Sie war Nummer 4167
Eva Franz war zwei Jahre alt, als sie mit Schwester und Eltern ins KZ deportiert wurde. In der Berufsschule Neu-Ulm erzählt die 77 Jahre alte Holocaust-Überlebende ihre Geschichte
Eigene Bilder aus ihrer frühen Kindheit hat Eva Franz wenig, berichtete die 77-jährige Zeitzeugin den Schülern der Neu-Ulmer Berufsschule. Der Zaun des Konzentrationslagers Auschwitz, dessen Nähe zu meiden ihre Mutter sie eindringlich warnte, ist eine solche Erinnerung, und die Befreiung aus dem Konzentrationslager BergenBelsen im April 1945. Vier Jahre und acht Monate war Eva Christ – so lautet ihr Mädchenname – damals alt, und auf ihrem Arm war die Nummer 4167 eintätowiert. Denn Eva Christ, geboren am 31. August 1940 in Gablonz als Kind einer deutschen und katholischen Sinti-Familie, wurde im Alter von etwa zweieinhalb Jahren mit ihren Eltern und ihrer acht Jahre älteren Schwester ins KZ deportiert.
Es gibt nur noch wenige Holocaust-Überlebende, die zur Zeit der nationalsozialistischen Völkermorde alt genug waren, um präzise eigene Erinnerungen zu haben. Im Zeitzeugengespräch bezog sich Eva Franz vor allem auf Berichte ihres Vaters Emil Christ, der die Konzentrationslager Auschwitz und Mauthausen überlebte, und auf die Erinnerungen einer anderen inzwischen verstorbenen Überlebenden des KZ Bergen-Belsen, die der geschwächten Mutter der kleinen Eva verspro- chen hatte, sich um das Mädchen zu kümmern, sollte die Mutter zu Tode kommen. Wann genau die Mutter vor ihren Augen starb, weiß Eva Franz nicht – aber dass sie zusammengebrochen sei, und dass das Kind die Sterbende anflehte, die Augen zu öffnen.
Auch weil es heute nur noch wenige Zeitzeugen gibt, erklärte Birgit Mair vom Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung, die die Zeitzeugen-Gespräche mit Eva Franz moderiert, den Schülern die Hintergründe der „rassisch“begründeten, vom NS-Staat organisierten Mordpolitik. Dieser fielen in Europa schätzungsweise eine halbe Million Sinti und Roma zum Opfer. Mair betonte vor den aus vielen Nationen stammenden Schülern der Berufsschule, die dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“angehört, dass man Menschen nicht in Rassen einteilen kann.
An den Tod der Schwester kann sich Eva Franz nicht erinnern; Franja starb kurz nach der Ankunft in Auschwitz, sagte die 77-Jährige, die aus Angst vor Verfolgung nicht fotografiert werden will. Dass sie als Kind den Schlot des Krematoriums sah und dass ihr die Mutter nicht erzählte, dass dort der Leichnam der Schwester verbrannt worden sei, sondern dass dort Brot für die Menschen gebacken wurde – das Kind glaubte es und erfuhr erst viel später die Wahrheit.
Als der Vater 1945 – aus Mauthausen befreit und zu seiner Mutter nach Kassel gekommen – hörte, dass Eva lebte und in einem Nothospital in Belsen sei, machte er sich mit einem gefundenen Motorrad auf den Weg, sein Kind von dort zu holen. Sie saß damals schon in einem Flugzeug, das überlebende Kinder der Konzentrationslager zur Adoption in die USA bringen sollte, berichtete Eva Franz. Doch weder das kleine Mädchen noch der Vater erkannten einander; nur eine Narbe Evas, die von einem Sturz aus dem Kinderwagen stammte, konnte helfen, die beiden zusammenzuführen.
Sie verdränge die Vergangenheit, antwortete Eva Franz einer Schülerin auf die Frage, ob sie oft an die schwere Zeit in den Konzentrationslagern denke. Ihre eigenen fünf Kinder hätten sehr lange nichts davon erfahren. Warum sie sich seit fünf Jahren die schmerzhaften Zeitzeugengespräche in Schulen antue, wollte eine andere Schülerin wissen. Eva Franz antwortete ihr, dass sie sich als Witwe nach schweren Erkrankungen über Wasser halten müsse. „Man muss ja leben.“Während der Nachkriegszeit bis 1982 erkannte die Bundesrepublik Deutschland die überlebenden Sinti und Roma nicht als Opfer der NSVerfolgung an.
In Neu-Ulm leben Menschen aus über 100 Nationen. Doch mit welchen Problemfeldern und Chancen wird eine Einwanderungsgesellschaft konfrontiert? Wie gestaltet man Integration? Was funktioniert in diesem Zusammenhang bereits gut und was kann noch verbessert werden, um Parallelgesellschaften zu verhindern und Integration zu fördern? Um diese Fragen drehte sich die erste Integrationskonferenz der Stadt, die vor Kurzem in der Hochschule Neu-Ulm stattfand.
Die Konferenz wurde von der Koordinierungsstelle Integration, Flucht und Asyl der Neu-Ulmer Stadtverwaltung einberufen. Der Austausch fungierte gleichzeitig als Startschuss zur Erarbeitung eines Integrationskonzeptes der Stadt Neu-Ulm. Dieses Konzept soll sowohl für die Verwaltung als auch für die verschiedenen Akteure in der Stadt als Programm für die Integrationsarbeit der nächsten Jahre dienen. An der Konferenz nahmen rund 50 Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Landratsamt, aus der Wirtschaft und dem Bildungsbereich sowie aus Vereinen und dem Ehrenamt teil, um gemeinsam über die Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft zu diskutieren.
Die Teilnehmer setzten sich dabei mit fünf verschiedenen Themenfeldern auseinander: Sprache und Bildung, Arbeitsmarktintegration, Vernetzung und Transparenz, Wohnen sowie Gesellschaftliche Teilhabe. Sie hinterfragten dabei, was im jeweiligen Bereich in NeuUlm