In der Umkleide gibt es noch eine Ablage für Brillen
hat das Woha einen Preis gewonnen, Jürgen Raabs Schaufenster gehören jetzt zu den schönsten in Europa. Das ist doch was zum Vorzeigen in dieser schwierigen Zeit.
Das Woha, kurz für Wohlfeile Handelsgesellschaft, ist ein großer Flachbau am Rand der Donauwörther Altstadt. Gut 6000 Quadratmeter verteilt auf zwei Stockwerke, 60 000 Kunden im Einzugsgebiet, 88 Mitarbeiter. Im Erdgeschoss Töpfe, Schokolade, Schreibwaren, am anderen Ende der Rolltreppe Mode, Spielwaren, Bücher. Ein Ort, an dem in der Umkleide ein Schuhlöffel liegt und eine Ablage für Brillen hängt, an dem die Verkäuferinnen Stammkunden mit Namen begrüßen und auch mal sagen, wenn Hose oder Bluse nicht sitzen. „Das sind die Kleinigkeiten, auf die wir Wert legen“, sagt Jürgen Raab. Und dass das Woha auf seiner Welle sehr gut schwimme.
Aber auch Raab kennt die Probleme, die anderswo vielleicht größer sind, aber nirgendwo klein. Dass die Menschen immer mehr im Internet besorgen. Dass neue Konkurrenten entstehen – in Donauwörth die Donaumeile. Dass, um es kurz zu machen, in der Kaufhaus-Welt nichts mehr so ist, wie es einmal war.
Ein Kaufhaus, das war mal mehr als eine Ansammlung von Waren. Die Idee stammt aus einer Zeit, als die Menschen wenig hatten und alles haben wollten. Als im Jahr 1907 in Berlin das Kaufhaus des Westens öffnete, entwickelte es sich schnell zum Symbol für Wohlstand, eine Verheißung auf 60000 Quadratmetern. Richtig erfolgreich wurden die Warenhäuser in den 1950er Jahren, als sich die Menschen nach vielen Jahren der Entbehrung etwas gönnen wollten. Das Kaufhaus war eng verbunden mit diesem Traum von einem besseren Leben. Einem Leben mit Staubsauger, Bügeleisen und Satin-Bettwäsche.
Manchmal spürt man diesen Zauber heute noch, vor allem jetzt in der Weihnachtszeit – wenn die Läden voll sind und in einer Mischung aus Vorfreude und Hektik vibrieren. Es gibt noch Kaufhäuser wie das Woha, in denen die Kunden staunen, überrascht werden und sich wohlfühlen. Und doch ist ein Kaufhaus-Besuch vielerorts eine Reise in die Vergangenheit. In eine Welt, in der Begriffe wie Zentralkasse oder Kurzwaren Alltag sind. Eine Welt, die eher großer Tante-Emma-Laden ist als Konsumtempel.
Die Folge ist: Im ganzen Land leiden die Kaufhäuser, die großen und die kleinen, in Augsburg ebenso wie in Ludwigshafen, Krefeld oder Leipzig. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Warenhäuser fast halbiert. Hertie konnte nicht gerettet werden, Horten starb einen langsamen Tod. Zurück blieben leere Verkaufshallen und jene tristen Betonklötze, die vielen Innenstädten das gleiche Gesicht geben.
Karstadt und Kaufhof, die überlebenden Warenhaus-Konzerne, halten sich dank harter Einschnitte. Zusammen kommen beide Unternehmen heute auf 180 Filialen. Bei Zahl wird es voraussichtlich nicht bleiben. Zu teuer sind die Immobilien in bester Lage, zu teuer das Personal, zu teuer das große Sortiment. Nicht zum ersten Mal hat Karstadt-Eigner René Benko deshalb vor kurzem die Idee einer Deutschen Warenhaus AG ins Spiel gebracht; eines insgesamt schlankeren Konzerns, in dem Kaufhof und Karstadt aufgehen sollen.
