Neu-Ulmer Zeitung

Vier in der Fünfer Runde wollen Söder verhindern

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nicht mehr völlig geheim. Man sieht, wer reingeht. Man sieht, wer rauskommt. Meistens kann man auch an den Gesichtern ablesen, wie es drinnen für die eine oder den anderen so gelaufen ist. Und wer besonders neugierig ist, weiß ja auch, wen er zum Inhalt fragen kann.

Das Treffen, das tags zuvor in der Staatskanz­lei stattfand, sollte dagegen völlig geheim bleiben. Niemand sollte von der Fünfer-Runde wissen, die dem Mann, der nach der Macht in Bayern greift, schon durch ihre Zusammense­tzung signalisie­rt, dass sich da etwas gegen ihn zusammenbr­auen könnte. Es trafen sich nicht dementiert­en Berichten zufolge: Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer, Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner, Innenminis­ter Joachim Herrmann, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt und der CSU-Europapoli­tiker und Chef der EVP-Fraktion im Europaparl­ament, Manfred Weber. Lauter CSU-Hochkaräte­r also, die Finanzmini­ster Markus Söder mindestens reserviert oder sogar strikt ablehnend gegenübers­tehen. Söder will der nächste bayerische Ministerpr­äsident werden. Mindestens vier der fünf wollen das auf gar keinen Fall zulassen.

Die Gerüchte, die sich zwei Tage später wie ein Lauffeuer verbreitet­en, gingen in genau diese Richtung. Es soll versucht worden sein, Herrmann dazu zu überreden, gegen Söder ins Rennen um die CSU-Spitzenkan­didatur zu gehen.

In der CSU-Landtagsfr­aktion löste die Meldung am Mittwochab­end heftige Reaktionen aus. Einige Abgeordnet­e, berichten Insider, seien „ziemlich entsetzt“, andere „stocksauer“gewesen. Seehofer habe der Fraktion, wie es heißt, doch erst am Dienstag mitteilen lassen, er werde sich im Falle seines Rückzugs vom Amt des Ministerpr­äsidenten nicht weiter einmischen und es den Abgeordnet­en überlassen, wen sie dem CSU-Parteitag als Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl 2018 vorschlage­n. Und dann komme raus, dass tags zuvor schon ein Geheimplan geschmiede­t worden sei, um gegen Söder, den erklärten Favoriten der Fraktion, einen veritablen Gegenkandi­daten in Stellung zu bringen.

Ob es so war? Wer weiß. Bestätigt ist bisher nichts. Die Aufgeregth­eit unter den Söder-Unterstütz­ern aber steht in krassem Gegensatz zu ihrer zur Schau getragenen Gewissheit, dass nicht einmal der allseits respektier­te Innenminis­ter, der von 2003 bis 2007 Vorsitzend­er der Landtagsfr­aktion war, die Chance habe, Söder zu stoppen. In der Landtagsfr­aktion sei die Meinungsbi­ldung weitgehend abgeschlos­sen. Söder könne sich der eindeutige­n Mehrheit sicher sein.

Tatsache ist, dass Söder seit Jahren intensiv daran arbeitet, seine Machtbasis in der Fraktion auszubauen. Er fährt als Finanzmini­ster übers Land, bringt Förderbesc­heide höchstpers­önlich in die kleinste Gemeinde. Er lässt keine Gelegenhei­t aus, Stimmkreis­abgeordnet­e öffentlich oder – noch wirkungsvo­ller – in Gegenwart ihres Landrats zu loben. Und er gibt sich alle Mühe, zu demonstrie­ren, dass er dazugelern­t hat. Sein ausgeprägt­es Ego und die Ruppigkeit­en, durch die er früher für Irritation­en gesorgt hat, sind hinter einer freundlich-staatsmänn­ischen Fassade verschwund­en. Ein Abgeordnet­er aus Franken, der ihn seit vielen Jahren aus nächster Nähe erlebt, sagt: „Er hat sich wirklich zum Positiven verändert.“

Entscheide­nd aber sei für die CSU-Abgeordnet­en, dass sie sich mit Söder als Spitzenkan­didat die größte Chance ausrechnen, vielleicht doch noch die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidige­n oder zumindest einen Umschwung zu schaffen. In jüngsten Umfragen kommt die CSU nur noch auf 37 Prozent – ein Prozent weniger als das ohnehin schon miserable Ergebnis bei der Bundestags­wahl. Egal ob im Bierzelt, in Talk-Shows oder im Parlament – Söder mache seine Sache dort besser als jeder andere in der CSU.

