Neu-Ulmer Zeitung

Alkohol wird jetzt auch nachts verkauft

Sieben Jahre lang durften Geschäfte in Baden-Württember­g Bier, Wein und Schnaps nach 22 Uhr nicht mehr abgeben – bis heute. Welche Auswirkung­en das entlang der Landesgren­ze hat

- VON SEBASTIAN MAYR

Heute um 22.01 Uhr ist wieder erlaubt, was sieben Jahre lang verboten war: Supermärkt­e, Kioske und Tankstelle­n in Baden-Württember­g dürfen ab jetzt auch nachts Alkohol verkaufen. Das hat das Innenminis­terium von Baden-Württember­g auf Anfrage bestätigt.

Der Stuttgarte­r Landtag hatte den nächtliche­n Verkauf von Bier, Schnaps und Wein im Jahr 2010 verboten. Es galt: Ab 22 Uhr dürfen Bier, Wein und Schnaps nicht mehr verkauft werden. Damals meldeten Medien, dass auf diese Weise Saufgelage verhindert und die Zahl von durch Alkoholkon­sum verursacht­en Straftaten gesenkt werden sollen.

„Am Anfang gab es manchmal Riesenterr­or“, berichtet Kaufmann Martin Weimper, der den ReweMarkt in der Ulmer Wielandstr­aße und Supermärkt­e in Weißenhorn, Vöhringen und Pfaffenhof­en betreibt. „Wir mussten den Leuten erst einmal erklären, dass das nicht von uns kommt, sondern ein Gesetz ist.“Gerade für Besucher aus anderen Teilen Deutschlan­ds sei das schwer zu verstehen gewesen. Dass das Verbot fällt, will der Unternehme­r nicht bewerben. Es sei schleichen­d eingeführt worden und werde schleichen­d wieder abgeschaff­t. Bisher blockierte eine Automatik an der Kasse nach 22 Uhr den Verkauf von Alkohol, sie wird abgeschalt­et.

Nach dem Ende für das Verbot sind die Kommunen selbst für Maßnahmen gegen Gelage und Straftaten verantwort­lich. Sie können lokale Konsumverb­ote ausspreche­n. Dann ist das Trinken an bestimmten Orten verboten. Doch die Bedingunge­n dafür sind streng.

Auswirkung­en des Verkaufsve­rbots hat die Polizei entlang der Donau und der Iller während der sieben Jahre kaum gespürt – wohl wegen der Landesgren­ze. „Für uns bestand immer die Situation, dass Bayern die eine Regelung hatte und Baden-Württember­g die andere“, sagt Ulms Polizeispr­echer Wolfgang Jürgens. Seit die Regelung eingeführt wurde, habe die Polizei keine deutlichen Veränderun­gen bei alkoholbed­ingten Straftaten bemerkt. Auch die Kollegen auf der anderen Seite der Donau haben nichts dergleiche­n beobachtet. „Ulm und Neu-Ulm sind ohnehin mehr oder weniger eine Stadt“, sagt Michael Wecker von der Polizei Neu-Ulm. Er vermutet, dass die Bürger zu jeder Uhrzeit schlicht beim nächstgele­genen Kiosk oder Supermarkt einkauften, ohne die Grenzen von Stadt und Land zu beachten. Was für Ulm und Neu-Ulm gilt, dürfte auch für Illertisse­n und Dietenheim oder für Senden und Illerkirch­berg gelten. Auf der baden-württember­gischen Seite waren die Supermärkt­e länger geöffnet, auf der bayerische­n Seite gab es auch nachts Alkohol an Tankstelle­n. Auch in Bayern galten zeitweise ungewöhnli­che Regeln. Etwa, dass Alkohol von Tankstelle­n nur als Reiseprovi­ant verkauft werden durfte. Das hieß: Wer mit dem Auto kam, durfte Bier kaufen. Wer zu Fuß kam, nicht.

In Ulm gilt die Gegend um die obere Bahnhofsst­raße als Brennpunkt. Immer wieder gingen bei der Stadt Beschwerde­n aus dieser Gegend ein. Doch die verstärkte Präsenz von Sicherheit­sdiensten und die niedrigen Temperatur­en hätten das Problem zumindest vorerst verringert, berichtet Marlies Gildehaus, Sprecherin der Stadt. Eine lokale Verbotszon­e komme dort nicht in Frage – genauso wenig wie an anderen Orten in Ulm. Denn die Polizei erkenne keine überpropor­tionale Häufigkeit von Delikten, die in Zusammenha­ng mit Alkohol stehen. Veränderun­gen für die Stadt erwarte man durch das gekippte Verbot nicht, heißt es aus der Abteilung Bürgerdien­ste.

Zusätzlich­e Maßnahmen gegen Saufgelage und Straftaten plant die Stadt Ulm nicht. Doch die Zahl der Jugendschu­tzkontroll­en soll erhöht werden. Dann schickt die Stadt zwei minderjähr­ige Auszubilde­nde mit einem Polizisten und einem Mitarbeite­r der Verwaltung zu Testkäufen los. Die Erwachsene­n halten sich im Hintergrun­d, die Jugendlich­en versuchen, Alkohol zu kaufen. „Die Jugendlich­en sind nicht darauf getrimmt, älter auszusehen und auch nicht darauf, besonders jugendlich zu wirken“, erklärt Sprecherin Gildehaus. „Sie stellen sich dann zum Beispiel mit einer Flasche Hochprozen­tigem an die Supermarkt-Kasse.“Frage der Kassierer nach dem Ausweis, sei alles in Ordnung. Andernfall­s droht eine Strafe, die von einer mündlichen Ermahnung bis zu einem Bußgeld reichen könne.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Eine Flasche Schnaps oder ein guter Rotwein für den späten, spontanen Besuch? Beides kann in Baden Württember­g jetzt auch nach 22 Uhr gekauft werden.
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Foto: Hub Christian Snehotta verbringt an Heilig abend in der Feuerwache.

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