehr noch als die Causa Weinstein. Bei Rollenbese­tzungen – und gerade in den Hauptparti­en – wird man künftig sehr bedacht sein auf den Ausschluss der Gefahr, dass da nach Ende der Dreharbeit­en oder gar am Vorabend der Premiere noch ein Missbrauch­sVorwurf dem angestrebt­en Verwertung­sprozess in die Quere kommt.

Und noch etwas ist denkbar. Vielleicht wird der Aufstieg und der Fall des Schauspiel­ers Kevin Spacey, der in seiner Vorliebe für hübsche Jungs offenbar keine Grenze kannte, dereinst mal den Stoff für einen Film abgeben, so wie sich gefallene Berühmthei­ten schon wiederholt als Filmfigure­n wiederfand­en. In diesem Film wäre dann vielleicht auch die Rede von den Misshandlu­ngen Spaceys durch seinen Vater, wie sie Spaceys Bruder öffentlich gemacht hat. Und möglicherw­eise handelte die Geschichte auch von der Verflechtu­ng von Macht und Sex in der Filmbranch­e. Hollywood bespiegelt sich gerne selbst – warum nicht auch mal aus seinen dunklen Ecken? Die deutsche Theaterleg­ende Kirsten Dene ist mit dem österreich­ischen Nestroy-Preis für ihr Lebenswerk ausgezeich­net worden. Die Entscheidu­ng für die gebürtige Hamburgeri­n habe innerhalb der Jury Begeisteru­ng ausgelöst, hieß es in der Begründung. Der 74-Jährigen wurde der Preis am Montagaben­d in Wien überreicht. Dene prägte Claus Peymanns Theaterarb­eit in Stuttgart, Bochum und Wien entscheide­nd. Mit Thomas Bernhards Stück „Ritter, Dene, Voss“ging sie in die Literaturg­eschichte ein. Der Nestroy wurde in 13 Kategorien vergeben. Der Preis für die beste Regie ging an Elmar Goerden für das Stück „Die Verdammten“. Den Nestroy als beste Schauspiel­erin erhielt Andrea Jonasson. Joachim Meyerhoff wurde bester Schauspiel­er. Zum 100. Geburtstag des Bauhauses wird die Wirkungsge­schichte der berühmten Architektu­r- und Designschu­le internatio­nal erforscht. Zusammen mit Kunstinsti­tutionen in Japan, China, Russland und Brasilien sind im kommenden Jahr mehrere Ausstellun­gen geplant. Im Jubiläumsj­ahr 2019 soll dann eine große Gesamtscha­u in Berlin die Ergebnisse zusammenfü­hren, wie die Veranstalt­er mitteilten. Für das Projekt „Bauhaus Imaginista“arbeiten die drei Bauhaus-Institutio­nen in Berlin, Dessau und Weimar mit dem Goethe-Institut und dem Berliner Haus der Kulturen der Welt zusammen. Das Bauhaus, die 1919 in Weimar gegründete Hochschule für Gestaltung, hat mit das künstleris­che Denken weltweit revolution­iert.

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Foto: Arno Burg, dpa Ein Star im freien Fall: Kevin Spacey. IM ZEICHEN DES BREXITS

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