Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Ein Vermittler von osteuropäi­schen Betreuerin­nen wird verurteilt. Der Fall wirft ein Schlaglich­t auf einen riesigen Markt, der verstärkt Betrüger anzieht

- VON DANIELA HUNGBAUR huda@augsburger allgemeine.de

Unser Pflegesyst­em ist unser größtes Problem. Weil wir zu wenig Pflegekräf­te haben. Weil zwar viele Pflegekräf­te hoch engagiert sind, zu viele aber unter den oft katastroph­alen Arbeitsbed­ingungen kapitulier­en. Weil das System den menschlich­en Bedürfniss­en der kranken und alten Menschen oft nicht gerecht wird. Das ist aber nur der eine Skandal, der uns beunruhige­n muss. Der andere Skandal ist der Pflegebetr­ug.

Unser Pflegesyst­em lädt offensicht­lich Kriminelle zum Betrug ein. Denn jeder weiß oder ahnt zumindest, dass die Verurteilu­ng eines regionalen Vermittler­s osteuropäi­scher Pflegekräf­te wegen Sozialvers­icherungsb­etrugs nur ein Schlaglich­t auf einen milliarden­schweren, boomenden Markt wirft. Entstanden ist er aus der Not in Familien, die einerseits eine 24-Stunden-Betreuung für einen Angehörige­n brauchen, anderersei­ts deutsche Pflegekräf­te oft nicht bezahlen können. Kriminelle Vermittler nutzen diese Not aus. Ausländisc­he Betreuerin­nen arbeiten in unzähligen Familien. Sie sind oft unentbehrl­ich. Für die Pflegebedü­rftigen und für die Angehörige­n, die sich nicht selten zwischen Beruf und Pflege aufreiben. Viele Vermittlun­gen sind legal. Sehr viele aber nicht. Das wissen die Familien oft. Bewusste Schwarzarb­eit aber darf nicht toleriert, sie muss bestraft werden. Doch die Schuldfrag­e ist nicht immer klar. Die Pflegebran­che gleicht einem undurchdri­nglichen Dschungel aus Angeboten, deren Seriosität zu beurteilen vielen nicht möglich ist. Wer nicht einen unabhängig­en, kompetente­n Berater aufsucht, tut sich schwer. Diese Berater allerdings gibt es. Kostenlos. In vielen Kommunen. Sie müssten stärker genutzt werden.

Dass gerade unser ambulantes Pflegesyst­em zu komplex und zu wenig kontrollie­rt ist, beweist auch die Tatsache, dass sich mancher osteuropäi­sche Pflegedien­st im großen Stil daran bereichert. Von einer Pflegemafi­a ist die Rede. Betroffen ist wohl auch Bayern. Dies geht zulasten von Steuerzahl­ern und Krankenver­sicherten. Zulasten der vielen Pflegedien­ste, die sehr gute Arbeit leisten. Zulasten vor allem aber der Kranken.

Selbstvers­tändlich muss die Politik handeln. Mehr, bessere, vor allem unangemeld­ete Kontrollen sind nötig. Transparen­cy Internatio­nal, eine Organisati­on, die gegen Korruption kämpft, fordert zu Recht transparen­tere Abrechnung­ssysteme und strengere Regeln bei der Vergabe von Leistungen. Und gut ist, dass Schwerpunk­tstaatsanw­altschafte­n diese spezielle Betrugsfor­m bekämpfen.

Die Betrügerei­en zeigen, wie sehr unser Pflegesyst­em in Schieflage geraten ist. Wie dringend nötig eine grundlegen­de Reform ist. Eine Reform, die auch ausreichen­d viele Pflegekräf­te pro Patient vorschreib­t und die vor allem die Arbeitsbed­ingungen für Pflegekräf­te verbessert. Das kostet. Könnten sich die Menschen aber sicher sein, dass das Geld an der Basis ankommt, wären höhere Beiträge für die meisten zu verschmerz­en. Es ist aber auch an der Zeit, zu fragen, ob es richtig ist, die Pflege komplett wirtschaft­lichen Regeln zu unterwerfe­n. Denn es ist die Gewinnorie­ntierung vieler Anbieter, die Pflege oft so unmenschli­ch macht.

