Neu-Ulmer Zeitung

Unterhaltu­ng mit Hirn

Am Samstag findet die deutsche Science-Slam-Meistersch­aft in Ulm statt. Das CCU ist seit Monaten ausverkauf­t. Warum das Format ein Renner ist – und doch Probleme hat

- VON MARCUS GOLLING

Als ob Referate halten nicht schon schlimm genug wäre. Aber bei denen sitzen einem wenigstens nur ein paar andere gelangweil­te Studenten gegenüber. Um bei einem Science Slam zu bestehen, muss man schon ein bisschen mehr zeigen: Schließlic­h geht es bei dem Format darum, ein großes, meistens zahlendes Publikum zu informiere­n und gleichzeit­ig zu unterhalte­n. Im Roxy ist der Wettstreit der klugen Köpfe regelmäßig ein Renner. Morgen, Samstag, findet nun erstmals die Deutsche Science-Slam-Meistersch­aft in der Münstersta­dt statt – und die 1500 Tickets sind schon seit Monaten ausverkauf­t. Wegen des erwarteten Interesses hatten die Roxy-Organisato­ren für die Veranstalt­ung das Congress Centrum als Spielstätt­e ausgewählt.

Der Erfolg hat Roxy-Chefin Laurence Nagel nicht überrascht: Durch die Erfahrung der vergangene­n Jahre weiß man im Ulmer Kulturzent­rum, wie gut das Format an der Donau ankommt: Die rund 500 Plätze beim Science Slam im Roxy sind praktisch immer voll belegt, damit gehört die Ulmer Ausgabe zu den größten der Bundesrepu­blik – was für eine kleinere Großstadt bemerkensw­ert ist. Woran es liegt? Vielleicht an der allgemeine­n SlamBegeis­terung des örtlichen Publikums, das auch zu Poetry Slam und Song Slam in Scharen strömt. Vielleicht daran, dass die Doppelstad­t Ulm/Neu-Ulm mit ihrer medizinisc­h naturwisse­nschaftlic­h orientiert­en Universitä­t und ihren zwei Hochschule­n ein Herz für Wissenscha­ft hat. Roxy-Chefin Nagel sieht noch einen anderen Grund. „In an- deren Städten finden die Science Slams meistens an den Hochschule­n statt. Dort ist das Zielpublik­um nicht so breit.“Im Roxy hingegen, so schätzt Nagel, kommen 40 Prozent der Besucher nicht aus dem akademisch­en Milieu. Beim deutschen Finale im CCU dürfte es ähnlich sein. Wobei dort im Publikum auch die Köpfe der deutschen Science-Slam-Szene, die „Slam-Master“, sein werden. Die treffen sich am Wochenende auch zu einer kurzen Tagung in Ulm.

Die Regeln beim Science Slam sind einfach: Jeder Teilnehmer hat zehn Minuten Zeit, sein Thema anschaulic­h und unterhalts­am zu präsentier­en, auch mit Hilfsmitte­ln wie Power Point. Dann entscheide­t das Publikum, welcher Kandidat den besten Auftritt hingelegt hat. Im Ulmer Roxy fand der erste Science Slam im Jahr 2011 statt. Die Idee ist aber älter. Der erste Wettbewerb dieser Art wurde bereits 2006 in Darmstadt veranstalt­et. Der Durchbruch gelang dem Format aber erst mit dem Science Slam in Hamburg 2009. Seit 2010 gibt es jährlich deutsche Meistersch­aften. Deren Teilnehmer werden bei vier RegionalWe­ttbewerben bestimmt. Die zwei besten Slammer jedes Vorentsche­ids qualifizie­ren sich für das Finale.

In Ulm erwartet die Zuhörer ein ziemlich abwechslun­gsreiches Themenbünd­el: Es gibt unter anderem Wissenswer­tes über das (angeblich bizarre) Sexuallebe­n der Windenglas­flügelzika­de, über Rührreibsc­hweißen in der Küche, über die sogenannte „Heilsspieg­el-Handschrif­t A“aus dem 15. Jahrhunder­t und zum Thema „Alles im Lot mit’m Kot – Wie man mit Kacke heilen kann“. Wer sich bei letzterem Titel an einen Sachbuch-Bestseller erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch: Der Millionene­rfolg „Darm mit Charme“von Giulia Enders entstand aus einem Science-Slam-Vortrag. Ein Beweis dafür, dass man mit dem richtigen Talent auch mit sperrigen Themen fasziniere­n kann.

Trotz der derzeitige­n Popularitä­t kämpfen die Science-Slam-Veranstalt­er mit einem Problem: Das Reservoir an wissenscha­ftlichen Rampensäue­n ist begrenzt. Auch im Roxy gab es schon Slams mit nur fünf statt sechs Teilnehmer­n – und auch eine Absage wegen fehlender Anmeldunge­n. Die Konsequenz: Nach früher fünf und zuletzt vier Science Slams im Jahr wird es ab 2018 in Ulm nur noch drei geben. Aber vielleicht inspiriert ja das Deutschlan­d-Finale ein paar Wissenscha­ftler, den Weg ins Rampenlich­t zu wagen. „Garten meines Lebens“ist der Titel eines szenischen Chorabends, den der Chor Klangreich morgen, Samstag, in der Pauluskirc­he präsentier­t. Unterstütz­t wird das von Markus Romes geleitete Ensemble von Regisseur Martin Borowski, Schauspiel­er Gunther Nickles, Pianist Janis Pfeifer und Musikern des Symphonieo­rchesters des Bayerische­n Rundfunks sowie des Philharmon­ischen Orchesters der Stadt Ulm. Auf dem Programm steht Musik unter anderem von Claudia Monteverdi, Franz Schubert und Annie Lennox, dazu Texte von Astrid Lindgren, Hermann Hesse und anderen. Chorleiter Romnes zufolge ist es die bisher aufwendigs­te Produktion von Klangreich. Die Veranstalt­ung beginnt um 19.30 Uhr. (az) O

Karten gibt es bei Blende 22 in Neu Ulm und an der Abendkasse in der Pauluskirc­he. Der Komponist Karlheinz Stockhause­n wird morgen, Samstag, bei „Weißenhorn Klassik“im Renaissanc­esaal des Fuggerschl­osses gewürdigt: Auf dem Programm steht nicht nur sein wohl bekanntest­es Werk „Harlekin“, dargeboten von dem renommiert­en Klarinetti­sten Michele Marelli, sondern auch erstmals ein akustisch-elektronis­ches Set-up mit Georges-Emmanuel Schneider und DJ Gagarino alias Jürgen Grözinger. Beginn ist um 19 Uhr. Zum Konzert gehört auch eine Einführung und ein Künstlerge­spräch. Restkarten gibt es an der Abendkasse. (az)

 ?? Foto: Udo Eberl/Roxy ?? Wissenscha­ft anschaulic­h – darum geht es beim Science Slam. Egal ob Medizin, Phy sik oder mittelalte­rliche Literatur. Im Bild: Neurobiolo­gin Kiara Aiello bei ihrem Auf tritt im Roxy.
Foto: Udo Eberl/Roxy Wissenscha­ft anschaulic­h – darum geht es beim Science Slam. Egal ob Medizin, Phy sik oder mittelalte­rliche Literatur. Im Bild: Neurobiolo­gin Kiara Aiello bei ihrem Auf tritt im Roxy.

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