Er baut mit der Technik von Morgen
Das Burlafinger Traditionsunternehmen Nägele gilt als führend, was die Anwendung von dreidimensionalem Druck und virtuellen Realitäten angeht
24 Stunden am Tag surren die 3D-Drucker in der Burlafinger Bahnwaldstraße vor sich hin. Zwölf Wochen am Stück fügen die kleinen Wunderwerke Millimeter für Millimeter Kunststoff zusammen, um die 27 Wohnungen des Bauprojekts in der Kirchstraße maßstabsgetreu in Miniaturgröße entstehen zu lassen. Doch das sei weit schneller, als es Modellbauer in Architekturbüros von Hand hinbekommen.
Das Burlafinger Bauunternehmen Nägele gehört nach Informationen von Geschäftsführer Florian Aicham zu nur einer Handvoll Baubetrieben in Bayern, die auf diese innovative Technik setzen. Weil die Burlafinger damit, aus Sicht des Landesverbands der bayerischen Bauinnungen, eine Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung im Baubetrieb einnehmen, referierte Aicham jüngst bei der Herbsttagung in Feuchtwangen über 3D-Druck und Co. „Für mich ist die Digitalisierung immer nur Mittel zum Zweck“, sagt der 40-Jährige. Und kein Vehikel für Showeffekte. Nur was wahre Vorteile bringe – wie das Modell aus dem 3D-Drucker – werde Teil des unternehmerischen Angebots.
Andere neue Techniken, wie etwa eine virtuelle Realität (VR) durch eine Brille gesehen, seien für seine Ansprüche noch nicht ausgereift. Beim Gang durch die virtuelle künftige Wohnung per VR-Brille ruckle es zu sehr und vielen Nutzern werde übel. Lieber setzt Aicham auf „augmented reality“, also die erweiterte Realität. Diese Einblendung von Computerbildern beim Blick durch die Smartphone-Kamera wurde insbesondere durch das Nintendo-Spiel Pokémon-Go bekannt. Wer bei Nägel-Bau durch die Linse seines Geräts blickt, sieht allerdings keine bunten Monster sondern ein virtuelles 3D-Modell des – womöglich – künftigen eigenen Häuschens, das auf dem Echt-Bild des Bauplatzes eingefügt wird. Oder der Nutzer kann sehen, wie der geplante Anbau tatsächlich wirkt.
Technik, wohin das Auge blickt in der Nägele-Zentrale. Was für Laien ein Wunderwerk ist, sei hingegen fast schon Standard in der Branche: Der 20000 Euro teure „Leica Icon Robot 50“. Dieses handliche gelb-schwarze Messgerät plus baustellentauglichem Tabletcomputer macht Wasserwagen und Maßbänder beinahe überflüssig und misst mit dem angeblich genauesten Laserpointer der Welt alles aus, was es auf einer Baustelle zu messen gibt.
Während es dieses Messgerät von der Stange gibt, passte Aicham die Anwendungen für dreidimensionalen Druck und die erweitere Realität in mühevoller Arbeit auf seine speziellen Anforderungen an. Wochen habe es etwa gedauert, bis auf Grundlage einer neuen Software aus dem 3D-Drucker keine Gewirr aus Plastikfäden sondern „Häuser zum anfassen“herauskamen. Viele, viele Parameter, wie Durchlass der Düse, Temperatur und Druckgeschwindigkeit müssen angepasst werden damit die fragilen Gebilde quasi von Geisterhand entstehen können. Denn gedruckt wird nicht nur die Außenhaut. Sämtliche Stockwerke inklusive Innenleben wie Treppenhäuser und Trennwände werden Schicht für Schicht aus Kunststoff aufgetragen. Nicht nur im Hinblick auf die Begeisterung für Digitalisierung ist Nägele Bau im Branchenvergleich ein ungewöhnliches Unternehmen. Auch was die breite Aufstellung angeht, „sind wir ziemlich einzigartig“, sagt Aicham. Und er muss es wissen. Als Obermeister der Bauinnung Neu-Ulm kennt er freilich seine Mitbewerber. Unter dem Dach von Nägele–Bau befindet sich nicht nur ein Bauunternehmen sondern zudem Architekturbüro, Zimmerei- und Holzbau sowie eine eigene Dachdeckerei.
Innovation hat bei Nägele Tradition. Der Ursprung des alteingesessenen Unternehmens liegt in einem Betrieb den Maurermeister Holzschuh bereits 1887 gründete und der 1976 über Umwege an die Familie Nägele überging. 2002 wurde die Firma an die Tochter von Hans und Louise Nägele, Elisabeth Nägele und deren Sohn Florian Aicham übergeben. Dieser widmet sich voll der Digitalisierung und setzte im vergangenen Jahr 95 Millionen Euro um. Mit seinen 17 Mitarbeitern plus Azubi kratzt die Firma somit an der 100-Millionen-Euro-Grenze. In der St.-Jakobs-Kirche in Burlafingen wurde kürzlich eine kleine Renovierungsmaßnahme durchgeführt. Nun ist an einigen wenigen Stellen wieder ein Fries sichtbar, der vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt und Apostelkreuze und ein Christusmonogramm beinhaltet. Außerdem erstrahlen die Wände wieder im frischen Weiß und geben der Kirche einen freundlichen, einladenden Innenraum. Die evangelische Kirchengemeinde präsentiert das verschönerte Gotteshaus bei einer Adventsandacht zum Thema „Geöffnete Tür“am heutigen Freitag, 8. Dezember. Beginn ist um 19 Uhr. Nach der Andacht werden die Renovierungsarbeiten erläutert und alle sind zu einem Umtrunk eingeladen. (az)