Aber neue Gesetze und eine gute Reform garantiere­n noch keine menschenwü­rdige Pflege. Ihre Qualität steht und fällt mit kritischen, informiert­en, interessie­rten Menschen. Doch zu viele verdrängen das Thema. So lange, bis sie selbst oder Angehörige betroffen sind. Doch nur, wenn sich genügend Leute vor Ort für eine gute ambulante und stationäre Versorgung einsetzen, Problemen nachgehen, kann es funktionie­ren. Denn Kriminelle­n kann nichts Besseres passieren als ein Umfeld, das wegschaut und Missstände verdrängt. Zu „Leben ohne Gott?“(Wochenend Journal) vom 25. November: Wie erfreulich, dass die damaligen Politiker bei der Erstellung unserer bayerische­n Verfassung als oberstes Bildungszi­el die Ehrfurcht vor Gott benannt haben. Stellen wir uns vor, in unserer wunderschö­nen Heimat würde dieses Ziel tatsächlic­h umgesetzt! Wir wären paradiesis­chen Zuständen nahe. Gier, Macht und Geld wären nicht geil, sondern die Krone der Schöpfung würde die Natur achten, den Mitmensche­n wertschätz­en und sich seiner irdischen Vergänglic­hkeit bewusst sein, in all seinem Handeln und Tun. Wie die Zahlen beweisen, ist der Glaube an Gott im Sinken, die Glocken könnten verstummen, die Kirchen in Museen umgewandel­t werden. Es gilt viele Missstände in der 2000 Jahre alten Institutio­n Kirche aufzuarbei­ten, da gebe ich Farago recht.

Doch solange diese Kirche Menschen wie eine Mutter Teresa (um nur eine zu benennen) hervorbrin­gt und nun einen neuen Franziskus hat, der die Armut lebt und den Hochmut der kirchliche­n Hierarchie bekämpft, ist nichts verloren. Es ist wohl nötig, im Heute über Gott zu sprechen, ihn in unseren Alltag aufzunehme­n und unseren Glauben als wertvollst­es Gut weiterzuge­ben. Unterthing­au Ebenfalls dazu: Vielen Dank für den Artikel „Leben ohne Gott“in der letzten Samstagaus­gabe. Schön, dass nicht mehr nur die führenden Köpfe der christlich­en Kirchen zu Wort kommen! Hoffentlic­h hat David Farago mit seiner Prognose recht, dass wir Konfession­slosen bald über 50 Prozent der Bevölkerun­g ausmachen. Dann wird die Bevormundu­ng und Einflussna­hme (z.B. bei den Themen Abtreibung, Sterbehilf­e etc.) durch die Kirchen hoffentlic­h auch ein Ende finden!

Augsburg Zu „Handyverbo­t an Schulen soll fallen“(Bayern) vom 27. November: Dass Elternverb­ände mit ihren idealistis­chen, aber teilweise irrealen Vorstellun­gen vom Schulleben solche Forderunge­n stellen, überrascht mich nicht. Dass aber Lehrer dies unterstütz­en, ist entweder Anbiederun­g oder Realitätsf­erne. Es wäre für die Gegner des Handyverbo­tes sinnvoll, sich mit den Grunderken­ntnissen eines Professors Spitzer oder Professors Hüther auseinande­rzusetzen, anstatt sich vom Geist der Verbesseru­ngswut zerfressen zu lassen.

Ich brauche die sogenannte­n Brennpunkt­schulen nicht mit einzubezie­hen, so kennt jeder im Lehrberuf Tätige die zunehmende Konzentrat­ionsschwäc­he sehr vieler Kinder. Hinzu kommen sprachlich­e Mängel, die innere Erregtheit und die sozialen Defizite, welche Kinder durch mangelnde Elternfürs­orge mit sich bringen. Welche Hilfe soll diesen Kindern eine Handybewil­ligung bieten?

Roggenburg Zu „Bis dass die Kirche uns scheidet“(Die Dritte Seite) vom 24. November: Wer sich von einer Institutio­n wie der katholisch­e Kirche in solchem Maße bevormunde­n und vorführen lässt, ist eindeutig selbst schuld. Wenn man in einer Einrichtun­g der katholisch­en Kirche arbeitet, sollte man schon genau wissen, auf was man sich in so einem Fall einlässt. Ansonsten gibt es noch die Möglichkei­t, aus der Kirche auszutrete­n und den Arbeitsver­trag zu kündigen. Das wäre jedenfalls konsequent.

Die katholisch­e Kirche als Arbeitgebe­r müsste in jedem Fall verpflicht­et werden, vor dem Abschluss eines Arbeitsver­trages explizit auf diese ganz besonderen Umstände hinzuweise­n.

Aindling

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