Wann Anwohner für Straßen zahlen müssen
Experte Gerhard Wiens spricht in Weißenhorn auch die Tücken an, die wiederkehrende Ausbaubeiträge haben
Gerhard Wiens ist ein gefragter Redner. Bayernweit hat er schon mehr als 100 Kommunen bereist, um über das sehr umstrittene Thema Straßenausbaubeiträge zu sprechen. Am Mittwochabend kam er in die Weißenhorner Stadthalle. Dort machte er schnell deutlich, was sein Ziel war: Er wollte keine Grundsatzdiskussion oder Einzelfälle besprechen, sondern neutral die derzeitigen rechtlichen Grundlagen darstellen. Kritischen Anmerkungen, wie sie etwa der erklärte Beitragsgegner Josef Butzmann gleich zu Beginn vorbrachte, setzte der ehemalige Vorsitzende Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof forsch einen Riegel vor.
So erläuterte Wiens vor etwa 80 Zuhörern zunächst das „beitragsrechtliche Leben“der Erschließungsstraße, wie er es nannte. Demnach müssen Anwohner 90 Prozent der Beiträge für die erstmalige Erschließung einer Straße bezahlen, die Kommunen nur zehn Prozent. Wobei der Redner betonte: Provisorien seien nicht beitragsfähig. Es müsse sich schon um eine richtige Straße mit Entwässerung und Beleuchtung handeln. Den Unterhalt hingegen müsse die Kommune zu 100 Prozent tragen. Bei der sogenannten „nachmaligen Herstellung“, also bei der Erneuerung oder Verbesserung einer Straße, müssen Anlieger wieder mitzahlen. Je nach Kategorie der Straße beträgt der Gemeindeanteil 20 bis 80 Prozent. Als Grundregel gilt: Je mehr Vorteile die Straße für die Allgemeinheit bringt, desto mehr zahlt die Kommune.
Im Gesetz heißt es: Eine Kommune soll Straßenausbaubeiträge erheben. „Wenn es keine Stadt ist wie Grünwald bei München, die nicht weiß, wohin mit ihrem Geld, dann muss sie es verlangen“, sagte Wiens. Weißenhorn sei der Normalfall und müsse die Anwohner zur Kasse bitten. Bei der Gestaltung einer Straße haben Stadträte und Bürger aus Sicht des Fachmanns noch den größten Einfluss auf die Ausbaukosten und damit letztlich auf Höhe der Beiträge. Wobei Wiens auch sagte: „Luxus-Aufwand“wie zum Beispiel eine Pflasterung, die der Denkmalschutz vorschreibt, dürfe nicht auf Kosten der Anwohner abgerechnet werden. Die Höhe der Ausbaubeiträge richte sich nach der Größe eines Grundstücks und der Intensität seiner Nutzung. Gewerbebetriebe etwa müssen mehr bezahlen.
Der Richter im Ruhestand ging bei seinen durch viele Beispiele undie terlegten Ausführungen auch auf Fälle ein, die durch Medienberichte große Bekanntheit erlangten. So wie „Opa Johann“, der einer bekannten Boulevardzeitung zufolge 99 000 Euro für einen Gehweg zahlen muss. „Dieser Mann wohnt in bester Lage in München und hat ein Immobilienvermögen von 4,4 Millionen Euro“, sagte Wiens, der den Fall persönlich kennt. Er müsse nur 20 seiner 2200 Quadratmeter Grundstücksfläche verkaufen, um die tatsächlich fälligen 40 000 Euro bezahlen zu können. „Ob jemand ein Härtefall ist, zeigt sich nicht an der Beitragshöhe, sondern an der Zahlungsfähigkeit“, ergänzte der Referent. Und betonte: Niemand müsse aus seinem Haus raus, weil er das Geld nicht zahlen kann. Für echte Härtefälle, und die gebe es, habe der Gesetzgeber Regelungen getroffen – bis hin zum Beitragserlass.
Auf 10 000 Euro bezifferte Wiens den durchschnittlich fälligen, einmaligen Straßenausbaubeitrag. Wiederkehrende Beiträge, die Kommunen alternativ verlangen können, liegen seinen Worten zufolge im niedrigen, dreistelligen Betrag. Möglich machen es bestimmte Abrechnungseinheiten, zu denen mehrere Straßen zusammengefasst werden. Wiens verglich das Modell mit einer Solidargemeinschaft oder einer Versicherung. So müssten eben auch Anwohner zahlen, deren Straße gar nicht erneuert wird.
Der Referent nannte noch weitere Tücken der wiederkehrenden Beiträge. Besonders für die Kommunen bedeuten sie viel Arbeit, da die Bildung der Abrechnungseinheiten sehr schwierig und risikobehaftet sei. Und: „In jeder Gemeinde variieren