Neu-Ulmer Zeitung

Silvester kommt immer zu früh

- VON DORINA PASCHER klartext@nuz.de

Jeder hat diesen einen Freund in seinem Bekanntenk­reis: Bereits im Juni – wenn man gerade am Badesee liegt und ein Eis zur Abkühlung isst – will er wissen: „Was machst du eigentlich an Silvester?“Ähm, ja. Keine Ahnung. Damit will man sich doch jetzt noch nicht auseinande­rsetzen.

Ein paar Monate später: Es ist kalt, die ersten Weihnachts­märkte öffnen und dieser eine Freund fragt wieder: „Weißt du schon, was du nun an Silvester machst?“Ach, davor sind doch noch Heiligaben­d, diverse Geburtstag­e und Weihnachts­feiern – da kann ich mich doch noch nicht auf Silvester festlegen. Bis zum 31. Dezember wird sich schon noch die Party des Jahres ergeben. Zuerst müssen aber noch Plätzchen gebacken, Weihnachts­geschenke gekauft sowie eingepackt werden. Silvester, das steht mal hinten an.

Und dann kommt dieser Moment, wenn man realisiert: Die Lebkuchen im Supermarkt wurden durch Böller ersetzt, statt des Schoko-Weihnachts­manns blickt dir ein Marzipan-Schweinche­n aus dem Regal entgegen. Da bleibt nur noch der Griff zum Handy und die Frage an den Freund: „Was machst du eigentlich an Silvester?“

Foxtrott, Walzer, Cha-ChaCha: Nicht nur dem Namen nach sind diese Tänze Standard. Sie werden einmal im Tanzkurs gelernt und bei Hochzeiten oder diversen Familienfe­ierlichkei­ten wieder ins Gedächtnis gerufen. Doch eigentlich kann Tanzen sehr viel mehr Spaß machen: nämlich dann, wenn keine vorgeferti­gten Tanzschrit­te auswendig gelernt werden müssen und die Tanzpartne­r sich nicht steif an den Händen klammern. Wer den Begriff Lindy Hop bei einem Videoporta­l eingibt, der sieht gleich: Das macht Spaß. Beschwingt wirbeln die Tänzer zu Swing-Musik, hüpfen lebhaft auf und ab. Doch auch, wenn es leichtfüßi­g aussieht, so muss der Swing-Tanz gelernt werden.

Reinhild Rossmann ist eine der wenigen Lindy-Hop-Lehrerinne­n in Ulm. Seit 1996 tanzt sie diesen Stil. „Ich war sofort Feuer und Flamme“, erinnert sich Rossmann. Denn anders als viele Tänze besticht Lindy Hop durch seine Authentizi­tät. Das heißt: kein Hohlkreuz wie beim Tango und keine ausgestell­ten Beine wie beim Ballett. „Beim Lindy Hop ist nichts verkünstel­t“, sagt die Tanzlehrer­in. Dafür ist das sogenannte Bouncing eine der Grundzutat­en des Lindy Hops. Dabei werden die Knie zum Rhythmus der Musik gebeugt und gestreckt.

Was den Tanzstil ebenfalls auszeichne­t: die Improvisat­ion. Wenn einmal die Grundschri­tte gelernt wurden, dann gibt es beim Lindy Hop keine vorgeschri­ebenen Schrittabl­äufe mehr. „Der Tanz wechselt von offenen zu geschlosse­nen Positionen“, erläutert Rossmann. Das bedeutet: In den geschlosse­nen Positionen tanzen die Partner gemeinsam Hand in Hand. In den offenen Positionen bewegt sich jeder für sich.

Nicht nur die freien Bewegungsa­bläufe kennzeichn­en den Stil – auch in seiner Geschichte hebt er sich von anderen ab. „Sowohl Schwarze wie Weiße tanzten den Lindy Hop – da gab es keine Trennung“, sagt Rossmann. Er entstand Ende der 1920er-Jahre in Amerika. In einem der größten Ballsäle, dem „Savoy Ballroom“, in Harlem entwickelt­e sich der Stil zu einem Massenphän­omen. Egal, ob jung oder alt, schwarz oder weiß, reich oder arm – der Lindy Hop vereinte die Tänzer quer durch alle Schichten. Bald schon entdeckte Hollywood den Tanzstil und brachte ihn in den 1930er-Jahren auf die Leinwand: der Höhepunkt des Lindy Hop.

Doch dann kam der Zweite Weltkrieg. Viele Tänzer und Swing-Musiker wurden eingezogen. Die Szene löste sich auf. Einer ihrer berühm- testen Vertreter, Frankie Manning, überlebte den Krieg zwar, jobbte aber fortan nur noch als Postbote.

Erst in den 1980er-Jahren kam das Revival. In Schweden, Amerika und London entdeckten Tänzer den Lindy Hop wieder, der vor allem durch alte Filmclips überliefer­t wurde. Der vergessene Stil erlebte einen neuen Aufschwung. Doch im Mainstream ist er noch lange nicht angekommen.

Lindy Hop gehört zu solchen Vintage-Tänzen wie Balboa oder Charleston, doch er ist immer noch wenigen bekannt. Das sei sehr schade, denn er könne sehr viel Spaß machen, davon ist Rossmann überzeugt. Die Voraussetz­ungen dafür: Man sollte Swing-Musik mögen und am besten einen Tanzpartne­r haben. Ansonsten gilt für die Lindy-HopLehreri­n Rossmann: „Wer laufen kann, kann auch tanzen.“O

Wer interessie­rt ist, Lindy Hop zu lernen, der kann sich bei Rein hild Rossmann über Schnuppers­tunden informiere­n. E Mail: reinhild@strictlys wing.de Öde Runden im Stadtpark drehen ist zu langweilig? Die kostenlose App „Zombies, Run!“bringt den Spaß am Laufen zurück. Wer das Programm bei seinen Trainingse­inheiten mitlaufen lässt, steckt schon bald mitten in der Zombie-Apokalypse. Das Adrenalin steigt, wenn ihr hinter euch die Untoten keuchen hört. Doch die App hat mehr zu bieten als bloßes Davonrenne­n. Über 150 Missionen könnt ihr mit „Zombies, Run!“während eures Trainings durchspiel­en. (fwo)

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Ob Anfänger oder Fortgeschr­ittene: Im Kurs von Reinhild Rossmann kann jeder teil nehmen.
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Typisch für den Lindy Hop: der Bounce, ein rhythmisch­es Wippen.
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