Kaltstart in den Olympia-Winter
Die untrüglichen Vorzeichen, dass es bald Winter wird, sieht man in deutschen Haushalten am Kellerabgang: Wanderschuhe und -stöcke stehen da vor ihrer sechsmonatigen Verbannung oft wochenlang, während lange Unterhosen, Skirollis und Stirnbänder aus Omas alter Kommode darauf hoffen können, dass sie zusammen mit der Bratapfel-Marmelade von Tante Helga demnächst wieder nach oben ans Tageslicht geholt werden. Der schnelle Wechsel der Jahreszeiten – gab’s heuer überhaupt einen Herbst? – lässt uns keine Zeit zum Entschleunigen: Bäume zurückschneiden, Reifen wechseln, Mountainbikes an die kalte Garagenwand hängen – und (Achtung!) die Fernsehzeiten familienintern neu regeln. Paragraf eins: Wenn Wintersport kommt, läuft auch Wintersport. Paragraf zwei: Sollte einmal nicht Wintersport laufen, zappen wir so lange, bis irgendwo Wintersport von gestern läuft.
Nichts, aber auch gar nichts darf der gemeine Schnee- und Eissport-Fan in den nächsten elf Wochen verpassen. Denn dann stehen die Olympischen Winterspiele auf dem Programm. Und bevor wir uns im Februar den Wecker auf drei Uhr morgens stellen müssen, um Dahlmeier, Rydzek und Neureuther im Schnee von Südkorea vom Sofa aus anzufeuern, genießen wir an den nächsten Weltcup-Wochenenden die schdaade Zeit daheim.
Da legen wir die Füße hoch, munitionieren uns mit Dominosteinen und ignorieren geflissentlich, dass die Wintersportler da im hohen Norden schon ein gutes halbes Jahr geschwitzt und geschuftet haben, um Berge möglichst leichtfüßig hinaufund Schanzen und Slalomhänge möglichst geschmeidig hinunterzufahren. Alles, aber auch alles ordnen sie ihrem großen Traum von Olympia unter. Und sie alle werden sagen: „Ich will erst mal gut in den Winter kommen. Olympia ist ja noch soooo weit weg.“
So handhaben wir das jetzt auch: Wollen einfach gut in den Winter kommen, hoffen auf schlechtes Wetter und darauf, dass die Schwiegermama am Wochenende für eine Stunde eine derart tropfende Rotznase ereilt, dass sie das längst überfällige Kaffeekränzchen absagen muss. Dann schleichen wir ins Wohnzimmer, kapern die Fernbedienung und entschweben beim Klappern der BiathlonScheiben und beim Zischen des Schnees am Schanzentisch in unseren seligen Winter(sport)-Schlaf. Könnte aber gut sein, dass uns ein Satz aus der Küche schnell wieder aus allen Träumen reißt: „Schaaaatz, wann trägst du endlich deine Wanderschuhe in den Keller?“