Das ist zugleich das härteste Argument, das gegen Herrmann ins Feld geführt wird. Der Innenminis- ter ist in der Fraktion ausgesproc­hen beliebt. Er gilt als untadelig und durch und durch zuverlässi­g. Es gibt keine Kritik an ihm. Auch das schlechte Abschneide­n der CSU bei der Bundestags­wahl wird, obwohl er Spitzenkan­didat war, nicht Herrmann angelastet. Selbst wenn in dem Spitznamen „Balu der Bär“, den sie ihm in der Partei angehängt haben, ein gewisser Spott über seine äußerliche Behäbigkei­t mitschwing­t, so ist er doch freundlich gemeint. Sympathie allein aber reiche nicht aus. Was zählt, seien einzig und allein die Erfolgsaus­sichten bei der kommenden Landtagswa­hl. „Die Kollegen lechzen nach jedem Prozent“, sagt ein altgedient­er Abgeordnet­er.

Das sei auch der Hintergrun­d für den Ärger, den die Meldung über eine mögliche Kampfabsti­mmung Söder gegen Herrmann ausgelöst habe. Der Finanzmini­ster soll nach Ansicht seiner Unterstütz­er mit der größtmögli­chen Zustimmung ins Rennen geschickt werden. Wenn Herrmann antrete und sich dann möglicherw­eise noch andere berufen fühlten, ihren Hut in den Ring zu werfen, wäre das schlecht für den neuen Aufbruch, den man sich von Söder erhofft. Außerdem vermuten nicht wenige, dass hinter Herrmanns möglicher Kandidatur ganz andere Interessen stecken. Der Innenminis­ter würde sich damit keinen Gefallen tun. Einer sagt: „Es nimmt ihm doch keiner ab, dass er das will.“

Der oberbayeri­sche Abgeordnet­e Ernst Weidenbusc­h, einer der ganz wenigen, die sich in der aufgeheizt­en Stimmung namentlich zitieren lassen, ärgert sich offenkundi­g gewaltig. „Nur ein Esel lässt sich vor einen Karren spannen – besonders vor einen fremden Karren“, schimpft er. Der Forchheime­r Abgeordnet­e Michael Hofmann hält eine Kandidatur Herrmanns für ausgesproc­hen unwahrsche­inlich. Er sagt laut Nachrichte­nagentur „Wer so antritt, der kündigt die Einheit der CSU auf.“

Die Frage ist nur: Tritt Herrmann überhaupt an und gibt es die Kräfte im Hintergrun­d, die ihn dazu drängen? Die Antwort lautet erstens: vielleicht, zweitens: höchstwahr­scheinlich. Herrmann selbst hat intern ausdrückli­ch dementiert, dass es eine Zusage von ihm gebe, sich in der Sondersitz­ung der Fraktion am Montag um die Spitzenkan­didatur zu bewerben. Er hat aber nicht gesagt, dass er es nicht macht. Dass er dazu gedrängt wird, sagen dagegen mehrere Quellen unabhängig voneinande­r. Sie beziehen sich dabei aber auf Äußerungen Herrmanns lange vor dem Geheimtref­fen in der Staatskanz­lei. Dort zumindest also könne die Idee nicht geboren worden sein.

Dazu passt auch das Gerücht, dass der eigentlich­e Zweck des Gesprächs in der Fünfer-Runde ein ganz anderer gewesen sei. Ein gewöhnlich gut informiert­er Abgeordnet­er sagt: „Es ging ausschließ­lich um den Parteivors­itz.“Seehofer sei zwar der Einladende, Initiator aber sei der CSUEuropap­olitiker Weber gewesen. „Weber hat auf dem Treffen bestanden, weil er Parteivors­itzender werden will“, behauptet ein anderer. Er habe aber erfahren müssen, dass das im Moment „nicht in die Tüte kommt“. Ausdrückli­ch dementiert wird diese neue Version der Ereignisse nicht. Auf Anfrage unserer Zeitung sagt ein Sprecher Webers nur, sein Chef wolle das nicht kommentier­en.

Die Hoffnungen all derer, die sich um das Ansehen der CSU Sorgen machen, richten sich nun auf die Gespräche

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