Das Phänomen Libanon
Der Libanon ist ein Phänomen. Seit dem Bürgerkrieg, der in den 70er und 80er Jahren die einstige „Schweiz des Nahen Ostens“in Schutt und Asche legte, wird befürchtet, dass die Gewalt zwischen den religiösen Gruppen neu ausbrechen könnte. Aber der Staat mit der Zeder im Wappen bewahrte sich, einzelnen Angriffen und Attentaten zum Trotz, eine relative Stabilität – während das benachbarte Syrien, das bis 2011 als stabil galt, im Bürgerkrieg versank.
Doch bei jeder Störung des fragilen Gleichgewichts im Libanon schrillen erneut die Alarmglocken – so auch jetzt beim von Saudi-Arabien aus verkündeten Rücktritt von Ministerpräsident Saad Hariri. Nicht dass dieser wegen seiner Regierungskünste unverzichtbar wäre. Vielmehr muss er als sunnitischer Muslim zwischen Christen und Schiiten für religiöse Ausgewogenheit an der Staatsspitze sorgen.
Doch für die Schutzmacht aller Sunniten, das saudische Königshaus, ist Hariri ein Weichling, der den Schiiten die Macht überlässt. Die stärkste politische und militärische Partei im Libanon ist nämlich die Hisbollah, die mit dem Iran verbündet ist. Dass Teheran mehr Einfluss auf den Libanon gewinnt, missfällt in Riad außerordentlich.
Hoffentlich lassen sich die Libanesen in keinen Stellvertreterkrieg hineinziehen. Wenn sie unter sich bleiben, könnten sie den Frieden in ihrem kleinen Land retten. Hariri kann dazu beitragen, indem er den Saudis trotzt und im Amt bleibt.