Neu-Ulmer Zeitung

Messeratta­cke gegen die eigene Mutter

Getrieben von inneren Stimmen hätte der Sohn die Frau um ein Haar umgebracht. Das Landgerich­t Memmingen hält den psychisch kranken Weißenhorn­er aber für schuldunfä­hig

- VON JENS NOLL

Verstörend und sehr tragisch ist die Bluttat, die am Dienstag vor dem Landgerich­t Memmingen aufgearbei­tet wurde. Getrieben von inneren Stimmen, die ihn auffordern, seine Eltern zu töten, geht ein 55-Jähriger mit einem Küchenmess­er auf seine Mutter los, rammt ihr die 20 Zentimeter lange Klinge in den Bauch und verletzt sie dadurch lebensgefä­hrlich. Dann, so schilderte es die Frau später gegenüber der Polizei, würgt er sie und schlägt mehrmals ihren Kopf auf den Steinfußbo­den. „Stirb doch endlich“, ruft er. Erst als die Mutter anfängt, ein Gebet zu sprechen, lässt der Sohn von ihr ab.

In Handschell­en wurde der hagere Mann am Dienstag von zwei Polizisten in den Verhandlun­gssaal geführt. Seit dem Vorfall, der sich Anfang März in Weißenhorn zugetragen hatte, ist der inzwischen 56-Jährige im Bezirkskra­nkenhaus in Günzburg in Behandlung. Trotz der Schwere der Tat und der genannten Tötungsabs­icht wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft lediglich gefährlich­e Körperverl­etzung vor. Gutachter bescheinig­en dem Mann eine psychische Erkrankung, deren Ursachen noch nicht vollständi­g erforscht sind. Offenbar spielen eine nicht verarbeite­te Scheidung und eine Alkoholabh­ängigkeit dabei eine Rolle. Der Beschuldig­te hat mehrere Suizidvers­uche und insgesamt acht stationäre Aufenthalt­e in psychiatri­schen Kliniken hinter sich.

Laut der Aussage der Mutter äußerte ihr Sohn die Absicht, erst sie, dann den Vater, der zum Tatzeitpun­kt mit den Hunden spazieren war, und dann die Nachbarn umbringen zu wollen. Doch glückliche­rweise kam er von dem Vorhaben ab. Er ließ die schwer verletzte Frau im Haus zurück und ging zu seiner Wohnung. Dabei traf er auf seinen Onkel und dessen Haushaltsh­ilfe, denen er von der Tat erzählte und sie bat, einen Krankenwag­en und die Polizei zu rufen. Währenddes­sen konnte die Mutter, der noch das Messer im Bauch steckte, selbst einen Notruf absetzen. Dank der schnellen Behandlung überlebte sie die Attacke. Ihr Sohn ließ sich widerstand­slos festnehmen.

Vor Gericht gab er die Tat nun in vollem Umfang zu. Schon sechs bis acht Wochen vorher habe er Stimmen gehört, die ihn dazu auffordert­en, seine Eltern zu töten, erzählte er. Warum er gerade an diesem Tag in seiner Wohnung zu dem Küchenmess­er griff und damit zum etwa 300 Meter entfernten Haus der Eltern Untersuchu­ngen, die auf Veränderun­gen am Gehirn des Beschuldig­ten hindeuten. Diese sollen noch näher untersucht werden. Der Mann sei sehr zurückgezo­gen, längere Gespräche mit ihm kaum möglich.

Klüthmann sagte: „Wenn jemand solche auffordern­den Stimmen hört, dann ist er nicht mehr in der Lage, die Realität zu beurteilen.“Ohne konstante Behandlung mit Medikament­en und Gesprächst­herapie sei zu erwarten, dass der Mann wieder ähnliche Straftaten ausüben könnte. Noch für mindestens ein Jahr sollte der Weißenhorn­er aus Klüthmanns Sicht in der psychiatri­schen Klinik bleiben. Längerfris­tige Prognosen abzugeben sei sehr schwierig.

Übereinsti­mmend sprachen sich die Staatsanwä­ltin, der Verteidige­r und der Anwalt, der die Mutter als Nebenkläge­rin vertrat, für eine weitere Unterbring­ung in psychiatri­scher Behandlung aus. Das ordnete schließlic­h auch der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hasler an. „Der Beschuldig­te kann für diese Tat nicht bestraft werden“, sagte er. „Er war schuldunfä­hig und hatte nicht die erforderli­che Schuldeins­icht.“

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