Auch im Woha in Donauwörth spürt man, dass die Zeiten härter geworden sind. Über Zahlen spricht Jürgen Raab nicht. Aber auch er hört von seinen Verkäuferinnen, dass sich Kunden immer öfter beraten lassen und dann doch woanders einkaufen. Und er hat in den vergangenen 25 Jahren Abteilungen wachsen und schrumpfen sehen. Gardinen, Waschkörbe, Schallplatten – all das verschwand irgendwann zugunsten der Modeabteilung, die gerade erst groß renoviert wurde. „Alte Zöpfe“, sagt Raab, „muss man irgendwann abschneiden.“
Fragt man Gerrit Heinemann nach der Zukunft der Warenhäuser, kommt erst einmal ein Schnauben aus dem Telefonhörer, gefolgt von einem harten Satz: „Warenhäuser“, sagt der Branchenexperte, „sind die Dinosaurier des Handels.“Sie haben sich nach seiner Meinung „einfach überlebt“, der Niedergang werde nicht aufzuhalten sein. Am Ende „bleiben vielleicht 100 übrig, eher nur 80“, sagt Heinemann, der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach lehrt.
Aber wie kann es sein, dass ein einstmals so erfolgreiches Konzept irgendwann nicht mehr aufgeht? Wer ist schuld daran? Sind es die Kunden, die nicht mehr kommen? Oder doch die Kaufhaus-Betreiber, die zu wenig bieten? Vor allem: Lässt sich diese Entwicklung noch umdrehen? Und wenn ja, wie?
Jürgen Raab, der Woha-Mann, hat auf diese Frage eine klare Antwort: Mit guter Beratung, mit Vielfalt, mit Leidenschaft, nicht zuletzt mit kostenlosen Parkplätzen. Für Gerrit Heinemann, den Handelsexperten, sind die Antworten weniger leicht: „Ich wüsste nicht, was die Kaufhäuser anders machen können, um den Niedergang aufzuhalten.“Er attestiert vielen Geschäften „eine Mentalität wie in den 50ern“. Dort gebe es dann „ein bisschen hiervon, ein bisschen davon“.
Der Kunde aber, sagt Heinemann, wolle heute nicht weniger als die maximale Auswahl. Das liegt daran, dass die Zahl der Fachhändler gestiegen ist. Vor allem aber liegt es am Online-Geschäft, das das Einkaufen revolutioniert hat wie keine Entwicklung im Handel je zuvor. Jeder zehnte Euro wird heute im Internet umgesetzt. Gleichzeitig ist der Anteil der Kauf- und Warendieser häuser am Einzelhandelsumsatz auf 2,6 Prozent geschrumpft. Vor fünf Jahren gab noch jeder zweite Deutsche an, am liebsten in einem Geschäft einzukaufen. Heute ist es nur noch jeder vierte.
Glaubt man Experte Heinemann, dann trägt der Handel daran auch selbst Schuld, oder vielmehr die Strukturen, die es im Einzelhandel gibt. Jahrzehntelang, sagt er, haben sich Kunden in Geschäften gefühlt wie Störenfriede. „Allein, dass man sich entschuldigt, wenn man einen Verkäufer anspricht“, klagt er. „Ich bezahle viel Geld, warum soll ich mich dann noch entschuldigen?“Der Kunde, ruft Heinemann aufgebracht ins Telefon, „möchte doch dem stationären Handel die Stange halten.“Er sei aber nicht bereit, für eine Leistung mehr zu zahlen, wenn er keinen Mehrwert bekomme. „Der Kunde kann jetzt woanders einkaufen, und diese Macht spielt er auch aus.“
Händler, die überleben wollen, müssen das verstehen, sagt Heinemann. Sie müssen einsehen, dass die Messlatte heute höher liegt als früher – weil die Menschen erst durch das Internet gelernt haben, wie weit Unternehmen gehen, um Verbraucher zufriedenzustellen. „Customer first“ist der Grundsatz des OnlineHändlers Amazon – der Kunde kommt immer zuerst. Jeff Bezos, der Chef des Unternehmens, hat