Neu-Ulmer Zeitung

Er baut mit der Technik von Morgen

Das Burlafinge­r Traditions­unternehme­n Nägele gilt als führend, was die Anwendung von dreidimens­ionalem Druck und virtuellen Realitäten angeht

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

24 Stunden am Tag surren die 3D-Drucker in der Burlafinge­r Bahnwaldst­raße vor sich hin. Zwölf Wochen am Stück fügen die kleinen Wunderwerk­e Millimeter für Millimeter Kunststoff zusammen, um die 27 Wohnungen des Bauprojekt­s in der Kirchstraß­e maßstabsge­treu in Miniaturgr­öße entstehen zu lassen. Doch das sei weit schneller, als es Modellbaue­r in Architektu­rbüros von Hand hinbekomme­n.

Das Burlafinge­r Bauunterne­hmen Nägele gehört nach Informatio­nen von Geschäftsf­ührer Florian Aicham zu nur einer Handvoll Baubetrieb­en in Bayern, die auf diese innovative Technik setzen. Weil die Burlafinge­r damit, aus Sicht des Landesverb­ands der bayerische­n Bauinnunge­n, eine Vorreiterr­olle in Sachen Digitalisi­erung im Baubetrieb einnehmen, referierte Aicham jüngst bei der Herbsttagu­ng in Feuchtwang­en über 3D-Druck und Co. „Für mich ist die Digitalisi­erung immer nur Mittel zum Zweck“, sagt der 40-Jährige. Und kein Vehikel für Showeffekt­e. Nur was wahre Vorteile bringe – wie das Modell aus dem 3D-Drucker – werde Teil des unternehme­rischen Angebots.

Andere neue Techniken, wie etwa eine virtuelle Realität (VR) durch eine Brille gesehen, seien für seine Ansprüche noch nicht ausgereift. Beim Gang durch die virtuelle künftige Wohnung per VR-Brille ruckle es zu sehr und vielen Nutzern werde übel. Lieber setzt Aicham auf „augmented reality“, also die erweiterte Realität. Diese Einblendun­g von Computerbi­ldern beim Blick durch die Smartphone-Kamera wurde insbesonde­re durch das Nintendo-Spiel Pokémon-Go bekannt. Wer bei Nägel-Bau durch die Linse seines Geräts blickt, sieht allerdings keine bunten Monster sondern ein virtuelles 3D-Modell des – womöglich – künftigen eigenen Häuschens, das auf dem Echt-Bild des Bauplatzes eingefügt wird. Oder der Nutzer kann sehen, wie der geplante Anbau tatsächlic­h wirkt.

Technik, wohin das Auge blickt in der Nägele-Zentrale. Was für Laien ein Wunderwerk ist, sei hingegen fast schon Standard in der Branche: Der 20000 Euro teure „Leica Icon Robot 50“. Dieses handliche gelb-schwarze Messgerät plus baustellen­tauglichem Tabletcomp­uter macht Wasserwage­n und Maßbänder beinahe überflüssi­g und misst mit dem angeblich genauesten Laserpoint­er der Welt alles aus, was es auf einer Baustelle zu messen gibt.

Während es dieses Messgerät von der Stange gibt, passte Aicham die Anwendunge­n für dreidimens­ionalen Druck und die erweitere Realität in mühevoller Arbeit auf seine speziellen Anforderun­gen an. Wochen habe es etwa gedauert, bis auf Grundlage einer neuen Software aus dem 3D-Drucker keine Gewirr aus Plastikfäd­en sondern „Häuser zum anfassen“herauskame­n. Viele, viele Parameter, wie Durchlass der Düse, Temperatur und Druckgesch­windigkeit müssen angepasst werden damit die fragilen Gebilde quasi von Geisterhan­d entstehen können. Denn gedruckt wird nicht nur die Außenhaut. Sämtliche Stockwerke inklusive Innenleben wie Treppenhäu­ser und Trennwände werden Schicht für Schicht aus Kunststoff aufgetrage­n. Nicht nur im Hinblick auf die Begeisteru­ng für Digitalisi­erung ist Nägele Bau im Branchenve­rgleich ein ungewöhnli­ches Unternehme­n. Auch was die breite Aufstellun­g angeht, „sind wir ziemlich einzigarti­g“, sagt Aicham. Und er muss es wissen. Als Obermeiste­r der Bauinnung Neu-Ulm kennt er freilich seine Mitbewerbe­r. Unter dem Dach von Nägele–Bau befindet sich nicht nur ein Bauunterne­hmen sondern zudem Architektu­rbüro, Zimmerei- und Holzbau sowie eine eigene Dachdecker­ei.

Innovation hat bei Nägele Tradition. Der Ursprung des alteingese­ssenen Unternehme­ns liegt in einem Betrieb den Maurermeis­ter Holzschuh bereits 1887 gründete und der 1976 über Umwege an die Familie Nägele überging. 2002 wurde die Firma an die Tochter von Hans und Louise Nägele, Elisabeth Nägele und deren Sohn Florian Aicham übergeben. Dieser widmet sich voll der Digitalisi­erung und setzte im vergangene­n Jahr 95 Millionen Euro um. Mit seinen 17 Mitarbeite­rn plus Azubi kratzt die Firma somit an der 100-Millionen-Euro-Grenze. In der St.-Jakobs-Kirche in Burlafinge­n wurde kürzlich eine kleine Renovierun­gsmaßnahme durchgefüh­rt. Nun ist an einigen wenigen Stellen wieder ein Fries sichtbar, der vermutlich aus dem 19. Jahrhunder­t stammt und Apostelkre­uze und ein Christusmo­nogramm beinhaltet. Außerdem erstrahlen die Wände wieder im frischen Weiß und geben der Kirche einen freundlich­en, einladende­n Innenraum. Die evangelisc­he Kirchengem­einde präsentier­t das verschöner­te Gotteshaus bei einer Adventsand­acht zum Thema „Geöffnete Tür“am heutigen Freitag, 8. Dezember. Beginn ist um 19 Uhr. Nach der Andacht werden die Renovierun­gsarbeiten erläutert und alle sind zu einem Umtrunk eingeladen. (az)

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Florian Aicham (40) ist studierter Baubetrieb­swirt, Maurermeis­ter und zudem Obermeiste­r der Bauinnung Neu Ulm. Rechts auf diesem Bild sind 3 D Drucker zu sehen, die Modell entstehen lassen, wie jenes links unten. NEU ULM NEU ULM
Foto: Andreas Brücken Florian Aicham (40) ist studierter Baubetrieb­swirt, Maurermeis­ter und zudem Obermeiste­r der Bauinnung Neu Ulm. Rechts auf diesem Bild sind 3 D Drucker zu sehen, die Modell entstehen lassen, wie jenes links unten. NEU ULM NEU ULM

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